Panorama

Streit um Schweinegrippe-VorsorgeKeine Extra-Beiträge für Impfung

28.07.2009, 11:13 Uhr

Ein Serum gegen die Schweinegrippe ist für den Herbst vorgesehen, doch wer soll die Impfung zahlen? Die gesetzlichen Kassen wollen nur "ihren Teil" übernehmen und drohen mit Beitragserhöhungen. Nach Ansicht des Gesundheitsministeriums ist dies jedoch unnötig.

Das Bundesgesundheitsministerium hat Warnungen der Krankenkassen vor Zusatzbeiträgen wegen der Kosten für die Massenimpfung gegen Schweinegrippe zurückgewiesen. "Der Spielraum der gesetzlichen Krankenversicherung ist aus unserer Sicht ausreichend groß", sagte Gesundheitsstaatssekretär Klaus Theo Schröder. Dies gelte selbst dann, wenn die ab Herbst vorgesehene Impfung weitere Bevölkerungsteile erfasse als die zunächst vorgesehenen 22,5 Millionen Menschen.

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(Foto: AP)

Forderungen des Kassen-Spitzenverbands, die Kassen sollten von einem Teil der Kosten entlastet werden, wies Schröder zurück. Seit der Gesundheitsreform 2007 zählten Impfungen zur Pflichtaufgabe der Kassen, sagte Schröder.

Die Ersatzkassen wiesen die Darstellung Schröders über ein ausreichendes Finanzpolster der Kassen in diesem Jahr zurück. "Die Einnahmen brechen von Wochen zu Woche ab", sagte die Sprecherin des Ersatzkassenverbandes VDEK, Manuela-Andrea Pohl, der Deutschen Presse-Agentur dpa. Dies liege an den Folgen der Wirtschaftskrise. Mit dem erwarteten Anstieg der Arbeitslosenzahlen werde die Lage noch ungünstiger. Der VDEK beharrte auf der Forderung nach Steuermitteln für die Kassen für die Impfung. "Die Kassen werden die Impfung auf jeden Fall finanzieren", sagte sie. "Die Frage ist, ob die Mehrausgaben nicht durch Steuermittel ausgeglichen werden." Die Pandemie habe bei der Aufstellung des Finanztableaus für den Gesundheitsfonds keiner eingeplant.

GKV: Länder sollen Verantwortung übernehmen

Die gesetzlichen Krankenkassen hatten zuvor die Bundesländer aufgefordert, einen Teil der Millionenkosten für die geplante Massenimpfung gegen Schweinegrippe zu zahlen. Sie warnten davor, dass andernfalls die Versicherten einen Großteil der Kosten mittels Zusatzbeiträgen aufbringen müssten.

"Wir erwarten (...), dass sich die Länder ihrer Verantwortung für die Gesundheit der Bevölkerung stellen, die auf Basis der Pandemiepläne eindeutig zuzuordnen ist", sagte die Vorsitzende des Vorstands des GKV-Spitzenverbandes, Doris Pfeiffer, in Berlin. "Die Krankenkassen werden ihren Teil im Kampf gegen die Schweinegrippe übernehmen und sich an den Kosten für eine Impfung beteiligen." Die Bundesländer hatten 50 Millionen Impfdosen zur Abwehr der Schweinegrippe bestellt.

Nicht im Gesundheitsfonds vorgesehen

Wären die Kassen zuständig, müssten die Versicherten nach Kassenansicht einen Großteil der rund 600 Millionen Euro für die Impfung womöglich über Zusatzbeiträge aufbringen. Die Kosten seien nicht im Gesundheitsfonds vorgesehen, erläuterte Pfeiffer. "Entziehen sich die Länder, die private Krankenversicherung und Beihilfeträger ihrer Verpflichtung, würde der Fonds entsprechend höher belastet und damit auch die Beitragszahler", sagte die Verbandschefin.

"Dadurch entsteht das Risiko für die Krankenkassen, Zusatzbeiträge erheben zu müssen", sagte eine Sprecherin des Ersatzkassenverbands VDEK der "Leipziger Volkszeitung". "Grundsätzlich ist der Umgang mit einer Pandemie Angelegenheit der öffentlichen Gesundheitsdienste."

Kosten für Kassen ohne Impfung höher

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Händewaschen verhindert die Ausbreitung der Viren. (Foto: AP)

Für Gesundheitsministerin Ulla Schmidt stehe der Schutz der Bevölkerung im Vordergrund, hielt eine Sprecherin den Forderungen entgegen. "Die Gesetzeslage ist eindeutig", sagte sie. "Empfohlene Schutzimpfungen sind Pflichtleistungen der Kassen." Die Kassen trügen die Kosten der Impfung. "Das sieht eine Verordnung vor, die noch im August beschlossen wird", sagte sie. Außerdem wären die Kosten für die Kassen ohne Impfung höher.

Der Verordnungsentwurf sieht die Möglichkeit einer Aufteilung der Kosten vor: "In jedem Land wird ein Fonds errichtet, an dem sich neben den gesetzlichen Krankenkassen auch die privaten Krankenversicherungsunternehmen und die Beihilfeträger beteiligen können."

Auch die Innungskrankenkassen (IKK) wehren sich gegen mögliche Belastungen durch die Impfung. "Bund und Länder legen allein den Fahrplan fest, leiten alles in die Wege - und zahlen sollen dann die Krankenkassen - das lehnen wir ab", sagte Rolf Stuppardt, Geschäftsführer des IKK e.V.

Eine direkte Kostenübernahme durch Bund und Länder sei "nicht vertretbar", sagte hingegen SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach der "Frankfurter Rundschau". "Grundsätzlich sind die gesetzlichen Versicherungen für Schutzmaßnahmen verantwortlich."

Impfung in Wellen

Der Impfstoff ist für Ende September, die Impfung dann für Herbst vorgesehen. Laut Verordnungsentwurf bestimmen und benachrichtigen die Kassen zunächst die Versicherten, die in der ersten Impfwelle zum Zuge kommen sollen. Das sollen unter anderem Patienten mit bestimmten chronischen Krankheiten sein.

Die erste Impfwelle für 22,5 Millionen Menschen kostet die gesetzlichen Kassen rund 0,6 Milliarden Euro. Werden alle Bundesbürger geimpft, kostet dies laut Bundesgesundheitsministerium um die 2 Milliarden Euro. Es handelt sich um die größte Impfaktion der Bevölkerung seit fast 50 Jahren. Die Impfungen sind freiwillig. Laut Gesundheitsstaatssekretär Schröder haben sich bislang 3810 Deutsche mit der Schweinegrippe infiziert - die meisten im Ausland: Nur 879 haben sich im Inland mit dem neuartigen Virus infiziert.

Quelle: dpa