Politik

Der letzte Kampf der Indianer120 Jahre Massaker am Wounded Knee

29.12.2010, 08:00 Uhr

Vier Jahrhunderte leisteten die Indianer dem Vordringen der Europäer Widerstand. Danach war das einst so stolze Volk gebrochen. Das Massaker am Wounded Knee markierte 1890 das Ende der Indianerkriege - und der Ära der Prärie-Indianer.

Ein Schneesturm rettete die letzten Indianer. Als er sich verzogen hatte, lagen die Leichen ihrer Stammesbrüder gefroren in der weißen Weite South Dakotas: Dutzende, vielleicht Hunderte, von Kugeln durchsiebt, erschlagen, erfroren. Es war der letzte Kampf der Indianer, danach war das einst so stolze Volk gebrochen. Das Massaker am Wounded Knee war vor 120 Jahren das Fanal einer brutalen Verdrängung, die manche als Völkermord bezeichnen.

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Kurz nachdem der legendäre Indianer-Häuptling Sitting Bull erschossen worden war, umstellten Soldaten das Lager am Wounded Knee (im Bild: Ernie LaPointe vor dem Porträt seines Urgroßvaters Sitting Bull). (Foto: dpa)

Als Kolumbus 1492 auf die Menschen traf, die er Indianer nannte, hatte deren Leben mit den Rothäuten aus den Wildwest-Romanen kaum etwas zu tun. Erst die von den Spaniern zurückgelassenen Pferde ließen die Indianer die Prärie erobern und dem Büffel nachjagen. Doch die Millionen Einwanderer verdrängten die ursprünglichen Einwohner immer weiter. Nach einem Jahrhundert der Indianerkriege gelang den Sioux noch einmal ein letzter Sieg am Little Bighorn, doch Krankheit und Feuerwasser, Krieg und die jahrhundertealte Zwietracht unter den Stämmen hatten die Völker gebrochen. Einer nach dem anderen zogen die einst unbeugsamen Krieger in die kargen Reservate.

Widerstandsgeist flammt noch einmal auf

Doch um 1890 flammte der Widerstandsgeist noch einmal auf. Auslöser war die religiöse Geistertanzbewegung, in der die US- Behörden nicht ganz zu Unrecht einen möglichen Aufruhr sahen. Als einer der potenziellen Anführer sollte der legendäre Sitting Bull interniert werden. Doch die Festnahme entwickelte sich zur wilden Schießerei. Am Ende waren mehr als ein Dutzend Menschen tot, der große Krieger Sitting Bull lag tot mit einem Kopfschuss im Staub.

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1973 besetzten Aktivisten der American Indian Movement das Örtchen Wounded Knee. (Foto: ASSOCIATED PRESS)

Die Behörden wurden unruhig und ordneten die Entwaffnung aller Indianer an. So wurde am 29. Dezember auch ein Lager am Wounded Knee umstellt. Die Krieger fügten sich, nur einer wollte seine neue - und teure - Winchester nicht hergeben. Irgendwo brach ein Schuss los - bis heute ist nicht klar, aus wessen Waffe.

Sofort ballerten die Soldaten mit ihren Repetiergewehren auf das Lager. Schlimmer noch: Die Kavalleristen hatten auch vier Maschinengewehre aufstellen lassen, die die Indianer jetzt niedermähten. Ihr Häuptling, der todkranke Spotted Elk, bekam einen Kopfschuss. Mit ihm starben zwischen 150 und 300 - so genau weiß das niemand - Männer, Frauen und Kinder. Auch 25 Soldaten wurden getötet, die meisten wahrscheinlich im Feuer ihrer eigenen Kameraden.

Alkohol, Armut und Missachtung

Es war das letzte Kapitel der Indianerkriege. Große Krieger gab es nicht mehr. In den folgenden Jahrzehnten prägten vor allem Alkohol, Armut und Missachtung das Leben der Stämme. Und wenn einer ein paar Pennys für das Kino zusammengespart hatte, dann sah er im Western seine Stammesbrüder als wilde, tumbe Mordgesellen. So, wie die Indianer in Europa heroisiert wurden, so wurden sie in den USA diffamiert.

Das änderte sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg, auch durch ein Buch. In "Begrabt mein Herz an der Biegung des Flusses" schilderte Dee Brown ganz andere Indianer. Filme wie "Little Big Man" rückten das Bild etwas mehr in Richtung Realität. So wussten die Amerikaner schon mehr über die Kultur ihrer Ureinwohner, als 1973 Aktivisten der American Indian Movement das Örtchen Wounded Knee besetzten. Die 27 Militanten nahmen Geiseln und forderten die Absetzung eines korrupten Stammesvorsitzenden.

Little Lost Bird überlebt Massaker

Nach dreieinhalb Monaten gaben sie auf, nicht ohne zuvor die Augen der Welt auf ihr Schicksal gerichtet zu haben. Marlon Brando lehnte sogar seinen Oscar für "Der Pate" ab, aus Protest dagegen, wie die "native Americans" in Hollywood dargestellt würden. Einer der Führer der Besetzung, Russell Means, wurde später selbst zum Filmstar - in Indianerrollen.

Da war Little Lost Bird schon lange tot. Das Mädchen gilt als jüngste Überlebende des Massakers von Wounded Knee. Das erst wenige Wochen alte Baby hatte die bittere Kälte unter dem Leib ihrer toten Mutter überlebt. Ein General nahm sie auf und erzog die kleine wie eine Weiße, doch schon 1919 starb sie. 62 Jahre später wurde ihr Grab gefunden und Little Lost Bird umgebettet - an das Wounded Knee, dahin, wo 101 Jahre vorher ihr Stamm und ihre Mutter ausgelöscht worden waren.

Quelle: ntv.de, Chris Melzer, dpa