Politik

"Humanitäres Desaster" in Syrien Beobachter spricht von "Farce"

In Damaskus protestieren Menschen für Assad.

In Damaskus protestieren Menschen für Assad.

(Foto: AP)

Einem Beobachter der Arabischen Liga in Syrien reicht es: Der Algerier Malek verlässt die Mission. Die eigene Rolle bezeichnet er als Farce, das Regime führe die Beobachter an der Nase herum. Er habe "fürchterliche Szenen" von Folter gesehen, fügt er an. Deutschland drängt derweil Russland, einer UN-Resolution zuzustimmen.

Aus Entsetzen über die Gewalt gegen Regierungskritiker in Syrien hat ein Mitglied des Beobachtereinsatzes der Arabischen Liga das Land verlassen und schwere Vorwürfe gegen Präsident Baschar al-Assad erhoben. "Was ich gesehen habe, war ein humanitäres Desaster", sagte der aus Algerien stammende Beobachter Anwar Malek im Fernsehsender Al-Dschasira. "Das Regime verübt nicht ein Kriegsverbrechen, sondern eine ganze Reihe von Verbrechen gegen die eigene Bevölkerung." Sie habe sich bisher an keinen Punkt des Plans der Arabischen Liga gehalten.

Nach UN-Angaben nahm die Gewalt gegen Oppositionelle in Syrien seit Beginn des Beobachtereinsatzes sogar zu. Ungeachtet wachsender Kritik auch von Deutschland zeigte sich Assad aber auf einer Kundgebung von Regierungsanhängern in der Hauptstadt Damaskus siegessicher und sprach erneut von einer Verschwörung des Auslands gegen ihn.

In Homs soll unterdessen ein westlicher Journalist getötet worden sein. Es soll sich um einen französischen Reporter des Fernsehsenders France 2 handeln. Wie ein Augenzeuge sagte, wurde eine Gruppe von Reportern in der zentralsyrischen Stadt von einer Granate getroffen. Nach Angaben von Aktivisten wurden dabei auch sechs Syrer getötet und mehrere Menschen verletzt. Das syrische Informationsministerium bestätigte zunächst lediglich, dass es einen Vorfall um ausländische Journalisten in Homs gegeben habe. Es nannte aber keine Details. Die Reporter befanden sich im Rahmen einer von den Behörden genehmigten Reise in Homs. Aus welchem Lager die Granaten abgefeuert wurden, war zunächst unklar.

"An der Nase herumgeführt worden"

Der Syrien-Beobachter Malek räumte unumwunden das Scheitern der Arabischen Liga ein: "Der Einsatz war eine Farce, und die Beobachter sind an der Nase herumgeführt worden." Er sei Zeuge fürchterlicher Szenen geworden und habe diese nicht verhindern können. Im Gegenteil: Durch seine Tätigkeit habe er es Assads Regime sogar erleichtert, das Töten fortzusetzen. Er sei mehr als 15 Tage in der Stadt Homs gewesen. "Ich habe Horrorszenen gesehen, verbrannte Körper, Leichen mit Folterspuren, Menschen ohne Haut, Kinder, die getötet wurden ... ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen. Ich kann mein Mitgefühl in dieser Lage nicht zurückstellen."

Dieser Screenshot soll einen demolierten Wagen der Beobachtermission zeigen. Die Arabische Liga spricht von Angriffen auf ihre Beobachter. Wer dafür verantwortlich war, ist unklar.

Dieser Screenshot soll einen demolierten Wagen der Beobachtermission zeigen. Die Arabische Liga spricht von Angriffen auf ihre Beobachter. Wer dafür verantwortlich war, ist unklar.

(Foto: Reuters)

"Die Gefangenen werden gefoltert, niemand wurde freigelassen", fügte Malek hinzu. Stattdessen seien Menschen auf der Straße festgenommen und den Beobachtern als freigelassene Gefangene vorgeführt worden. Die syrische Regierung habe überdies "Spione und Mitglieder der Geheimdienste" als Fahrer und Begleiter der Beobachter engagiert. "Sobald wir einen Bezirk verließen, wurden die Leute dort angegriffen." "Alle Demonstrationen, die ich gesehen habe, waren friedlich, und die Demonstranten haben dafür gesorgt, dass uns Beobachtern nichts geschieht", fuhr er fort.

