Panorama

Inzest-Drama von AmstettenNeue Identität für Kinder

29.04.2008, 16:31 Uhr

Nach seinem vollen Geständnis soll Josef F. dem Haftrichter vorgeführt werden. Die seit ihrer Geburt in einem dunklen Kellerverlies lebenden Kinder werden möglicherweise eine neue Identität erhalten.

Die seit ihrer Geburt in einem dunklen Kellerverlies lebenden Kinder des Inzest-Täters Josef F. werden möglicherweise von Amts wegen eine neue Identität erhalten. Damit solle ihnen eine geordnete Zukunft ohne ständige Verfolgung durch die Medien ermöglicht werden. "Wir haben natürlich mit den Kindern für die Zukunft große, große Sorgen, was wir hier alles zu bewegen haben. Das beginnt zunächst einmal bei einer Änderung der Identität, damit hier einmal ein anderer Name geholt wird das werden wir relativ schnell machen können, nehme ich an. Allerdings nur im Einvernehmen mit der Familie, denn die Familie bestimmt hier als Herr des Verfahrens sozusagen auch den Gang des Verfahrens." Dies betonte der Bezirkshauptmann der niederösterreichischen Kleinstadt Amstetten, Hans-Heinz Lenze bei n-tv.

Der 73-jährige Josef F. sitzt nach seinem vollen Geständnis inzwischen in einem Gefängnis der niederösterreichischen Landeshauptstadt St. Pölten. Er wurde dem Haftrichter vorgeführt, äußerte sich aber nicht. F. hatte zuvor zugegeben, seine heute 42 Jahre alte Tochter Elisabeth 24 Jahre lang in einem Kellerverlies gefangen gehalten und sie immer wieder sexuell missbraucht zu haben. Aus dieser gewalttätigen Beziehung stammten sieben Kinder, von denen eines kurz nach der Geburt starb. Ein DNA-Test hat die Vaterschaft von Josef F. inzwischen bestätigt.

Josef F. dachte offenbar an Ende der Geiselnahme

Josef F. hatte anscheinend schon einige Tage vor seiner Festnahme erste Vorbereitungen getroffen, um seine Tochter Elisabeth und die drei weiteren eingesperrten Kinder freizulassen. Er habe einen handschriftlich verfassten Brief vorgelegt, in dem Elisabeth ankündigte, sie wolle im Laufe der kommenden Monate womöglich zu ihrer Familie zurückkehren, sagte der Leiter des Landeskriminalamtes Niederösterreich, Franz Polzer. Die Ermittler gehen davon aus, dass der Mann seine Tochter gezwungen hat, diesen Brief zu verfassen.

Die Tat kam Medienberichten zufolge ans Licht, nachdem Josef F. der im Keller eingesperrten Mutter der sechs Kinder gestattete, die älteste, schwer erkrankte Tochter im Krankenhaus zu besuchen. Die 19-Jährige war zuvor von Josef F. in die Klinik gebracht worden. Da sich die Mediziner aber den Dämmerzustand der jungen Frau nicht erklären konnten, starteten sie einen Suchaufruf an die vermeintlich verschwundene Mutter. Elisabeth F. überredete ihren Vater schließlich, die Tochter sehen zu dürfen. Im Krankenhaus erzählte sie den Ärzten schließlich ihre unfassbare Leidensgeschichte - unter der Bedingung, ihren Vater nie wieder sehen zu müssen. Er wurde noch am gleichen Tag festgenommen.

Sorge um Zukunft der Kinder

Lenze betonte, dass die drei bislang verheimlichten Kinder nicht standesamtlich registriert und damit "noch nicht einmal österreichische Staatsbürger" seien. Dies sei allerdings nur eine Formalie. Wichtiger sei es jetzt, sich Gedanken über die schulische Ausbildung der drei Kinder zu machen, die ihr ganzes Leben lang in dem Kellerverlies eingesperrt waren. "Wir müssen uns große Sorgen machen über die schulische Ausbildung (). Die anderen drei Kinder, die schon oben waren seit Jahren, sind schulisch sehr brav. Sie sind auch sehr, sehr gut erzogen, weisen einen guten Bildungsstandard auf, sind gut in die Gesellschaft integriert in Vereinen, in Sportvereinen, bei der Feuerwehr. Also das läuft relativ gut", sagte Lenze.

Zu den Kindern, die bei ihrer Mutter im Verlies wohnten, sagte Lenze bei n-tv: "Sie hatten eine Mutter, die sich, das muss ich wirklich sagen, in all den Jahren dieser Gefangenschaft fürsorglichst bemüht hat, den Kindern alles beizubringen was nur geht. Die Kinder sprechen natürlich. () Der Kleine ist sehr, sehr lustig. Der hat sich riesig gefreut, dass er mit unserer Sozialarbeiterin am Sonntagmorgen in die Klinik fahren durfte und hat wörtlich gesagt: Das ist eine Gaudi, wenn man einmal mit einem richtigen Auto fahren kann."

Erste Annäherung der Kinder

Elisabeth und fünf ihrer Kinder sind seit Samstagabend in der Obhut von Psychologen. Ihnen geht es nach Angaben des Bezirksvorstehers von Amstetten gut. "Es sind alle zusammen", sagte Lenze. Die Annäherung zwischen den Kindern aus dem Kellerverlies und jenen, die im Hause ihrer Großeltern aufwuchsen, sei natürlich eine "sensible Sache", sagte Lenze, doch habe es zwischen ihnen schon Gespräche gegeben. Die Kinder seien in der Landesnervenklinik von Mauer in Niederösterreich untergebracht. Die älteste Tochter von Elisabeth F., die 19-jährige Kerstin, liegt mit einer schweren Erkrankung noch im Krankenhaus von Amstetten.

Nach Auskunft der Polizei gibt es bislang keine Hinweise darauf, dass die Ehefrau von Josef F. an der Straftat beteiligt gewesen sein könnte. Auf die Frage, ob der Inzest-Vater möglicherweise wochenlang in Thailand Urlaub gemacht hat, sagte Polzer, dass dies nicht Gegenstand der Ermittlungen sei. Es wäre aber möglich gewesen, dass Elisabeth F. und ihre drei Kinder auch eine längere Abwesenheit ihres Peinigers überlebten. In dem Keller-Verlies sei genug Raum gewesen, um beispielsweise Lebensmittel zu lagern.

War Josef F. vorbestraft?

Unterdessen gibt es Spekulationen, wonach Josef F. wegen eines Sexualdeliktes vorbestraft gewesen ist. Wie die Wiener "Presse" berichtet, soll er in den 70er Jahren versucht haben, eine Frau in Linz zu vergewaltigen. Die Vorstrafe wegen dieses Sexualdeliktes sei inzwischen aus den behördlichen Unterlagen getilgt. Die "Times" zitiert die Sprecherin einer Firma, bei der Josef F. in den 70er Jahren als Elektroingenieur angestellt gewesen sein soll: "Er hat seine Arbeit ausgezeichnet gemacht, aber irgendwas hatte er an sich, das einem Unbehagen verursachte", sagte die nicht namentlich genannte Frau. Alle hätten gewusst, dass er wegen einer Sexualstraftat im Gefängnis gewesen war. Ob F. vorbestraft sei, wie es in verschiedenen österreichischen Medienberichten hieß, sei unklar, sagte dazu Hans-Heinz Lenze. Bei der Jugendbehörde galt F. nach Aktenlage als unbescholten.

F. muss nach österreichischen Presseberichten mit Anklagen wegen fortgesetzter Freiheitsberaubung und Vergewaltigung rechnen. Die Maximalstrafe dafür liegt bei insgesamt 25 Jahren. Nach Angaben der Nachrichtenagentur APA wurde der Mann, dessen Gesundheitszustand als "gut" beschrieben wird, in einer Doppelzelle untergebracht. "Er hat die Nacht gut verbracht. Er ist bereits von einem Psychologen und einem Psychiater untersucht worden. Beide haben festgestellt, dass derzeit keine suizidalen Tendenzen intendiert sind", teilte der Gefängnisleiter Günther Mörwald mit.

F. wird in dem Gefängnis von anderen Straftätern abgeschirmt, da sich Sexualstraftäter in Gefängnissen meist "am untersten Ende der Hierarchie befinden" und mit Übergriffen von anderen Insassen rechnen müssen. "Im Vordergrund steht für uns der Schutz des Mannes, um das gegen ihn eingeleitete Strafverfahren zu sichern", betonte Gefängnisleiter Mörwald.

Verfahren wird Monate dauern

Die Staatsanwaltschaft rechnet damit, dass die gerichtliche Aufarbeitung des Inzest-Dramas mehrere Monate dauern wird. Es seien voraussichtlich mehrere Gutachten nötig, sagte Staatsanwalt Gerhard Sedlacek. Außerdem sei noch unklar, wann und ob die Opfer aussagen.