Politik

Streit um Snowden im NSA-Ausschuss "Binninger erhielt Druck von oben"

Clemens Binninger bei der Erklärung seines Rücktritts.

Clemens Binninger bei der Erklärung seines Rücktritts.

(Foto: picture alliance / dpa)

Eigentlich soll der NSA-Ausschuss die Hintergründe der Abhöraffäre ermitteln. Aber schon nach einer Woche tritt der Vorsitzende Clemens Binninger zurück. Der Grund: Die Opposition will Edward Snowden verhören, die Union ist jedoch dagegen. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz vermutet, Kanzlerin Merkel versuche die Aufklärung der NSA-Affäre zu verhindern.

n-tv.de: Es heißt, Clemens Binninger habe seinen Vorsitz im NSA-Ausschuss wegen Meinungsverschiedenheiten niedergelegt. Können Sie das bestätigen?

Konstantin von Notz: Die Meinungsunterschiede im NSA-Untersuchungsausschuss haben nicht zu seinem Rücktritt geführt. Offensichtlich gibt es einen starken Konflikt zwischen Bundesregierung und Parlament im Hinblick darauf, ob der Ausschuss seiner Arbeit nachgehen darf.

Binninger gibt Grünen und Linken, also der Opposition, die Schuld an seinem Rücktritt. Er verweist darauf, dass eine überparteiliche Aufklärung im Ausschuss nicht mehr möglich sei.

Der geschätzte Kollege kann wahrscheinlich nicht offen sagen, was die eigentlichen Gründe sind. Ich halte es für sehr unschlüssig zu behaupten, die böse Opposition habe ihn zum Rücktritt bewegt. Es gibt Konflikte im Hinblick auf die Ladung von Edward Snowden. Alle Fraktionen, auch Union und SPD, wollen die NSA-Affäre aufklären und Snowden laden, aber die Bundesregierung will das nicht. Das ist die Ursache für Binningers Rücktritt.

Was für ein Interesse hat die Bundesregierung, eine Befragung Snowdens zu verhindern?

Konstantin von Notz sitzt für die Grünen im Bundestag.

Konstantin von Notz sitzt für die Grünen im Bundestag.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Bundesregierung stellt ihre außenpolitischen Interessen über die Verteidigung der Freiheit der Kommunikation der Bürger. Ich halte es jedoch für absurd bei diesem tatsächlichen Motiv der Regierung zu behaupten, dass Snowden kein wichtiger Zeuge sei. Vergleichen wir das mal mit einem normalen Gerichtsverfahren. Daran sind ja die Rechte eines Untersuchungsausschusses angelegt. Wenn Sie Sachverhaltsaufklärung betreiben wollen, müssen Sie Snowden befragen, was er weiß. Meiner Meinung nach sind die Rechte des Bundestags hier wichtiger als die Interessen der Bundesregierung. Der Untersuchungsausschuss ist das schärfste Schwert des Parlaments. Es wirft ein schlechtes Licht auf die Regierung, wenn sie wirklich versuchen sollte, auf die Aufklärungsinteressen des Parlaments Einfluss zu nehmen. Ich glaube, Binninger hat seinen Vorsitz abgegeben, weil er nicht als Puffer zwischen Parlament und Bundesregierung fungieren wollte.

Ist Binninger aus Ihrer Sicht aus freien Stücken zurückgetreten?

Das vermute ich. Es wird massiven Druck aus dem Kanzleramt gegeben haben, aber nicht dahingehend, seinen Vorsitz abzugeben. Die werden ihm gesagt haben: "Verhindere, dass Snowden in den Ausschuss kommt. Du trägst die Verantwortung. Wenn uns da Ungemach droht, haftest du." Da hatte Binninger keine Lust drauf, deswegen ist er zurückgetreten. Dabei hätte er Snowden als Zeugen gar nicht verhindern können. Es ist ein Recht der Opposition, in einem Untersuchungsausschuss Anträge zu stellen.

Mit einem ähnlichen Druck muss nun auch Binningers Nachfolger Patrick Sensburg leben.

So ist es. Das Problem wird für die Union nicht kleiner. Der Kollege Sensburg hat zuletzt gesagt, dass Snowden ein interessanter Zeuge sei. Ich hoffe, dass er diese Meinung immer noch vertritt.

Wieso ist Snowden so ein wichtiger Zeuge im NSA-Ausschuss?

Vor allem bei der Frage, wie die Geheimdienste arbeiten und was sie machen, ist Snowden eine Schlüsselfigur. Er kann darüber allerdings nicht in Moskau berichten. Denn dort hat er zugesagt, sich so zu verhalten, dass es nicht zu diplomatischen Verwerfungen Russlands mit anderen Ländern kommt. Deswegen muss Snowden nach Berlin kommt und hier aussagen. Das gilt unabhängig davon, was er dann erzählt. Manchmal passiert wenig durch eine Zeugenaussage und manchmal ist es sehr spektakulär.

Binniger erklärte zuletzt, Snowden müsse nicht verhört werden, weil er sich bereits hinreichend geäußert habe.

Das kann doch nicht der Ermittlungsansatz eines Untersuchungsausschusses sein. Wir haben Ermittlungsbefugnisse und die müssen wir nutzen. Der Ausschuss muss zur Primärquelle gehen und zu denen, die die Dinge tatsächlich berichten können. Wir können unser Wissen doch nicht nur aus der Presse nehmen, wenn wir die Möglichkeit haben, einen Zeugen zu hören. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat in dieser Angelegenheit auch schon Presseerklärungen rausgegeben, trotzdem wollen wir den Präsidenten als Zeugen laden. So funktioniert ein Untersuchungsausschuss.

Mit Konstantin von Notz sprach Christian Rothenberg

Quelle: ntv.de

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