Familienleben in Amstetten Kerstin F. gesund
11.06.2008, 11:52 UhrDie im April lebensgefährlich erkrankte 19-jährige Tochter des Inzesttäters Josef F. ist aus dem künstlichen Koma erwacht und lebt wieder bei ihrer Familie. Die junge Frau habe so große Fortschritte gemacht, dass sie am Sonntag von der Intensivstation zu ihrer im Landesklinikum Amstetten lebenden Mutter und ihren Geschwistern gebracht werden konnte, sagte der behandelnde Arzt Albert Reiter. Es sei für ihn ein ganz besonderer Moment gewesen, als er mit der jungen Frau im Arm die Schwelle zu der Wohnung überschreiten konnte: "Die Schwelle in ein neues Leben."
Die 19-jährige Kerstin war von dem österreichischen Inzest-Täter Josef F. ihr Leben lang gemeinsam mit der 42-jährigen Mutter Elisabeth und zwei Geschwistern in einem Kellerverlies gefangen gehalten worden. Mitte April war sie bleich und kaum ansprechbar ins Krankenhaus gebracht worden. Dadurch wurden die Behörden auf das Inzest-Drama aufmerksam.
Akute Lebensgefahr
Kerstin litt unter dem Versagen mehrerer lebenswichtiger Organe. Die Ärzte versetzten sie ins künstliche Koma. "Ihr Leben hing am seidenen Faden", sagte Reiter. Zur genauen Ursache ihrer Krankheit konnten die Ärzte nichts sagen. Unklar bleibt auch, ob Josef F. die junge Frau wie seine Tochter Elisabeth missbrauchte. Nach Untersuchungen der 19-Jährigen könne der Verdacht werde bestätigt noch dementiert werden.
Der Gesundheitszustand von Kerstin F. hatte sich nach Angaben der Ärzte im Mai deutlich verbessert, so dass sie langsam aus dem künstlichen Koma geholt werden konnte. Die Mutter habe in den vergangenen Wochen häufig bei ihr am Bett gesessen und sie motiviert, bei ihrer Heilung mitzuhelfen. Am 1. Juni sei dann die Kanüle zur künstlichen Beatmung entfernt worden. "Ich sagte "Hallo Kerstin", Kerstin sagt zu mir "Hallo"", erinnerte sich Reiter. Es sei für ihn ein sehr berührender Augenblick gewesen. Die junge Frau kann nach Angaben der Ärzte gut lesen, schreiben, sich mit anderen Menschen unterhalten und habe viele Wünsche geäußert. Unter anderem möchte Kerstin Fritzl eine Schiffsreise machen und ein Robbie-Williams- Konzert besuchen.
Vorsichtige Annäherung
Seit Sonntag lebt die 19-Jährige mit dem Rest ihrer Familie in einer Wohnung auf dem Klinikgelände. Sie braucht nach Angaben der Ärzte zwar weitere Behandlung, kann aber am Familienleben teilnehmen. "Es ist für alle ein Wunder, das Kerstin so schnell im Kreise ihrer Familie sein konnte", sagte der Rechtsanwalt der Familie, Christoph Herbst.
Josef F. hatte seine Tochter Elisabeth 24 Jahre lang in einem Kellerverlies in seinem Wohnhaus in Amstetten gefangen gehalten und sie immer wieder vergewaltigt. Kerstin ist eines von sieben Kindern, die er mit der 42-Jährigen zeugte. Drei Kinder durften mit seiner Familie in Freiheit leben, drei hielt er im Kellerverlies mit der Mutter gefangen, eines starb nach der Geburt.
Sehr verschiedenes Tempo
Die Familie sei in einem stabilen Zustand, beide Teile unterschieden sich jedoch durch ihr Lebenstempo, sagte der ärztliche Direktor der Amstettener Klinik, Berthold Kepplinger. "Für die einen ist das Vorbeiziehen einer Wolke schon ein großes Ereignis, die anderen übersehen das", erläuterte er. Die Familie unternehme bereits Spaziergänge unter großen Sicherheitsvorkehrungen, gerade für die Kinder aus dem Keller sei es wichtig, Natur zu erleben, hieß es. Rechtsanwalt und Ärzte appellierten an die Medien, die Familie für ihre Genesung in Ruhe zu lassen. Der neue gewonnene Lebensraum dürfe nicht sofort wieder eingeschränkt werden.
Quelle: ntv.de