Panorama

Entsetzliche Bilder und Riesenprobleme Helfer berichten aus Pakistan

Flutopfer stehen Schlange, um etwas zu essen zu bekommen.

Flutopfer stehen Schlange, um etwas zu essen zu bekommen.

(Foto: dpa)

Im Norden Pakistans geht das Wasser zurück. Erst jetzt wird das gigantische Ausmaß der Katastrophe sichtbar. Helfer berichten von Hunger, Krankheit und ihrer Arbeit vor Ort.

Die Wasserstände sinken im Nordwesten Pakistans - und lassen erst allmählich das gewaltige Ausmaß der Katastrophe erahnen. "Mit den zurückgehenden Wassermassen sieht man jetzt all die Zerstörung, die niedergerissenen Häuser. Überall ist Schlamm. Straßen, Schulen, Krankenstationen sind kaputt", berichtet Axel Schmidt von Help aus Nowshera. Helfer mehrerer Organisationen melden aus den Notgebieten massive Zerstörung, steigende Krankenzahlen, Hunger und Mangel, vor allem in den entlegenen Dörfern.

"Es ist zwar schon mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein, was bisher an Hilfe angekommen ist. Aber es gibt eine Fülle von Riesenproblemen", sagt Schmidt. "Die Nahrungsmittelversorgung ist extrem schwierig. Da es die Kornkammer getroffen hat, droht eine Hungerkatastrophe, wenn nicht schnell Saatgut verteilt wird. Das ist aber nicht in Sicht." Krankheiten nehmen zu, Kinder sterben. "Brunnen sind kaputt, sauberes Wasser fehlt, die Abwasserleitungen sind teilweise ganz zerstört. Wer kein gutes Immunsystem hat, ist in akuter Gefahr."

Malaria-Gefahr ist groß

Pakistaner suchen zwischen Schlamm, Dreck und Trümmern nach ihren Habseligkeiten.

Pakistaner suchen zwischen Schlamm, Dreck und Trümmern nach ihren Habseligkeiten.

(Foto: dpa)

In den medizinischen Stationen von Help werden immer mehr Durchfall-Kranke behandelt, es gibt viele Augeninfektionen und Hautkrankheiten. "Bei mehr als 35 Grad sind verdreckte Wasserpfützen ideale Zuchtstation für alle möglichen Insekten. Die Malaria-Gefahr ist groß, das haben wir im Auge. Unser Hauptziel sind die entlegenen Dörfer, denn da ist oft noch gar keine Hilfe angekommen", erzählt der Help-Mann. Er war schon in vielen Katastrophengebieten, hat aber noch nie eine solche Zerstörung und Not gesehen. "Das sind entsetzliche Bilder. In den Regionen, wo wir unsere Arbeit aufgenommen haben, sind viele Kinder gestorben. Schon vor der Krise waren viele Kinder schlecht ernährt, das verschlechtert sich rapide."

Auch die Malteser (Köln) gehen vor allem in die entfernten Dörfer, um Frauen, Kinder, Alte und Gebrechliche zu behandeln, wie Pakistan-Referent Jürgen Clemens berichtet. "Die Wege sind teils unpassierbar, wir fahren so nahe ran wie möglich, dann gehen die Teams kilometerweit zu Fuß weiter. Teilweise transportieren Esel die Ausrüstung." Die Malteser sind ebenfalls im Nordwesten des Landes im Einsatz mit ihren mobilen Kliniken. Ein Mediziner-Team behandelt bis zu 500 Menschen täglich.

"Wir brauchen Verstärkung"

"Es kommen viele mit schlimmen Durchfallerkrankungen, Lungenentzündung, Hautkrankheiten. Vor allem Kinder und Frauen leiden unter körperlicher Schwäche und Anämie (Blutarmut)", sagt Clemens. "Es gab auch Cholera-Fälle im Swat-Tal". Er weiß: "Wir können nur einen kleinen Teil der nötigen Hilfe abdecken, das ist uns klar. Wir brauchen Verstärkung. Wir brauchen mehr Geld."

Im Süden Pakistans drohen neue Fluten. Seit dem Wochenende werden Zehntausende evakuiert.

Im Süden Pakistans drohen neue Fluten. Seit dem Wochenende werden Zehntausende evakuiert.

(Foto: dpa)

Ein Fünftel des südasiatischen Landes ist überflutet, bis zu 20 Millionen Menschen sind betroffen. Die Jahrhundertflut hat bisher 1491 Menschen das Leben gekostet, mindestens sechs Millionen sind obdachlos. Im schwer getroffenen Süden Pakistans drohen neue Fluten. Zehntausende werden seit Samstag in Sicherheit gebracht. Mehrere Dutzend deutsche Organisationen helfen den Flutopfern derzeit in Pakistan, darunter auch das Deutsche Rote Kreuz, die Welthungerhilfe, Care oder Unicef Deutschland.

Auch das UN-Kinderhilfswerk sieht das Land und die Helfer nach der Flut vor einer noch unüberschaubaren Mammutaufgabe. Allein 3,5 Millionen Kinder brauchen nach derzeitiger Einschätzung Soforthilfe zum Überleben. "Ich sprach mit einer Frau mit fünf Kindern, die alles verloren hatte. Es gibt tausende wie sie", schildert Daniel Toole, Unicef-Regionaldirektor für Südasien, aus dem südlichen Punjab. "Die Frau ist mit ihren Kindern geflohen, ohne Nahrungsmittel, nur mit den Kleidern, die sie am Leib hatte. Sie leidet an Durchfall, alle fünf Kinder sind krank." Trotzdem gehöre diese Familie noch zu den Glücklichen, da sie es in ein Auffanglager mit guter Wasser- und Nahrungsmittelversorgung geschafft habe.

Das Geld muss jetzt fließen

Trotz 40 Grad und mehr im Süden halten Toole zufolge im Ramadan viele Flutopfer noch das Fastengebot ein und nehmen tagsüber kein Wasser zu sich. Hirse- und Baumwollfelder sind vernichtet, Schulen zerstört, fast 7200 landesweit laut Unicef. "Unsere Leute arbeiten Tag und Nacht", betont Toole. Die Zeit drängt: "Wir brauchen mehr Geld, Cash. Wichtig ist, dass das Geld jetzt fließt - Zusagen alleine reichen nicht."

Quelle: ntv.de, Yuriko Wahl, dpa

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