"Historische Figur"Boris Jelzin ist tot
Im Alter von 76 Jahren ist der frühere russische Präsident Boris Jelzin gestorben. Todesursache sei ein plötzlicher Herzstillstand gewesen, meldet Interfax unter Berufung auf behandelnde Ärzte. Jelzin hatte das Präsidentenamt von 1991 bis 1999 inne. In ersten Reaktionen würdigten zahlreiche Politiker die Verdienste Jelzins für sein Land. Manche übten auch Kritik.
Der frühere russische Präsident Boris Jelzin ist im Alter von 76 Jahren an Herzversagen gestorben. Das teilte der Kreml in Moskau mit. Politiker in Russland und in aller Welt würdigten die Verdienste Jelzins. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte ihn einen Kämpfer für Demokratie und Freiheit. Altkanzler Helmut Kohl lobte den Verstorbenen als einen "großen Staatsmann" und "treuen Freund der Deutschen". Aus Russland kam aber auch Kritik an Jelzin, dessen Regierungszeit in den 1990er Jahren vielen durch Chaos, Armut und Raubkapitalismus in Erinnerung geblieben ist. Der Politiker stand von 1991 bis 1999 an der Spitze Russlands.
Schlüsselrolle bei der Auflösung der Sowjetunion
Jelzin war im Juni 1991 zum ersten Präsidenten der russischen Teilrepublik innerhalb der Sowjetunion gewählt worden. Im August 1991 verteidigte er auf einem Panzer vor dem Weißen Haus in Moskau stehend die junge Demokratie gegen die kommunistischen Hardliner, die gegen den sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow geputscht hatten.
Im Dezember 1991 gründete Jelzin gemeinsam mit den Führern Weißrusslands und der Ukraine die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) und läutete so das Ende der Sowjetunion ein. In einem seiner letzten Interviews verteidigte Jelzin sein damaliges Handeln. Der Vorwurf, er habe "eine großartige, mächtige Sowjetunion zerstört" sei "völliger Unsinn".
In seine Regierungszeit fielen auch der Beginn der beiden Tschetschenienkriege 1994 und 1999 und die große Wirtschaftskrise im August 1998. Vor Ablauf seiner Amtszeit trat Jelzin Ende 1999 überraschend zurück und übertrug dem damaligen Ministerpräsidenten Wladimir Putin die Amtsgeschäfte. Den Deutschen ist er in Erinnerung als derjenige russische Präsident, der im August 1994 mit einer großen Parade die letzten russischen Truppen aus Deutschland verabschiedete.
Schon zu seiner Amtszeit hatte Jelzin unter Herzproblemen gelitten. Im Wahlkampf um seine Wiederwahl im Jahr 1996 musste der Präsident mehrfach pausieren. Nach seinem Wahlsieg musste er sich in einer Moskauer Klinik einer mehrfachen Bypass-Operation am Herzen unterziehen. Seit 2001 kam Jelzin regelmäßig zu Nachuntersuchungen ins Berliner Herzzentrum, zuletzt im vergangenen Oktober.
Jelzin wird am Mittwoch in Moskau beigesetzt. Der Trauergottesdienst werde in der Christus-Erlöser-Kathedrale in Moskau stattfinden, teilte der Kreml mit. Anschließend solle Jelzin auf dem Neujungfrauen-Friedhof im Süden der Hauptstadt seine letzte Ruhe finden. Präsident Wladimir Putin ordnete für Mittwoch Staatstrauer an.
Würdigung in aller Welt
Sein Nachfolger Wladimir Putin sprach Jelzins Witwe Naina telefonisch sein Beileid aus. US-Präsident George W. Bush schrieb in einem Kondolenztelegramm: "Jelzin war eine historische Figur, der seinem Land in einer Zeit bedeutsamen Wandels diente. Er spielte eine Schlüsselrolle bei der Auflösung der Sowjetunion und half, die Fundamente der Freiheit in Russland zu legen." EU-Kommissionspräsident Jos Manuel Barroso nannte den Verstorbenen einen mutigen Mann. "Am besten ist er uns in Erinnerung, als er sich gegen den Staatsstreich (1991) stemmte", sagte Barroso in Brüssel.
Altbundeskanzler Kohl erklärte: "Seine Verdienste um die russisch-deutschen Beziehungen und den Weltfrieden sind nicht hoch genug einzuschätzen." Jelzin sei ein Freund gewesen, mit dem er eng und vertrauensvoll zusammengearbeitet habe. Merkel formulierte in einem Kondolenzschreiben, Jelzin sei eine große Persönlichkeit der russischen und internationalen Politik gewesen. "Sein Beitrag zur Entwicklung der Beziehungen unserer beiden Staaten bleibt unvergessen", so Merkel. Deutschland werde ihm ein ehrendes Andenken halten.
Bundespräsident Horst Köhler würdigte Jelzins Einsatz für die Demokratie in Russland und damit eine bessere und friedlichere Welt. "Wir Deutsche sind ihm zutiefst dankbar für den Beitrag, den er durch seine mutigen Entscheidungen zur Deutschen Einheit geleistet hat", schrieb Köhler in einem Telegramm.
Der britische Premier Tony Blair sagte, Jelzin habe eine "entscheidende Rolle in einer äußerst wichtigen Zeit der Geschichte Russlands gespielt". Der französische Präsident Jacques Chirac nannte den Verstorbenen einen Mann, "der mit seinem Mut, seiner Hartnäckigkeit und seinem politischen Sinn die Freiheit triumphieren ließ". NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer erklärte, Jelzin habe viel dafür getan, das Erbe des Kalten Krieges zu überwinden.
Lob und Tadel von Gorbatschow
Der ehemalige sowjetische Präsident Gorbatschow lobte und tadelte den Verstorbenen zugleich. "Er hat dem Land große Dienste geleistet, aber auch große Fehler gemacht", sagte Gorbatschow. Jelzin hatte Gorbatschow 1991 im Kreml beerbt, die Feindschaft zwischen beiden dauerte bis zuletzt fort. Kommunistenchef Gennadi Sjuganow wollte sich nicht zum Tod seines politischen Gegners äußern. "Ich finde keine guten Worte für seine Politik. Und etwas Schlechtes möchte ich jetzt nicht sagen", erklärte der Politiker, der bei der Wahl 1996 gegen Jelzin verloren hatte.
Die russische Menschenrechtlerin Ljudmila Alexejewa sagte, sie werde immer mit Dankbarkeit an den früheren Präsidenten denken. Ein unverzeihlicher Fehler sei aber der Tschetschenienkrieg gewesen. Der liberale Politiker und frühere Vizeregierungschef Boris Nemzow sagte, Jelzin habe sein Land geliebt. Putin habe jedoch viele der Freiheiten wieder eingeschränkt, für die Jelzin gekämpft habe.