Panorama

"News of the World" Skandalblatt sagt "Goodbye"

Nach 168 Jahren: Das war's.

Nach 168 Jahren: Das war's.

(Foto: picture alliance / dpa)

Nach einem der größten Medienskandale in der Geschichte des Vereinigten Königreichs erscheint die britische Boulevardzeitung "News of the World" heute zum letzten Mal. Das Blatt entschuldigt für ein "erschreckendes Fehlverhalten". Mindestens neun Journalisten drohen offenbar Gefängnisstrafen. 200 verlieren ihren Job.

"Thank you & Goodbye" - mit diesen Worten verabschiedet sich das britische Boulevardblatt "News of the World" nach 168 Jahren von seinen Lesern. Im Leitartikel auf der dritten Seite entschuldigt sich das Blatt für den Abhörskandal, der Politik und Medien derzeit erschüttert: "Wir haben uns einfach verlaufen", heißt es. "Es gibt keinerlei Rechtfertigung für dieses erschreckende Fehlverhalten."

Mit der Einstellung der Zeitung bemüht sich das Medienimperium News Corp von Rupert Murdoch nach dem weltweit aufsehenerregenden Abhörskandal um Schadensbegrenzung. Auf dem Spiel steht die bisher als sicher geltende Übernahme des britischen Satellitensenders BSkyB.

Auf dem Titelblatt der letzten Ausgabe stellte die bestverkaufte Wochenzeitung Großbritanniens die wichtigsten Geschichten der letzten Jahrzehnte zusammen. "All das, was menschliches Leben ausmacht, hat sich im Blatt wiedergefunden", heißt es in einer Sonderbeilage der historischen 8674. Ausgabe.

Camerons Image leidet noch

Andy Coulson, einst Königshaus-Reporter, wurde inzwischen festgenommen.

Andy Coulson, einst Königshaus-Reporter, wurde inzwischen festgenommen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Den Journalisten der "News of the World" wird vorgeworfen, Tausende Telefone abgehört zu haben, unter anderem von Verwandten getöteter britischer Soldaten, von vermissten Kindern und den Todesopfern der Bombenanschläge 2005 in London. Zudem sollen Redakteure Polizisten bestochen haben. Der Skandal hat weite Kreise gezogen, bis hinein in die oberste Regierungsetage. Auch Premierminister David Cameron steht deswegen unter Druck. Experten halten es jedoch für unwahrscheinlich, dass sein Image für längere Zeit unter dem Skandal leiden wird. Parlamentswahlen stehen erst in vier Jahren an. Camerons früherer Kommunikationschef Andy Coulson war von 2003 bis 2007 Chefredakteur bei dem Boulevard-Blatt. Er nahm seinen Hut, als einer seiner Reporter im Zusammenhang mit einem Abhörskandal bei der britischen Königsfamilie verurteilt wurde. Nun holten ihn die Vorwürfe ein, am Freitag nahm die Polizei Coulson fest.

Was passiert mit BSkyB?

Wie andere Politiker vor ihm, distanzierte sich Cameron inzwischen von der geplanten Komplett-Übernahme der profitablen Sendergruppe BSkyB durch News Corp. Die Regierung kündigte an, die Schließung der "News of the World" bei ihrer kartellrechtlichen Prüfung einzubeziehen. Die Gegner Camerons wittern die Chance, die 14 Milliarden Dollar schwere Übernahme zu blockieren. Oppositionsführer Ed Miliband sagte, der Kauf dürfe nicht vollzogen werden, bis die Ermittlungen abgeschlossen seien. Notfalls werde er eine Abstimmung im Parlament erzwingen. Bisher sind bei der Regierung mehr als 135.000 öffentliche Beschwerden gegen das Geschäft eingegangen.

Gefängnisstrafen für Journalisten

Medienmogul Murdoch mit der letzten Ausgabe von "News of the World". Die Schadensbegrenzung hat klare Ziele.

Medienmogul Murdoch mit der letzten Ausgabe von "News of the World". Die Schadensbegrenzung hat klare Ziele.

(Foto: Reuters)

Der 80-jährige Medienmogul Rupert Murdoch schaltet sich nun persönlich ein. Unmittelbar nach seiner Ankunft in London stellte er sich - die letzte Ausgabe der "News of the World" lesend -  vor die Fotografen. Einem Regierungssprecher zufolge ist kein Treffen mit Cameron geplant. Managementänderungen strebt Murdoch nach eigenen Worten bisher nicht an.

Die "Sunday Telegraph" berichtet, das Abhören von Mailboxen sei Standard bei der "News of the World" gewesen. Laut "Sunday Times" geht die Polizei davon aus, dass mindestens neun Journalisten und drei Polizisten Gefängnisstrafen im Zusammenhang mit dem weitflächigen Skandal erhalten. Der "Guardian" berichtet, beim Verlag News International, zu dem auch "Sun", "Times" und "Sunday Times" gehören, seien Millionen E-Mails gelöscht worden, um die Ermittlungen zu erschweren.

Erdbeben in der Medienlandschaft

In der britischen Zeitungslandschaft sorgt die Schließung der "News of the World" für ein mittleres Erdbeben. Etwa 200 Journalisten verlieren ihren Job. Die Reporter, Redakteure und Produktionsangestellte der Zeitung, deren Werbeeinnahmen wohltätigen Zwecken zugutekam, versammelten sich in der Nacht nach Redaktionsschluss vor dem Gebäude und verabschiedeten sich bei ihren rund 7,4 Millionen Lesern. Einige vergossen Tränen. Colin Myler, scheidender Chefredakteur, sagte: "Ich möchte diesem wunderbaren Team hier Tribut zollen, dass nach einem wirklich schwierigen Tag in brillant professioneller Art und Weise eine großartige Zeitung herausgebracht hat." Zum Schluss betonte er: "Und nun, in den besten Traditionen der Fleet Street, gehen wir in den Pub."

Quelle: ntv.de, rts/dpa

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