Panorama

Nach Bahn-Unglück Polizei ermittelt gegen Lokführer

Baurbeiter reparieren mit einem Spezialbagger die Unfallstelle.

Baurbeiter reparieren mit einem Spezialbagger die Unfallstelle.

(Foto: dapd)

Gegen den Lokführer des Güterzugs, der in Hordorf mit einem Regionalzug zusammengestoßen ist, wird wegen fahrlässiger Tötung ermittelt. Der Fahrgastverband Pro Bahn fordert, die Strecken in Ostdeutschland mit Sicherheitssystemen nachzurüsten, die im Westen längst Standard seien.

Nach dem schweren Zugunglück in Sachsen-Anhalt konzentrieren sich die Ermittlungen auf den Lokführer des Güterzugs. Gegen ihn wird wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Körperverletzung und Gefährdung des Bahnverkehrs ermittelt, teilten Staatsanwaltschaft und Polizei in Magdeburg mit.

Mit einem Güterzug bergen Einsatzkräfte den verunglückten Triebwagen.

Mit einem Güterzug bergen Einsatzkräfte den verunglückten Triebwagen.

(Foto: dapd)

Der Mann habe vor dem Zusammenstoß möglicherweise ein Haltesignal überfahren. Aufgrund einer Zeugenaussage bestehe ein Anfangsverdacht gegen den Mann. Die Bundespolizei wandte sich gegen Spekulationen, wonach sich der Fahrer des mit Kalk beladenen Güterzugs beim Aufprall nicht im Führerstand aufgehalten hatte, sondern in der zweiten Diesellok. Ein Sprecher der Salzgitter AG, für deren Tochtergesellschaft VPS der Güterzug mit 32 Waggons unterwegs war, wies darauf hin, dass es Zugführern strikt verboten sei, sich in der hinteren Lok aufzuhalten. Der 40-Jährige habe sich auf der Unglücksstrecke gut ausgekannt. Er hatte bei dem Zusammenstoß im dichten Nebel Prellungen erlitten.

Bei dem Unglück am Samstagabend wurden zehn Menschen getötet. Während der Lokführer des Personenzugs ums Leben kam, überlebte sein Kollege im Güterzug. Nach Informationen des MDR war er zum Zeitpunkt des Unfalls möglicherweise nicht im Führerstand.

Noch zehn Verletzte im Krankenhaus

Auf eingleisiger Strecke waren am späten Samstagabend in Hordorf in der Magdeburger Börde der Regionalzug Harz-Elbe-Express, der von Magdeburg nach Halberstadt fuhr, sowie ein Güterzug kollidiert. 23 Menschen wurden verletzt, einige von ihnen schwer. Zwei Verletzte schweben noch in Lebensgefahr, darunter ein zehn Jahre altes Mädchen. 13 Verletzte haben die Kliniken bereits wieder verlassen. Es gebe aber noch "mindestens zehn Personen, die sich in den Krankenhäusern befinden und behandelt werden müssen", sagte Polizeisprecher Thomas Kriebitzsch. Fünf Verletzte sollen Ausländer im Alter zwischen 21 und 35 Jahren sein. Unter ihnen waren laut Magdeburger Innenministerium auch zwei Georgier, eine  Portugiesin und eine Brasilianerin.

Abdrücke von ums Leben gekommenen Fahrgästen im Schnee neben den Gleisen.

Abdrücke von ums Leben gekommenen Fahrgästen im Schnee neben den Gleisen.

(Foto: dapd)

Bei den drei bisher identifizierten Toten handelt es sich um zwei Männer im Alter von 63 und 74 Jahren aus dem Harzvorland und den Lokführer des Regionalexpress. Die Identifizierung der anderen sieben Toten ist schwierig, weil die Opfer wegen der Wucht des Aufpralls entstellt wurden. Bei der Identifizierung helfen Experten des Bundeskriminalamts (BKA). Zum Gedenken an die Opfer wurden am Unglücksort ein Holzkreuz und Kerzen aufgestellt. In den nächsten Tagen soll es vermutlich in Oschersleben einen zentralen ökumenischen Gottesdienst geben.

