"Hansa Stavanger" Besatzung verschleppt
17.04.2009, 17:44 UhrDer Fall des vor gut zwei Wochen von Piraten im Indischen Ozean gekaperten deutschen Frachters "Hansa Stavanger" hat eine dramatische Wende genommen. Fast die gesamte Schiffsbesatzung wurde nach Informationen der Nicht-Regierungsorganisation "Ecoterra" auf das somalische Festland verschleppt.
Unklar ist, ob auch die fünf deutschen Besatzungsmitglieder als Geiseln darunter sind. Die Bundesregierung lehnte es ab, sich zu dem Bericht über die Verschleppung zu äußern. Ein AA-Sprecher sagte, der Krisenstab versuche "alles", damit die Geiseln freigelassen würden.
Furcht vor Befreiungsaktion
Offenbar aus Furcht vor einer Befreiungsaktion hätten die Piraten 20 der 24 Seeleute an Land gebracht, berichtete die Organisation. Demnach befinden sich weiterhin "vier wichtige Besatzungs-Mitglieder" an Bord des Frachters in einer Bucht unmittelbar vor dem Festland Somalias und werden von den Seeräubern bewacht.
Die "Hansa Stavanger" liegt derzeit in der Nähe von Haradhere vor Anker. Die Hafenstadt in der halbautonomen Region Puntland ist als Piratenhochburg bekannt. Derzeit haben die Piraten vor der somalischen Küste mindestens 18 Schiffe mit mehr als 300 Seeleuten in ihrer Gewalt.
Marine-Mandat ausreichend
Die Bundesregierung wies derweil Forderungen nach schärferen Regeln als überflüssig zurück. Das Marine-Mandat zur Bekämpfung der Piraterie am Horn von Afrika sei völlig ausreichend, erklärten Sprecher des zuständigen Auswärtigen Amtes und des Verteidigungsministeriums.
Nach dem Bundestagsmandat darf die deutsche Marine ausdrücklich auch Gewalt gegen Piraten und ihre Schiffe anwenden. Nach früheren Äußerungen von Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) handelt es sich um das "robusteste" Mandat, das die Bundeswehr je hatte.
Oberste Priorität des Marine-Einsatzes ist nach Angaben des Sprechers des Verteidigungsministeriums, Schiffe des Welternährungsprogramms zu schützen, damit diese Nahrungsmittel an die hungernde Bevölkerung etwa in Somalia liefern können.
"Nur eine einzige richtige Antwort"
Vizeregierungssprecher Thomas Steg dementierte Angaben des CSU-Abgeordneten Hans-Peter Uhl, wonach die Regierung eine härtere Gangart abgesegnet habe. "Mir sind solche Absprachen nicht bekannt", sagte Steg. Auch ein Sprecher des Verteidigungsministeriums verwies darauf, dass das Mandat des Bundestags für die Beteiligung der deutschen Marine an der EU-Operation "Atalanta" alle für den Einsatz nötigen Maßnahmen enthalte. Dazu kann auch das Ausschalten eines Mutterschiffes von Piraten gehören.
Uhl hatte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" angekündigt, Piraten würden künftig "mit allen militärischen und polizeilichen Mitteln bis hin zum Einsatz von Anti-Terror-Einheiten hart bekämpft". Bei Angriffen der Seeräuber könne es nur eine einzige richtige Antwort geben, nämlich das unverzügliche Versenken der Schiffe.
Auch der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch, hält ein härteres Vorgehen gegen die Piraten für geboten. "Wir kommen nicht umhin, Mutterschiffe anzugreifen und gekaperte Schiffe zu befreien", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung". FDP-Fraktionsvize Birgit Homburger erklärte, die Marine müsse "in vollem Umfang der Möglichkeiten" gegen Piraten vorgehen.
Kritik an Überstellung nach Kenia
Indes kritisierte der deutsche Anwalt eines mutmaßlichen somalischen Piraten, Oliver Wallasch, erneut die Überstellung von Verdächtigen an die kenianische Justiz. Er sagte, die Haftbedingungen seien menschenunwürdig und die Möglichkeit einer angemessenen Verteidigung fehle. Wallasch forderte, den Prozess gegen seinen Mandanten Ali Mohamed A.D. und acht weitere Verdächtige wegen eines Angriffs auf den deutschen Frachter "MV Courier" in Deutschland zu führen.
Nach Angaben der Hamburger Reederei Gebrüder Winter wird der Kapitän der "MV Courier" beim Prozessbeginn am Mittwoch im kenianischen Mombasa vermutlich nicht aussagen. Die Besatzung habe Angst vor erneuten Piratenangriffen und fürchte auch um ihre Sicherheit in Kenia, sagte der für den technischen Betrieb zuständige Geschäftsführer Arno Hagenah.
Pirat kommt vor US-Gericht
Ein von der US-Marine vor Somalia gefangengenommener Pirat soll unterdessen einem Medienbericht zufolge in den USA vor Gericht gestellt werden. Wie der Fernsehsender CBS berichtet, soll der 19-Jährige vor einem Bundesgericht in New York angeklagt werden. Das US-Justizministerium bestätigte die geplante Auslieferung zunächst nicht.
Der 19-jährige Pirat hatte in der Woche vor Ostern gemeinsam mit Komplizen den US-Frachter "Maersk Alabama" gekapert und den US-Kapitän Richard Phillips fünf Tage lang als Geisel festgehalten. Am Ostersonntag beendete eine US-Spezialeinheit das Geiseldrama, dabei wurden drei Piraten erschossen. Der überlebende Seeräuber wurde gefangengenommen und zusammen mit Phillips in die kenianische Hafenstadt Mombasa gebracht. Im Fall einer Verurteilung würde dem jungen Somalier lebenslange Haft drohen.
Quelle: ntv.de