Vor 75 JahrenVolksempfänger vorgestellt
Am 18. August 1933 stellte Josef Goebbels auf der 10. Berliner Funkausstellung einen rechteckigen Kasten aus schwarzem Bakelit vor, der zum wichtigsten NS-Propagandainstrument werden sollte - den Volksempfänger.
Am 18. August 1933 stellte Josef Goebbels auf der 10. Berliner Funkausstellung einen rechteckigen Kasten aus schwarzem Bakelit vor, der zum wichtigsten NS-Propagandainstrument werden sollte - den Volksempfänger. Das Radiogerät, dessen Bezeichnung VE 301 auf den Tag und den Monat von Adolf Hitlers Ernennung zum Reichskanzler verwies, sollte die Ideologie der Nazis in jede Wohnung tragen. Zwar war der Rundfunk 1933 bereits zehn Jahre alt, doch die zunächst sehr teuren Geräte bremsten die Verbreitung. Zum ersten elektronischen Massenkommunikationsmittel wurde das Radio erst durch den Volksempfänger, der zwischen 65 und 76 Reichsmark kostete - etwa ein Viertel des bis dahin üblichen Preises für besser ausgestattete Geräte.
Welche Bedeutung Goebbels dem Radio für den Aufstieg des Nationalsozialismus beimaß, machte der Reichspropagandaminister in seiner Rede zur Eröffnung der Funkausstellung vor 75 Jahren deutlich: "Sowohl die Eroberung als auch die Ausnutzung der Macht wäre ohne Rundfunk und Flugzeug in dieser Form gar nicht denkbar gewesen." Der gleichgeschaltete Rundfunk war Instrument der Massenbeeinflussung und aus seiner Sicht "einflußreichster Mittler zwischen geistiger Bewegung und Volk".
Braun gefärbte Radiowelt für ein Massenpublikum
Der Reiz des neuen elektronischen Mediums war jenem ähnlich, der heute zur sprunghaften Verbreitung des Internets beiträgt. Allein von August bis Weihnachten 1933 wurde der Volksempfänger 860.000 Mal verkauft - ein bis dahin beispielloser Aufstieg eines technischen Mediums. Die Politik tat alles dafür, damit möglichst viele Geräte verkauft wurden. "Rundfunk in jedes Haus", hieß die Nazi-Werbebotschaft. "Die Nationalsozialisten wollten, dass ihre Propaganda bis in die letzten Winkel des Landes verbreitet werden kann", sagt Jörg-Uwe Fischer vom Deutschen Rundfunkmuseum. "Und natürlich kommt auch die Faszination des Technischen mit ins Spiel, die Leute wollten unbedingt ein Radio haben".
Das einfache Radiogerät, das den Empfang eines regionalen und eines deutschlandweiten Senders ermöglichen sollte, brachte die Radiowelt erstmals einem Massenpublikum ins Haus. Es war eine durch und durch braun gefärbte - unterbrochen von Unterhaltungssendungen, damit nicht abgeschaltet wurde. Die Olympischen Spiele 1936 in Berlin zogen deutschlandweit Millionen Hörer an das Radio. Wöchentlich wurde mindestens eine Propagandarede des Führers übertragen, darunter auch jene, in der Hitler am 1. September 1939 im Reichstag den Angriffskrieg gegen Polen bekanntgab. "Seit 5 Uhr 45 wird jetzt zurückgeschossen", rief Hitler unter frenetischen Sieg-Heil-Rufen im Plenarsaal - und verdrehte damit die historische Wahrheit des deutschen Überfalls.
Warnzettel am Senderdrehknopf
Der Volksempfänger ermöglichte aber auch den Empfang so genannter Feindsender. Ausgeliefert wurde der VE 301 deshalb mit einem Warnzettel am Senderdrehknopf, das Einschalten ausländischer Sender werde mit Zuchthaus bestraft. 1941 begann die Hinrichtung von Hörern, die sich nicht daran hielten. Sehr beliebt war ein BBC-Hörfunkprogramm aus London, das von Deutschen gestaltet wurde, denen die Flucht vor den Nazis gelungen war. Dort erfuhren Familien, ob Vater oder Sohn womöglich nicht gefallen waren, sondern in Kriegsgefangenschaft überlebt hatten. Deutsche Exilschriftsteller kamen zu Wort und in Sketchen wurde über das Verbot gespottet, so genannte Feindsender zu hören.
Aufstieg und Fall des Volksempfängers waren direkt mit dem Naziregime verbunden. Im Mai 1945 meldete der Reichssender Flensburg in den letzten Kriegstagen aus dem Führerhauptquartier, "dass unser Führer Adolf Hitler heute nachmittag in seinem Befehlsstand in der Reichskanzlei" gefallen sei. Nach zwölf Jahren bedeutete das das Aus für den röhrenbestückten Millionenseller.