Rechter Terror des NSU Ausschüsse nehmen Arbeit auf
26.01.2012, 16:33 Uhr
Die Neonazis waren gut ausgerüstet.
(Foto: dpa)
Die Morde der Zwickauer Terrorgruppe beschäftigen nun zwei Untersuchungsausschüsse. Sowohl der Bundestag als auch der thüringische Landtag setzen entsprechende Gremien ein. Im Mittelpunkt steht die Frage nach behördlichem Versagen.
Der Bundestag hat die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu der Mordserie von Neonazis beschlossen. Die Abgeordneten stimmten mit breiter Mehrheit für einen zuvor gemeinsam von allen Fraktionen ausgearbeiteten Antrag. Das Gremium soll Ermittlungspannen der Sicherheitsbehörden klären, die im vergangenen Jahr bekannt geworden waren.
Der Untersuchungsausschuss soll auch klären, welche Konsequenzen sich für die Sicherheitsbehörden aus den Ermittlungspannen ergeben. Als Vorsitzender des Gremiums ist der SPD-Abgeordnete Sebastian Edathy vorgesehen. Grüne und Linke scheiterten mit Anträgen, die Größe des Gremiums so zu verändern, dass sie zusammen über ein eigenständiges Beweisantragsrecht verfügen würden. Redner der übrigen Fraktionen sicherten aber zu, Anträge nach Möglichkeit im Konsens zu beschließen.
Dutzende Jahre im Blick
Der Untersuchungsausschuss soll sich auch mit Vorgängen aus den frühen 90er Jahren befassen. "Wir schauen auf die Jahre 1992 bis November 2011", sagte Edathy. Im November hatte sich die Hauptverdächtige Beate Zschäpe gestellt.
"Es gab eine Pannenserie beispielloser Art", sagte Edathy. "Man hat viel zu spät identifiziert, dass da Leute über Jahre hinweg mordend und raubend durchs Land gezogen sind und aus fremdenfeindlichen Motiven heraus Bürger dieses Landes umgebracht haben. Die Vorgänge zeigten, dass die Sicherheitsarchitektur optimierbar sei. So müsse etwa der Informationsaustausch zwischen den Bund und Ländern besser werden. "Da müssen wir besser werden, um das Risiko zu minimieren, dass sich so etwas wiederholen kann."
Auch der Thüringer Landtag setzte einen Untersuchungsausschuss ein. Alle fünf Fraktionen stimmten in Erfurt einstimmig einem gemeinsamen Antrag zu. Der Ausschuss soll ein mögliches Fehlverhalten der Thüringer Sicherheits- und Justizbehörden bei der Überwachung und Verfolgung des rechtsextremen Trios untersuchen und klären, warum die Verdächtigen jahrelang unbehelligt agieren konnten.
Zschäpe sowie die Anfang November tot aufgefundenen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt waren 1998 untergetaucht, nachdem die Polizei in Jena eine Bombenwerkstatt der Rechtsextremen ausgehoben hatte. Das Trio wird für neun Morde an Migranten und den Mord an einer Polizistin in Heilbronn verantwortlich gemacht. Außerdem werden der Gruppe zwei Sprengstoffanschläge in Köln 2001 und 2004 mit insgesamt 23 Verletzten sowie eine Serie von Banküberfällen zur Last gelegt. Vor allem dem Thüringer Verfassungsschutz werden im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen die Neonazis Versäumnisse vorgeworfen.
Es seien noch viele Fragen offen, die geklärt werden müssten, sagte die SPD-Abgeordnete Dorothea Marx, die den Untersuchungsausschuss leitet. Der Ausschuss werde "alles tun, um Öffentlichkeit und Transparenz herzustellen".
Thüringens Innenminister Jörg Geibert (CDU) sagte, es gehe um die vollständige und umfassende Aufklärung der Vorgänge rund um die rechtsextreme Zelle, die ihren Ausgangspunkt in Thüringen gehabt habe. "Das sind wir nicht zuletzt den Opfern und Hinterbliebenen schuldig", sagte der CDU-Politiker.
Der Fraktionschef der Thüringer Linken, Bodo Ramelow, betonte mit Blick auf die Vorwürfe gegen die Sicherheitsbehörden, es habe klare Fehleinschätzungen gegeben. Man habe sich "weggeduckt" und "geschwiegen". Die Linken-Abgeordnete Martina Renner sagte, die Mordserie der Neonazizelle habe nicht nur Thüringen erschüttert, sondern "das ganze Land und den Glauben an die Sicherheitsbehörden".
Der CDU-Abgeordnete Wolfgang Fiedler äußerte die Hoffnung, dass im Ergebnis des Untersuchungsausschusses falsche Strukturen der Sicherheitsbehörden korrigiert werden können. Die Grünen-Politikerin Anja Siegesmund würdigte die Einsetzung des U-Ausschusses in Thüringen als "wichtigen Baustein" für die Demokratie.
Die FDP äußerte ungeachtet ihrer Zustimmung erneut ihre Skepsis am Erfolg des Untersuchungsausschusses. Es gebe auf Bundes- und Landesebene bereits zahlreiche Ermittlungsgremien, sagte Fraktionschef Uwe Barth. Er warnte vor einem "Wettrennen" in der Frage, wer zum Beispiel den ersten Zugriff auf Zeugen haben dürfe.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts