Panorama

Palästinensertücher "made in China"Kleine Firma leistet Widerstand

19.08.2010, 15:50 Uhr
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Yaser Hirbawi in seiner Kufija-Fabrik "Hirbawi kufiyeh" in Hebron im Westjordanland. (Foto: dpa)

Die im Westen beliebten Palästinensertücher stammen meist aus China. Nur ein Hebroner Familienunternehmen produziert noch die Original-Kufijas. Und kämpft ums Überleben.

Das schwarz-weiße Palästinensertuch, die Kufija, ist weltweit das bekannteste Symbol des palästinensischen Volkes. Heute wird die traditionelle arabische Kopfbedeckung allerdings in China produziert. Die Herstellung ist dort nämlich erheblich preiswerter. Doch eine kleine palästinensische Firma in Hebron hört nicht auf, Widerstand gegen diesen Trend zu leisten: Die Familie Hirbawi stellt dort karierte Kopftücher her, die auf dem örtlichen Markt als besonders edler Zwirn gelten. Doch das Geschäft läuft zäh.

"Bis vor zehn Jahren waren wir die einzigen Lieferanten von Kufijas auf dem palästinensischen Markt", sagt Youda Hirbawi, der die Fabrik in Hebron von seinem Vater übernommen hat. Heute muss das Traditionsunternehmen, das schon fast 50 Jahre alt ist, jedoch hart ums Überleben kämpfen. "Unsere Produktion ist auf 20 Prozent des früheren Geschäftsvolumens geschrumpf", sagt Hirbawi. "Gegen die billigen chinesischen Kufijas kommen wir einfach nicht an."

Angesichts der schwierigen Finanzlage musste das Familienunternehmen inzwischen viele seiner Angestellten entlassen. "Wir können nur noch vier beschäftigen", sagt der 50-jährige Unternehmer traurig. "Zwei Näherinnen zur Herstellung der Kufija- Tücher und zwei Arbeiter, die die Maschinen betätigen."

Prominentester Träger: Arafat

Die Kufijas, die Schutz vor dem heißen nahöstlichen Klima bieten, werden in verschiedenen Farben in vielen arabischen Staaten getragen. In den 1970er Jahren wurde das schwarz-weiße Tuch jedoch zum Symbol für den Kampf der Palästinenser für einen eigenen Staat. Prominentester Träger ist bis heute der 2004 gestorbene Palästinenserführer und spätere Präsident Jassir Arafat. Er bemühte sich stets, das Tuch so kunstvoll zu drapieren, dass sein unterer Teil in Form des historischen Palästina über seiner rechten Schulter hing.

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Das Geschäft ist auf 20 Prozent des früheren Geschäftsvolumens geschrumpft. (Foto: dpa)

In der westlichen Welt wird das Tuch bis heute als modisches Accessoire getragen, häufig ohne politische Bedeutung. In der deutschen linken Studentenbewegung diente die Kufija allerdings nach 1968 als politisches Bekenntnis und Zeichen der Solidarität mit den Palästinensern. Bei anderen ist es bis heute als "Terrortuch" verpönt, weil es von den Kämpfern der palästinensischen Befreiungsorganisation PLO getragen wurde.

Schutz vor sengender Sonne

Die ältere Generation palästinensischer Männer trug das mit einer schwarzen Kordel zusammengebundene Tuch früher als ständige Kopfbedeckung. Vor allem Bauern schützten sich damit bei der Arbeit auf dem Feld vor der sengenden Sonne. Jüngere Palästinenser, die gegen die alten Traditionen rebellierten, warfen sich das Tuch jedoch lieber lässig über die Schulter - wie die PLO-Kämpfer.

Die Hirbawi-Familie stellt in ihrer Fabrik die traditionellen schwarz-weißen palästinensischen Kopftücher her, aber auch viele karierte Tücher in anderen Farben. Etwa in rot-weiß - wie die Kopfbedeckung des ehemaligen jordanischen Königs Hussein - oder auch ganz in weiß, wie die Kufija gerne in den Golfstaaten getragen wird.

Gegen die Überschwemmung ihres Marktes mit chinesischen Billigprodukten könnten sich die Palästinenser nicht wehren, weil Israel die Grenzen kontrolliere, klagt der Firmenchef in Hebron. Eine Kufija der Marke Hirbawi koste etwa 50 Schekel (10 Euro), mehr als doppelt so viel wie die Konkurrenzprodukte aus China. "Wir haben Kunden, die unser Produkt kennen und seine Qualität schätzen", erklärt Hirbawi. Sie seien auch bereit, dafür mehr Geld auszugeben. An eine Schließung der Fabrik sei nicht gedacht, obwohl der Profit nur sehr gering sei. "Wir wollen unsere Kunden schließlich nicht enttäuschen", sagt der palästinensische Geschäftsmann.

Quelle: Maher Abukhater und Sara Lemel, dpa