Derweil hat  das Bahnunternehmen Veolia Verkehr den Angehörigen seine Unterstützung zugesagt. Der verunglückte Regionalzug war ein Tochterbetrieb in Sachsen-Anhalt. Nach einem Besuch der Unglücksstelle sicherte die Geschäftsleitung zu, "den Angehörigen der Todesopfer unbürokratisch und kurzfristig Unterstützung zukommen zu lassen, um ihnen über die erste sehr schwere Zeit hinweg zu helfen". Einen Betrag nannte das Unternehmen auf Nachfrage nicht.

Einsatzkräfte transportierten in der Nacht zum Montag fast alle Wrackteile des völlig zerstörten Nahverkehrszugs ab. "Diese Teile des Unglückszuges sowie die (beiden) Loks des Güterzuges werden in einer großen Halle noch mal gelagert und dann auch noch mal von der Kriminaltechnik untersucht", erklärte Kriebitzsch. Mit schwerem Gerät zerschnitten die Einsatzkräfte das Zugwrack. Die gesperrte Bahnstrecke ist nach Bahn-Angaben ab Dienstagmorgen wieder befahrbar.

Pro Bahn fordert Nachrüstung der Ost-Strecken

Der Fahrgastverband Pro Bahn forderte Konsequenzen aus dem Unglück. "Es muss geklärt werden, ob und wo es gegebenenfalls grundlegende Sicherheitsmängel gibt, insbesondere auf Strecken mit schwerem Güterverkehr und Personenzügen", sagte Karl-Peter Naumann, der Vorsitzende des Verbandes, den "Ruhr Nachrichten".

Sicherheitssysteme, die beim Überfahren eines roten Signals eine sofortige Notbremsung auslösen, seien "längst nicht auf allen Strecken in Ostdeutschland" eingebaut. Dort müsse jetzt schnell nachgerüstet werden. In Westdeutschland seien entsprechende Systeme dagegen Standard. Naumann forderte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) auf, das Funktionieren dieser Systeme regelmäßig durch das Eisenbahnbundesamt überprüfen zu lassen. "Sicherheit muss Vorrang haben. Es gibt sie nicht zum Nulltarif", so Naumann. Kritisch äußerte sich auch Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Hövelmann (SPD). "Wir sind teilweise noch (...) in der bahntechnischen Steinzeit", bemerkte Hövelmann gegenüber dem Sender MDR Info.

GDL bemängelt Renditedruck der Unternehmen

GDL-Chef Claus Weselsky kritisiert sowohl die fehlenden Sicherheitssysteme als auch die Personalpolitik der Bahn.

GDL-Chef Claus Weselsky kritisiert sowohl die fehlenden Sicherheitssysteme als auch die Personalpolitik der Bahn.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL) sieht neben dem Fehlen des Systems der "Punktförmigen Zugebeeinflussung" auch die Arbeitsbelastung als grundlegendes Problem. Der Renditedruck in den Eisenbahnunternehmen, kombiniert mit Personalknappheit, führe oftmals zu längeren Dienstschichten und häufigeren Dienstantritten. Alleine bei der Deutschen Bahn schöben die Lokomotivführer mehr als 1,5 Millionen Überstunden und fast 70 000 noch nicht genommene Urlaubstage vor sich her. "Nur ein ausgeruhter Lokomotivführer ist aber in der Lage, seine verantwortungsvolle Tätigkeit in hoher Qualität auszuüben", meinte GDL-Chef Claus Weselsky.

Die Deutsche Bahn wies die Vorwürfe der Lokführer-Gewerkschaft zurück. Es gebe keine Verbindung zwischen dem Unfall von Hordorf und der Personalpolitik des Unternehmens, hieß es. Zu behaupten, der Unfall hätte vermieden werden können, sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt "eine abwegige Spekulation". Das Streckennetz entspreche den gesetzlichen Vorschriften, betonte die Bahn.

Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP

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