Panorama

Der große Schnee vor 30 JahrenChaos in Schleswig-Holstein

25.12.2008, 12:25 Uhr

Vor 30 Jahren erlebte Schleswig-Holstein die größte Schneekatastrophe seit Menschengedenken. Die Bilanz zum Jahreswechsel 1978/79 und im Februar 1979: sechs Tote sowie Schäden in Höhe von 72,1 Millionen Euro.

Städte und Dörfer waren von der Außenwelt abgeschnitten, der Zugverkehr kam zum Erliegen und auf den Autobahnen türmten sich meterhohe Schneemassen auf. Vor 30 Jahren erlebte Schleswig-Holstein die größte Schneekatastrophe seit Menschengedenken. Die Bilanz zum Jahreswechsel 1978/79 und im Februar 1979: sechs Tote sowie Schäden in Höhe von 72,1 Millionen Euro.

Während in den Weihnachtstagen 1978 im Norden noch milde Meeresluft und Tauwetter herrschten, kam es am 28. Dezember zu einem massiven Kälteeinbruch. Ursache dafür war eine sehr seltene Wetterlage: Schleswig-Holstein befand sich an der Grenze von trockener Kaltluft aus Nordosten und feuchter Warmluft aus Südwesten, berichtete der Deutsche Wetterdienst. Diese extremen Temperaturgegensätze lösten die kräftigen Schneefälle aus.

80 Ortschaften ohne Strom

Heftige Schneestürme führten drei Tage vor dem Jahreswechsel im nördlichsten Teil von Schleswig-Holstein zu ersten massiven Verkehrsbehinderungen. "Das Schneechaos wird von Stunde zu Stunde größer, seit gut zweieinhalb Tagen schneit es ohne Unterlass", berichtete die "Tagesschau" am 30. Dezember. Dazu kamen schwere Stürme, Hochwasser an der Ostseeküste sowie Frost bis zu minus 20 Grad. Eisregen und Orkanböen führten dazu, dass Hochspannungsleitungen und Masten umstürzten.

Unterdessen lösten die Behörden Katastrophenalarm aus. In mehreren Kreisen wurden zudem Fahrverbote für Privatfahrzeuge verhängt. Einen Tag vor Silvester waren die meisten Straßen im Norden ohnehin nicht mehr befahrbar. Pendler und Urlauber, die auf die Inseln oder nach Dänemark mit dem Auto oder der Bahn fahren wollten, wurden in Notquartieren untergebracht. "Das größte Problem war damals der Zusammenbruch der Energieversorgung", erläuterte Thomas Rathjen, Beauftragter für Katastrophenschutzausstattung im Innenministerium. Rund 80 Ortschaften hatten keinen Strom.

Schweine und Hühner erfroren

25.000 Helfer vom Technischen Hilfswerk (THW) oder dem Deutschen Roten Kreuz (DRK), 15.000 Feuerwehrleute und rund 3000 Soldaten wurden an die Schneefront gerufen, um Notstromaggregate zu beschaffen, liegengebliebene Autofahrer zu bergen und eingeschneite Höfe mit Lebensmitteln zu versorgen. Mit Bergepanzern und Hubschraubern transportierte die Bundeswehr Notfallpatienten in Krankenhäuser. Mit geländegängigen Löschfahrzeugen brachte die Feuerwehr ebenfalls Dialysepatienten und schwangere Mütter in Kliniken.

"Am stärksten betroffen von der Schneekatastrophe war der nördlichste Landesteil Schleswig-Holsteins", erinnerte sich der langjährige dpa-Redakteur, Friedhelm Caspari, der die heftigen Schneestürme in Flensburg hautnah erlebte. "Wie die vielen anderen saßen auch wir in unserer Altbauwohnung am Hafendamm, in der die Heizung ausgefallen war; zum Glück hatten wir noch Strom". Ein kleiner Heizlüfter wurde von einem Zimmer zum anderen durch die Wohnung geschoben. "Die Stadt Flensburg wurde im Neujahrstag zur Zufluchtsstätte für alle diejenigen, die in den umliegenden Ortschaften ihre eiskalten Wohnungen, Häuser und Bauernhöfe verlassen mussten", erzählte Caspari.

Vor allem auf abgelegenen Gehöften erfroren in den Ställen Schweine und Hühner, da die Notstromaggregate versagten. Die vollautomatische Fütterung des Viehs fiel vielerorts aus und die Kühe konnten nicht mehr gemolken werden. In den ersten Januartagen 1979 begann sich die Lage allmählich zu entspannen. Am 6. Januar wurde der letzte Katastrophenalarm aufgehoben.

Rund sechs Wochen später stand Norddeutschland wieder am Rande einer Schneekatastrophe. Am 13. Februar 1979 fegten orkanartige Böen wie zum Jahresanfang über dem Norden hinweg. Wieder gab es Katastrophenalarm, fast flächendeckend wurden auch wieder Fahrverbote angeordnet. Es gab allerdings weniger Stromausfälle als zum Jahreswechsel. Die Behörden waren diesmal besser auf die Situation eingestellt.

Quelle: Klaus Saalfeld, dpa