Panorama

Probleme in japanischem AKWJapco schaltet vorsorglich ab

03.05.2011, 16:20 Uhr

Im japanischen Atomkraftwerk Tsuruga müssen offenbar alle 193 Brennstäbe ausgetauscht werden, weil sie schadhaft sind. Der Betreiber Japco spricht von einer Routinemaßnahme. Das AKW werde heruntergefahren. Derweil murren mehrere Anteilseigner der fünf japanischen Stromkonzerne und verlangen von den Unternehmen, ihre Atomkraftwerke zu schließen.

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Das Atomkraftwerk Tsurunga in Japan liegt direkt am Meer. (Foto: dpa)

Nach Problemen mit Brennstäben im Atomkraftwerk Tsuruga Zwei an der Westküste Japans wird der Betreiber Japan Atomic Power Co. (Japco) den Meiler herunterfahren. "Es gibt keine Auswirkungen auf die Umwelt", versicherte ein Mitarbeiter der japanischen Atomsicherheitsbehörde NISA in Osaka. Jeder der insgesamt 193 Brennstäbe soll demnach auf Löcher und andere kleine Schäden untersucht und wenn nötig ausgetauscht werden. Das AKW liegt außerhalb der Erdbeben-Katastrophenzone.

Am Montag hatte ein Anstieg radioaktiver Substanzen im Kühlwasser des Reaktors Hinweise auf leicht defekte Brennelemente gegeben. Nach Einschätzung der deutschen Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) in Köln wäre dies aber kein sehr ungewöhnlicher Vorgang. Ähnliches trage sich auch in anderen Reaktoren weltweit zu.

Eigner verlangen Stilllegungen

Derweil verlangen mehrere Anteilseigner der fünf japanischen Stromkonzerne von den Unternehmen, ihre Atomkraftwerke zu schließen, berichtete der staatliche Sender NHK. Welche Anteile die Kritiker am jeweiligen Unternehmen halten, teilte NHK dabei nicht mit. Unter anderem reichten 400 Aktionäre des Unternehmens Tokyo Electric Power Co (Tepco) - Betreiber des havarierten Kernkraftwerks Fukushima Eins - entsprechende Dokumente ein. Die Kritiker argumentieren, dass das Risiko atomarer Unfälle zu groß sei. Es wird erwartet, dass sich die Hauptversammlungen der Konzerne mit dem Thema befassen.

Tepco muss mit Milliardenstrafen rechnen

Zudem könnten auf Tepco einer Zeitung zufolge Entschädigungszahlungen von umgerechnet 17 Milliarden Euro zukommen. "Asahi" berichtet unter Berufung auf einen Entwurf der Regierung, der Konzern solle die Hälfte der Gesamtsumme von vier Billionen Yen, umgerechnet 33 Milliarden Euro, über einen Zeitraum von zehn Jahren schultern. Die zweite Hälfte würden acht andere Energie-Unternehmen aufbringen müssen. Ein Tepco-Sprecher sagte, die Angaben gingen nicht auf eine Mitteilung des Konzerns zurück.

Tepco, die japanische Regierung und die Banken suchen nach einer Möglichkeit, die Folgekosten der Katastrophe zu stemmen, ohne das Unternehmen zu verstaatlichen. Investoren sind verunsichert, weil weder die Gesamtsumme feststeht noch klar ist, ob Tepco dafür komplett aufkommen muss.

Greenpeace überprüft Wasserqualität

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Greenpeace-Aktion in Tschernobyl. (Foto: dpa)

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace begann derweil vor der japanischen Ostküste nahe dem beschädigten Atomkraftwerk Fukushima mit Messungen der Wasserqualität. Bei den südlich des AKW vorgenommenen Tests handle sich um erste Messungen zur Bestimmung des Verschmutzungsgrads von Meeresflora und -fauna und möglichen Auswirkungen auf die Nahrungskette, teilte die Organisation mit, die mit ihrem Flaggschiff "Rainbow Warrior II" vor der japanischen Küste unterwegs ist. Es ist eine der letzten Expeditionen des Schiffes, bevor der Nachfolger "Rainbow Warrior III" seinen Dienst aufnimmt.

Die japanische Regierung habe keine unabhängige Untersuchung in den Gewässern in einem 20-Kilometer-Radius um das AKW erlaubt, erklärte Greenpeace. Sie habe Japans Ministerpräsident Naoto Kan jedoch aufgefordert, diese Entscheidung zu überdenken. Die Menschen forderten eine unabhängige Analyse über den Grad der Verseuchung und eine objektive Meinung zu möglichen Gesundheitsrisiken, erklärte Greenpeace-Strahlenexperte Ike Teuling.

Japan richtet DNA-Datenbank ein

Zur Identifizierung der zahlreichen Opfer der Erdbeben- und Tsunamikatastrophe in Japan wollen die dortigen Behörden eine DNA-Datenbank einrichten. Die Polizeibehörden der besonders betroffenen Präfekturen Iwate, Miyagi und Fukushima im Nordosten des Landes würden demnächst Angehörige um DNA-Proben von Vermissten bitten, berichteten japanische Medien.

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Trümmerlandschaft in Natori. (Foto: AP)

So könnten innerhalb kurzer Zeit zehntausende Erbgutproben zusammengetragen werden, schrieb die Nachrichtenagentur Kyodo. DNA-Proben sollen auch auf Gegenständen sichergestellt werden, die den Vermissten gehörten, berichtete der Fernsehsender NHK.

Die Polizei habe zur Identifizierung von Opfern der Katastrophe vom 11. März bereits Erbgutanalysen genutzt, hieß es. Diese Methode solle nun aber systematischer zum Einsatz kommen. Die Identifizierung der Todesopfer werde schließlich immer schwieriger, weil die Leichen im Zustand fortgeschrittener Verwesung seien. Außerdem könnten systematische DNA-Analysen es den Angehörigen ersparen, sich auf der Suche nach ihren Liebsten zahlreiche Leichen ansehen zu müssen. Durch das Erdbeben der Stärke 9,0 und den anschließenden Tsunami waren in Japan nach neuen Angaben von Montag mindestens 14.728 Menschen ums Leben gekommen, 10.808 weitere wurden noch vermisst.

Quelle: AFP/rts/dpa