Panorama

Entschädigung für erlittenes Leid Hilfe für ehemalige Heimkinder

Der Verein ehemaliger Heimkinder lehnt die Hilfsmaßnahmen ab. Das sei keine Entschädigung für erfahrenes Leid.

Der Verein ehemaliger Heimkinder lehnt die Hilfsmaßnahmen ab. Das sei keine Entschädigung für erfahrenes Leid.

(Foto: dpa)

Millionenfonds für 800.000 Betroffene: Sie mussten Torf stechen oder in Küchen und Großwäschereien schuften. Geld gab es keines und auch keine Ausbildung. Ehemalige Heimkinder aus Westdeutschland können ab sofort Hilfsgelder beantragen. Der Verein Ehemaliger Heimkinder lehnt den Fonds aber ab.

Hunderttausende Westdeutsche, die zwischen 1949 bis 1975 in Kinderheimen unter Psychoterror, Zwangsarbeit und körperlichen Misshandlungen litten, können jetzt finanzielle Hilfen beantragen. Aus dem Fonds "Heimerziehung West" stehen ab sofort 120 Millionen Euro zur Verfügung, wie katholische und evangelische Kirche sowie mehrere Wohlfahrtsverbände mitteilten.

Das Geld wird zu je einem Drittel vom Bund, von den Westländern und Kommunen sowie von den Kirchen und ihren Sozialverbänden aufgebracht. Ein Großteil davon soll für die Behandlung von traumatischen Folgeschäden eingesetzt werden. Rund 20 Millionen Euro sind als Ausgleich für fehlende Beitragszeiten bei der Rentenversicherung gedacht.

Anträge bis 2014

Anträge können bis Ende Dezember 2014 gestellt werden. Anlauf- und Beratungsstellen in den alten Bundesländern und Berlin beraten Betroffene und ermitteln den konkreten Hilfebedarf. Auch Betroffene aus Säuglings-, Kinder- und Jugendheimen sowie Jugendwerkhöfen in der DDR sollen bald von den Hilfen profitieren. Bis zum Sommer sollen entsprechende Regeln geschaffen werden.

"Die Leistungen können nichts ungeschehen machen, aber sie sollen Menschen helfen, die Folgen besser zu bewältigen", sagte der Präsident des Kirchenamtes der Evangelischen Kirche in Deutschland, Hans Ulrich Anke. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, erklärte: "Ich freue mich, dass nun ein Angebot für ehemalige Heimkinder vorhanden ist, das ihre zentralen Anliegen berücksichtigt: das Bedürfnis nach Aussprache, der Wunsch nach Anerkennung, Beratung und therapeutischer Hilfe sowie finanzielle Hilfen."

Die Hilfen gehören zu den Empfehlungen, auf die sich Fachleute am Runden Tisch Heimerziehung bereits 2010 verständigt hatten. Bis in die 70er Jahre wurden in der Bundesrepublik viele Waisen, Kinder minderjähriger Mütter oder angeblich "schwer erziehbare" Jugendliche in Heime eingewiesen. Experten gehen von bis zu 800.000 Betroffenen aus, von denen viele gedemütigt, misshandelt oder auch sexuell missbraucht wurden. Ähnlich erging es es etlichen der bis zu 120.000 Kinder, die in DDR-Heimen lebten.

Verein ist gegen den Fonds

Der Verein Ehemaliger Heimkinder lehnt den Fonds und das vereinbarte Prozedere entschieden ab. "Wir boykottieren das", sagte der stellvertretende Vorsitzende Dirk Friedrich. Die Betroffenen erhielten keine Entschädigung für erfahrenes Leid. "Das sind alles Hilfsmaßnahmen." Hinzu komme, das frühere Heimkinder als Voraussetzung für eine Psychotherapie beweisen müssten, dass sie unter Folgeschäden litten aus einer Heimerziehung, die 30 und mehr Jahre zurückliege.

Friedrich und sein Verein - die nach eigenen Angaben größte Opfervertretung - wollen ihren Anspruch auf Entschädigung durch alle juristischen Ebenen geltend machen - bis zum Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg.

Quelle: ntv.de, dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen