Panorama

"Hygge" heiraten in Dänemark "Niemand braucht die Bürokratie deutscher Standesämter"

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Brautpaar Sandra Ellegiers und Tom Kaiser am 16. November 2023 im alten Rathaus von Kopenhagen. Links die Standesbeamtin, die sich als "Anne" vorgestellt hat. Im Hintergrund ein Mitarbeiter des Standesamts als Trauzeuge und Ringhalter.

Brautpaar Sandra Ellegiers und Tom Kaiser am 16. November 2023 im alten Rathaus von Kopenhagen. Links die Standesbeamtin, die sich als "Anne" vorgestellt hat. Im Hintergrund ein Mitarbeiter des Standesamts als Trauzeuge und Ringhalter.

(Foto: privat)

Dänemark lockt jedes Jahr viele Hochzeitspaare aus Deutschland: mit wenig Bürokratie und viel Atmosphäre. Ob sich die Reise für das Jawort lohnt, erzählen Sandra Ellegiers und Tom Kaiser. Ende 2023 haben sie sich im Rathaus von Kopenhagen trauen lassen.

ntv.de: Glückwunsch - Ihr seid frisch verheiratet und das in einer Rekordzeit!

Sandra Ellegiers: Das kann man sagen. Ende August haben wir beschlossen, ohne großen Aufwand zu heiraten, Mitte November war es so weit. Das gibt es nur in Dänemark!

Tom Kaiser: In Bonn, wo ich lebe, und in Berlin, Sandras Wohnort, hätten wir mindestens bis nächsten April warten müssen.

Nun seid ihr schon ein bisschen älter - über 50, wenn wir das ausplaudern dürfen. Warum kam es auf ein paar Monate an?

Sandra: Weil wir einfach Lust dazu hatten und das unser Lebensgefühl ist. Wir haben uns 2022 kennengelernt und fühlen uns füreinander geschaffen. Also wollten wir das nächste Jahr als Ehepaar starten. In Deutschland muss man monatelang auf einen Termin warten und mehr als einen Behördengang machen. Das hat nicht viel mit Liebe und Romantik zu tun.

Tom: Was uns hier neben den langen Wartezeiten genervt hat, war der Papierkram und das bürokratische Drumherum, wenn man überhaupt eine Antwort bekommt. Meine Frau hatte beim Bezirksamt eine Meldebescheinigung beantragt, aber nichts gehört, auch nach mehreren Mails und Anrufen nicht. Am Ende ging sie persönlich hin. Ob unsere Mails angekommen sind, wissen wir bis heute nicht.

Was hat euch nach Dänemark geführt?

Tom: Wir haben uns in einem nächtlichen Telefonat an Bekannte erinnert, die schon vor Jahren dort geheiratet haben. Sie waren happy. Ich habe dann im Netz recherchiert und schnell herausgefunden, wie es geht: Man muss Kopien der Ausweise vorlegen und einen Antrag stellen, damit die dänische Behörde ein Ehefähigkeitszeugnis ausstellt. Nach fünf Tagen bekamen wir schon eine positive Antwort, also grünes Licht. Da war klar: So kommen wir weiter!

Sandra: Eine Behörde mit großen roten Herzen in ihren Mails. Das ist erstmal total ungewohnt. Und total kitschig - aber auch im wahrsten Sinne herzlich.

Aber ohne Papierkram geht es auch in Dänemark nicht.

Tom: Stimmt - aber in Maßen. Wir brauchten nur die sogenannte "Erweiterte Meldebescheinigung", um unseren Familienstand zu belegen. Kostet 9 Euro in Bonn und 10 in Berlin. Ein Aufgebot war nicht notwendig, auch kein deutsches Ehefähigkeitszeugnis und schon gar keine aktuelle Geburtsurkunde vom Geburtsregister des Geburtsortes, wie sie in Deutschland verlangt wird.

Sandra: Die meiste Arbeit hatten wir mit dem schon erwähnten dänischen Eheantrag. Circa eine Stunde, um genau zu sein. Sogar in deutscher Sprache, online und selbst erklärend. Der erste Antrag, der mir Spaß gemacht hat.

Doch ihr musstet auch belegen, dass eure Beziehung nicht gespielt ist, sondern echt. Wenn das nicht bürokratisch ist!

Tom: Das kam wirklich ein bisschen überraschend, aber angesichts zahlreicher Scheinehen ist das wohl erforderlich.

Wie habt ihr denn eure Liebe bewiesen?

Tom: Mit Bildern aus Urlauben und von zu Hause mit unseren Familien. Aber auch mit meinem Parkausweis in Berlin. Dazu unsere Kennenlerngeschichte als Prosa.

Ist das nicht zum Rotwerden?

Sandra: Anonym und ohne eine eigene Story kann man in Dänemark nicht antreten.

Es könnte trotzdem gefälscht sein …

Sandra: … klar könnte man alles fingieren. Wir kennen sogar einen Fall. Da ging es um ein Aufenthaltsrecht in der EU. Doch das ist nicht unser Problem. Wir sind Bürger der EU, eine Scheinehe würde uns keine Vorteile bringen.

Habt ihr auch an die Eheschließung in anderen EU-Staaten gedacht?

Tom: Kaum. Dänemark hat mit Deutschland eine historische Vereinbarung. Es ist keine sogenannte Apostille für dänische Urkunden erforderlich. Das soll irgendwann, angeblich während der Nazizeit, vereinbart worden sein. Und es gilt bis heute.

Würdet ihr euch als deutsche Bürokratieflüchtlinge bezeichnen?

Tom und Sandra: Ja!

Sandra: Und auf unserer "Flucht" haben wir etwas Wunderschönes erlebt: Eine sehr freundliche und warme Zeremonie im alten Rathaus von Kopenhagen - obwohl es draußen ungemütlich kalt war und geregnet hat.

Die Dänen nennen das "hygge".

Sandra: Genau! Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich hatte das sachliche dänische Design im Kopf und eine gewisse gepflegte Nüchternheit erwartet. Unser ganzer Plan war am Anfang eher pragmatisch. Was wir bekamen, waren nicht nur herzliche E-Mails, sondern auch herzliche Menschen. Beamtinnen und Beamte mit dem richtigen Gespür für die Situation.

Tom: Sogar als Trauzeugen!

Das Standesamt in Kopenhagen stellt Trauzeugen - ihr hattet keine eigenen dabei?

Sandra: Wir wollten es ja möglichst einfach gestalten und ohne viel Aufhebens. Im Vorfeld wurden uns Trauzeugen angeboten, das kam uns entgegen. Im Nachhinein möchte ich sagen: Niemand braucht die Bürokratie deutscher Standesämter, wenn man in Dänemark alles aus einer Hand bekommt - sogar den Fotografen!

Tom: Anne, die uns getraut hat, arbeitet morgens im Tourist Office, das auch als Wedding Office dient. Nachmittags ist sie Standesbeamtin. Unsere beiden Trauzeugen arbeiten ebenfalls dort. Die Trauzeugin fragte, ob sie mit unserem Handy fotografieren und filmen darf. Sie war praktisch die ganze Zeit beschäftigt - ohne Aufpreis und erkennbar nicht zum ersten Mal.

Und - wie war Anne?

Sandra: Sie strahlte Ruhe und Freude aus. Sie sprach uns mit Vornamen an, geleitete uns zum Ort der Trauung vor einem Lebensbaum, ein altes Wandgemälde im Hochzeitssaal. Dort standen wir auf einem alten, prächtigen Teppich. Es fühlte sich festlich an und es war eine rundherum gelungene Atmosphäre.

Tom: Ich möchte sogar noch weitergehen: Es fühlte sich an, als seien wir das schönste und einzige Paar des Tages!

Das war mit Sicherheit nicht der Fall. Googelt man "Dänemark"und "Heiraten", bekommt man rasch den Eindruck, dass es eine Hochzeitsindustrie gibt. Mit vielen Agenturen, dichten Terminkalendern und teuren Arrangements.

Sandra: Ersteres stimmt. Im Nachhinein würde ich aber sagen, dass eine Agentur überhaupt nicht erforderlich ist, wenn man es schnell und privat mag wie wir.

Tom: Zweiteres ist falsch, wie unser Beispiel zeigt: Wir haben innerhalb von wenigen Wochen einen Termin bekommen und durften sogar direkt auf den Online-Terminkalender des Standesamtes zugreifen.

Und wie teuer war das alles?

Sandra: Die Anmeldegebühr beträgt etwas mehr als 200 Euro. Der schnelle Termin auch - für einen Termin ab Januar wäre sie aber nicht angefallen. Wir haben also insgesamt etwas mehr als 400 Euro ausgegeben.

Tom: Fairerweise muss man sagen, egal was man im Standesamt lässt: Das wirklich Teure in Kopenhagen kommt danach. Ein Glas Crémant kostet 18 Euro. Restaurants und Hotels sind relativ teuer.

Hat sich der Teil auch gelohnt?

Sandra: Das Essen war überall ausgezeichnet. Und der elegante, aber zugleich gemütliche Hygge-Stil ist das Geld wert.

Tom: Ich denke, für die Dänen hat es sich auch gelohnt: Wir waren beide zum ersten Mal in ihrem schönen Land - aber bestimmt nicht zum letzten Mal.

Mit dem jungen Glück sprach Peter Littger

Quelle: ntv.de

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