Panorama

Überschallflugzeug TU-144Jungfernflug vor 40 Jahren

31.12.2008, 11:50 Uhr

Spötter nannten ihn "Concordski" - den ersten Prototypen des sowjetischen Überschallflugzeugs TU-144. Am letzten Tag des Jahres 1968 hob der Superflieger zum 38-minütigen Jungfernflug ab.

Spötter nannten ihn "Concordski" - den ersten Prototypen des sowjetischen Überschallflugzeugs TU-144. Denn die Ähnlichkeit mit der britisch-französischen Concorde war verblüffend. Am letzten Tag des Jahres 1968 kannte die Begeisterung in Moskau keine Grenzen, als der Superflieger zum 38-minütigen Jungfernflug abhob. Schon fünf Monate später erreichte die TU-144 nach offiziellen Angaben als erstes Verkehrsflugzeug der Welt die doppelte Schallgeschwindigkeit: 2150 Stundenkilometer in 16.300 Metern Höhe.

Die sowjetische Führung hatte sich viel vorgenommen. Schon 1971 sollte der "fliegende Kugelschreiber" bei der staatlichen sowjetischen Fluggesellschaft Aeroflot in Dienst gestellt werden. Drei Jahre später gab es die kühne Prognose, in absehbarer Zeit werde es 75 Überschallflugzeuge geben, die maximal 140 Passagieren Platz bieten sollten. Am 25. Dezember 1975 schließlich sollte der Jet seinen Liniendienst auf der Strecke Moskau-Alma Ata aufnehmen. Doch die Wünsche blieben unerfüllt. Auch das Vorhaben, eine Reichweite von 6500 Kilometern zu erreichen und die TU-144 gar auf der Langstrecke Moskau-Havanna einsetzen zu können, blieb immer nur ein politischer Traum.

1978 aus dem Verkehr gezogen

Es kam noch schlimmer: Zum Abschluss eines Demonstrationsfluges beim traditionsreichen Aero Salon in Paris Le Bourget stürzte eine TU-144 am 3. Juni 1973 vor den Augen Hunderttausender entsetzter Zuschauer ab. Es gab 13 Tote, unter ihnen sieben Einwohner einer kleinen französischen Gemeinde. Ein offizieller Untersuchungsbericht wurde nie veröffentlicht. Der Absturz sei durch "strukturelle Überbeanspruchung" verursacht worden, hieß es lediglich. Fünf Jahre später, am 23. Mai 1978, verunglückte eine zweite TU-144 knapp 60 Kilometer von Moskau entfernt. Sie war von Ramskoje aus zu einem Werkstattflug gestartet. Dieses Unglück wurde zunächst geheim gehalten. Doch schon wenig später sickerten erste Informationen durch: eine kaputte Treibstoffleitung hatte Feuer gefangen. Bei der Notlandung starben zwei der sieben Besatzungsmitglieder. Im Juni 1978 wurde der Flugzeugtyp TU-144 aus dem Verkehr gezogen.

Weiter im Einsatz blieb im Westen das Konkurrenzmodell Concorde. Die Concorde galt bis zu ihrem schrecklichen Absturz am 25. Juli 2000 bei Paris das Maß aller Dinge in der Luftfahrt. Damals kamen 113 Menschen ums Leben, unter ihnen 97 deutsche Passagiere.

Die richtigen Triebwerke fehlten

Dennoch schrieb die TU-144 Luftfahrtgeschichte. Denn sie startete 61 Tage vor der Concorde zum Jungfernflug. Am 5. Juni 1969 - rund fünf Monate früher als die Concorde durchbrach die TU-144 erstmals die Schallmauer. Und am 11. Mai 1970 wiederum fünf Monate vor der Concorde - wurde erstmals die doppelte Schallgeschwindigkeit erreicht.

Aber auch wenn die ersten TU-144 zur Streckenerprobung auf den Routen Moskau-Tjumen-Wladiwostok und Moskau-Alma Ata und schließlich ab November 1977 im Liniendienst zeitweilig auf der Strecke Moskau-Alma Ata eingesetzt wurden - ein Erfolg war der "Concordski" nie beschieden.

Unter Fachleuten gilt der Spottname als unangebracht. Denn ein Concorde-Nachbau war die TU-144 nicht. Die beiden Flugzeugtypen unterschieden sich sowohl in Flügelform als auch Triebwerksanordnung deutlich. Die TU-144 blieb nicht nur noch unwirtschaftlicher als die Concorde. Sie litt auch immer wieder unter größeren Triebwerksproblemen. Im Liniendienst konnte sie kaum regelmäßig die versprochene Überschallgeschwindigkeit erreichen. Am Ende fehlten den Sowjets vor allem die richtigen Triebwerke. Neben dem viel zu hohen Treibstoffverbrauch bekamen die Tupolew-Konstrukteure besonders das Lärmproblem sowie kritische Vibrationen nie in den Griff. Hinzu kamen immer wieder sicherheitsrelevante technische Schwierigkeiten und Haarrisse.

Fast stillschweigend wurde das TU-144-Programm im Frühjahr 1983 endgültig beendet. Die noch vorhandenen von ursprünglich 17 gebauten Flugzeugen wurden auf die verschiedensten Museen der damaligen UdSSR aufgeteilt. Eine TU-144 steht inzwischen in Deutschland - im Museum in Sinsheim. Neben einer Concorde.

Quelle: Karl Morgenstern, dpa