Politik

Folgen des Ukraine-Kriegs Blockaden, Straßenschlachten und Tote in Peru

Straßenschlachten am Dienstag im Regierungsviertel von Lima.

Straßenschlachten am Dienstag im Regierungsviertel von Lima.

(Foto: dpa)

Was mit einem Streik peruanischer Transportunternehmen wegen gestiegener Benzinpreise beginnt, weitet sich zu Protesten im ganzen Land aus. Mehrere Menschen sterben. Der linke Präsident Castillo findet bislang kaum Gegenmittel.

Peru wird von Ausschreitungen erschüttert. Seit fast mehr als zehn Tagen ist die Lage im Andenland äußerst angespannt. An vielen Orten gehen die Menschen aus Protest gegen die gestiegenen Lebenshaltungskosten auf die Straße, immer wieder kommt es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Nach offiziellen Zahlen gab es dabei bislang vier Tote. Wegen der Gewalt verhängte Präsident Pedro Castillo am Dienstag eine vorübergehende Ausgangssperre über die Hauptstadt Lima und das nahe Callao, zugleich rief er den Ausnahmezustand aus. Rund 10 Millionen Menschen sind von den Maßnahmen betroffen.

Laut der peruanischen Statistikbehörde INEI sind die Preise im Einzelhandel in den wichtigen Städten des Landes im Schnitt um 7,45 Prozent gestiegen, mancherorts um mehr als 10 Prozent. Durch die Streiks der Transportunternehmen ist insbesondere frisches Gemüse noch teurer geworden. "Der Zucker kostete in der vergangenen Woche noch 2,50 Soles, jetzt sind es 6. Ein Hühnchen kostete vor zwei Tagen noch 12 Soles, jetzt sind es 16", erklärte der Landarbeiter Marcelo González dem Sender BBC. Ein Sol ist derzeit 25 Eurocent wert.

Ein blockierter Teil der peruanischen Panamericana am Mittwoch, 6. April, etwa 200 Kilometer südlich von Lima.

Ein blockierter Teil der peruanischen Panamericana am Mittwoch, 6. April, etwa 200 Kilometer südlich von Lima.

(Foto: REUTERS)

Castillo hatte den Forderungen der Transportunternehmer nachgegeben und die Benzinsteuer vorerst bis Juni ausgesetzt. Den Mindestlohn erhöhte der linke Staatschef per Dekret um 10 Prozent auf umgerechnet 250 Euro monatlich. Die Anpassung hilft aber nur einer Minderheit, etwa 80 Prozent des Arbeitsmarktes ist informell organisiert. Weil sich die Lage daraufhin auf den Straßen der Hauptstadt nicht entspannte, verhängte Castillo für Dienstag die Ausgangssperre sowie den Ausnahmezustand.

In der Hauptstadt Lima fuhren die Verkehrsmittel nicht und Schulen blieben geschlossen. Hunderte Demonstranten zogen trotzdem durch Limas Zentrum. Manche griffen staatliche Gebäude an, etwa den Obersten Gerichtshof, die Generalstaatsanwaltschaft sowie die Wahlbehörde. In einem Fall zerstörten sie die Fassade, drangen ein und entwendeten mehrere Computer sowie Justizakten. Die Behörden gehen von einem geplanten Angriff aus, um sich bestimmter Dokumente zu bemächtigen.

Die Panamericana ist blockiert

In Lima rollt der Verkehr inzwischen wieder, aber es sind weitere Demonstrationen angekündigt. In anderen Landesteilen gehen der Streik und die Straßenblockaden weiter. Busunternehmen in mehreren südlichen Regionen des Landes haben den Verkauf von Fahrkarten nach Lima gestoppt. Grund ist die Blockade der internationalen Fernverkehrsstraße Panamericana durch LKW-Fahrer.

Die gestiegenen Benzinpreise waren der Funke für die Proteste, bei denen die Menschen Lösungen für die allgemeinen Preissteigerungen fordern. Diese begannen bereits während der Pandemie wegen globaler Lieferkettenprobleme und werden derzeit von den Folgen des Ukraine-Krieges wie überall auf der Welt nochmals verschärft. Durch die Blockaden der Panamericana werden die Preise in den Städten nochmals nach oben getrieben.

Unter Druck: Präsident Pedro Castillo

Unter Druck: Präsident Pedro Castillo

(Foto: REUTERS)

Manche Demonstranten fordern auch, der Präsident solle "seine Versprechen einlösen" oder abtreten. Eines seiner Versprechen ist die Einsetzung einer verfassungsgebenden Versammlung. Der derzeit gültige Text stammt noch aus der Zeit von Diktator Alberto Fujimori, der im Gefängnis sitzt. Castillo, ein früherer Grundschullehrer, kündigte noch im Januar an, den Zugang zu Wasser, Strom, Gesundheitsversorgung und Bildung als Bürgerrecht in eine neue Verfassung schreiben lassen zu wollen. Das Parlament beschloss zuletzt, dass jegliche Verfassungsreform vom Parlament bestätigt werden müsse. Castillo kritisierte dies als "Angriff auf den Volkswillen".

Schon Castillos Vorgänger war mit seinen Plänen für tiefgreifende politische Reformen gescheitert. Der Kongress - der nur aus einer Parlamentskammer besteht - hatte Martin Vizcarra in einem umstrittenen Votum abgesetzt. In den vergangenen fünf Jahren gaben sich in Peru sechs Präsidenten die Klinke in die Hand. Derzeit wird gegen Castillo und seinen Umkreis wegen Korruption bei der Vergabe öffentlicher Bauaufträge ermittelt. Der Präsident dementiert jegliches Fehlverhalten. Ein auf den Vorwürfen basierendes Misstrauensvotum zu seiner Amtsenthebung fand zuletzt keine Mehrheit im Kongress.

Für Castillo ist die Lage so heikel wie möglicherweise noch nie seit Beginn seiner Präsidentschaft. Er ist so unbeliebt wie nie seit seinem überraschenden Wahlsieg im vergangenen Jahr, als er hauchdünn gegen die Diktatorentochter Keiko Fujimori gewonnen hatte. Sieben von zehn Peruanern glauben, dass Castillo seine fünfjährige Amtszeit nicht beenden wird. 67 Prozent sind mit seiner bisherigen Regierung unzufrieden. Mehr als die Hälfte der Peruaner würde ihn absetzen. Der Großteil seiner Kritiker lebt in ländlichen Gebieten. Eben dort hatte Castillo bei seinem Wahlsieg große Unterstützung erfahren.

Quelle: ntv.de

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