Frei sein, um zu sterben Räuber Biggs begnadigt
07.08.2009, 11:31 UhrEr erbeutete rund 47 Millionen Euro und war über 30 Jahre auf der Flucht. Als er 2001 todkrank in seine Heimat zurückkehrt, geht der legendäre Postzugräuber Ronald Biggs sofort ins Gefängnis. Jetzt ist er begnadigt worden. Doch lange wird seine Freiheit wohl nicht währen.
Der englische Posträuber Ronald Biggs wird zu 30 Jahren Haft verurteilt (Archivbild vom 15.04.1964).
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Ein Pint Bier in einem englischen Pub - das war Ronnie Biggs' Wunsch, als er nach 35 Jahren auf der Flucht von Brasilien nach Großbritannien zurückkehrte. Jetzt, kurz vor seinem 80. Geburtstag und genau 46 Jahre nach dem Überfall auf den königlichen Postzug von Glasgow nach London, hat die britische Regierung den legendären Postzugräuber zwar nach einem ewigen Gezerre begnadigt. Doch genießen kann Biggs diese Freiheit nicht mehr. Er liegt sterbenskrank im Krankenhaus, sein Sohn ist sich nicht mal sicher, ob er seinen Geburtstag am 8. August erleben wird. "In Wahrheit wird er entlassen, um zu sterben", sagte Biggs' Anwalt Giovanni Di Stefano.
Justizminister Jack Straw hatte eine Kehrtwende hingelegt - für viele jedoch zu spät. Nachdem er Anfang Juli noch entschieden hatte, Biggs nicht vorzeitig von seiner Strafe freizusprechen, hieß es nun: Großbritanniens einst meist gesuchter Räuber kommt wegen seines schlechten Gesundheitszustandes frei. Biggs saß damit nur ein Drittel seiner 30 Jahre langen Gefängnisstrafe ab.
Nichts erinnert mehr an früher
Der Postzug wird am 8. August 1963 auf der Eisenbahnstrecke Glasgow - London von 17 maskierten Männern überfallen, die mit 2,6 Millionen Pfund verschwinden.
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Von einem Sieg könne jedoch keine Rede sein, kritisierte der Anwalt Di Stefano. "Dieser Mann ist krank, er wird sterben. Er wird in keinen Pub gehen und nicht nach Rio, er wird im Krankenhaus bleiben." Auch die Ärzte hatten Biggs nicht mehr viel Zeit gegeben. Viele hatten Straws ursprüngliche Entscheidung nicht verstanden, denn Biggs konnte nicht mehr alleine essen oder trinken, geschweige denn laufen. Eine Gefahr für die Öffentlichkeit war er beileibe nicht mehr.
Auch wenn heute nichts mehr an eine Räuberlegende erinnert: Um Biggs war es einst ganz anders bestellt - und alles begann an seinem Geburtstag, am 8. August 1963. An jenem Tag überfiel er zusammen mit 14 anderen Ganoven den königlichen Postzug. Die Bande zog dem Schaffner eine Eisenstange über den Kopf und entkam mit einer Beute von 2,6 Millionen Pfund - nach heutigen Maßstäben wären das umgerechnet 47 Millionen Euro. Die Räuber wurden schnell gefasst und wanderten ins Gefängnis. Biggs bekam eine Haftstrafe von 30 Jahren.
Legendäre Flucht nach Brasilien
2001 kehrt Ronald Biggs nach England zurück (Archivfoto vom 06.05.2001).
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Die Wände des Gefängnisses in London-Wandsworth konnten ihn jedoch nicht lange halten. Biggs gelang es nach 15 Monaten, sich buchstäblich abzuseilen. Mit einer selbst gebastelten Strickleiter floh er aus dem Gefängnis, hüpfte durch ein Loch in einen Lastwagen und setzte zu einer Flucht über die Kontinente an, durch die er über die Jahrzehnte Kultstatus erreichen sollte.
Er ließ sich nicht nur sein Gesicht operieren. Auch entwischte er seinen Verfolgern immer wieder in letzter Sekunde. 1974 in Rio war es fast soweit, dass ihn die britische Polizei festnehmen konnte. Doch Biggs hatte eine Brasilianerin geschwängert - und durfte als künftiger Vater nicht ausgeliefert werden. Doch wirklich genießen konnte Biggs seine Freiheit nicht. "Selbst in Brasilien war ich Gefangener meines eigenen Tuns", sagte er einmal.
Letztendlich gab sich Biggs freiwillig geschlagen: Als schwer kranker Mann kehrte er 2001 in seine Heimat zurück. Aus seinem Wunsch, ein Pint Bier zu trinken, wurde nichts: Als er britischen Boden betrat, musste er sofort in den Knast.
Als Todkranker ins Gefängnis
In seinen letzten Lebensjahren litt er nicht nur unter den Folgen mehrerer Schlaganfälle, sondern auch an Hautkrebs. "Ich bin ein alter Mann, und ich frage mich, ob ich wirklich dieses Ausmaß an Strafe verdient habe", sagte er. "Ich will nur die Freiheit, um im Kreis meiner Familie und nicht im Gefängnis zu sterben." Sein Sohn Michael setzte sich unermüdlich für die Freilassung ein. Sein Vater sei ein Todkranker und keine Gefahr für die Öffentlichkeit.
Doch Justizminister Straw zeigte zunächst keine Gnade mit dem greisen Gauner. Er verwehrte ihm am 1. Juli die vorzeitige Entlassung, weil Biggs keine Reue für seine Tat gezeigt hatte. Davon hielt Biggs bisher in der Tat noch nicht viel: "Ich finde die Idee gut, dass ich daran beteiligt war", sagte er einmal, "es hat mir einen kleinen Platz in der Geschichte gegeben."
Quelle: ntv.de, Annette Reuther, dpa