Kritik an Chef der Beobachtermission

Malek kritisierte auch den Chef des Beobachterteams, den sudanesischen General Mohammed al-Dabi. Dieser versuche, einen Mittelkurs zu fahren, um weder die Regierung noch eine andere Seite gegen sich aufzubringen. Die Eignung Al-Dabis war bereits von Menschenrechtsgruppen wegen dessen Rolle beim Konflikt in der sudanesischen Unruheprovinz Darfur infrage gestellt worden. Oberst Akram Mohammed Hussein, der Bürochef des Leiters der Beobachtermission, sagte auf Anfrage, Malek habe aus gesundheitlichen Gründen um seine Entlassung gebeten.

Anti-Assad-Demo in Homs.

Anti-Assad-Demo in Homs.

(Foto: REUTERS)

In Syrien sind 165 Beobachter der Arabischen Liga im Einsatz, um die Umsetzung eines von der Organisation vermittelten Friedensplans zu überwachen. Seit Beginn der regierungsfeindlichen Proteste vor zehn Monaten sind nach UN-Schätzungen mehr als 5000 Menschen getötet worden. Die Regierung spricht dagegen von Terroristen und bewaffneten Banden, die 2000 Angehörige der Sicherheitskräfte getötet haben sollen.

In Damaskus tauchte derweil Assad überraschend auf einer Kundgebung von Anhängern auf und bekräftigte seine harte Haltung in dem Konflikt gegen seine Kritiker. "Wir werden diese Phase zu einem Ende für sie und ihre Pläne machen", sagte der Präsident vor Tausenden jubelnden Demonstranten in Begleitung seiner Frau Asma und ihrer beiden Kinder. "Wir werden ohne Zweifel siegen." Hinter den Protesten stünden ausländische Kräfte und Verräter.

"Wir brauchen eine UN-Resolution"

Angesichts der anhaltenden Gewalt gegen Regierungskritiker forderte die Bundesregierung Russland auf, seinen Widerstand gegen eine UN-Resolution aufzugeben. "Wir brauchen eine Resolution des UN-Sicherheitsrates, in der das syrische Regime unmissverständlich aufgefordert wird, die Gewalt gegen seine eigene Bevölkerung einzustellen", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat habe Russland eine besondere Verantwortung, fügte ein Sprecher des Auswärtigen Amts hinzu. Bislang habe die Regierung in Moskau Sanktionen gegen Syrien skeptisch gegenübergestanden. "Und da muss man schon sehen, dass die Entwicklungen der letzten Tage aus unserer Sicht uns eher Recht geben." Der Sprecher bot der Arabischen Liga "technische und politische" Unterstützung für deren Beobachtermission an. Es sei deutlich geworden, dass die Mission "klare Defizite aufweist".

Außenminister Guido Westerwelle kritisierte zudem die . "Das war eine sehr enttäuschende Rede, und es war eine Rede der verpassten Chancen", sagte Westerwelle in Berlin. Assad hatte sich während seiner ersten Rede an seine Landsleute seit sieben Monaten als Opfer einer Verschwörung bezeichnet. Einen Rücktritt lehnte der Machthaber ab. "Und deswegen fürchte ich, ist die Lage in Syrien nach dieser Rede eher ernster geworden als entspannter", sagte Westerwelle. US-Außenministerin Hillary Clinton nannte die Rede "erschreckend zynisch".

Russland lehnte erneut eine "einseitige" Verurteilung Syriens ab. Die Beobachter forderte Moskau zu einer schärferen Kontrolle der Aufständischen auf. Die Mission solle nicht nur die Aktionen des Regimes überprüfen, sagte Außenminister Sergej Lawrow in einem Telefonat mit Liga-Generalsekretär Nabil al-Arabi. Zudem müsse sich die syrische Opposition von den "subversiven Aktionen bewaffneter Gruppen" distanzieren, so Lawrow weiter. Russland ist neben dem Iran der wichtigste Verbündete des Assad-Regimes.

Quelle: ntv.de, AFP/rts/dpa

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