Politik

Eine Wachstumsprognose zum Jubeln Brüderle gönnt jedem etwas

Der Wirtschaftsminister hält einen kräftigen Schluck aus der Lohn-Pulle für angemessen. Schließlich boome die Wirtschaft und das ermögliche auch höhere Löhne. Dafür allerdings hagelt es Kritik von allen Seiten; Arbeitgeber und Gewerkschaften verbitten sich grundsätzlich eine Einmischung der Politik in die Tarifverhandlungen.

(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle macht sich für deutlich höhere Löhne in Deutschland stark. "Wenn die Wirtschaft boomt, sind auch kräftige Lohnerhöhungen möglich", sagte der FDP-Politiker dem "Hamburger Abendblatt". "Die Krise ist vorbei", so Brüderle, "jetzt ist es an der Zeit, neue Prioritäten zu setzen. Wir müssen Arbeitsplätze in Deutschland attraktiv halten."

DGB-Chef Michael Sommer und Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt warnten die Politik vor einer Einmischung in das Tarifgeschehen. Kritik kam auch von Unions-Wirtschaftspolitikern, der SPD und Linken.

Zwar betonte auch Brüderle, die Höhe liege allein in der Entscheidung der Tarifpartner. Er nannte aber die Stahlindustrie als Vorbild. Dort mündeten die Tarifverhandlungen vergangene Woche in einen vergleichsweise hohen Abschluss. Die 85.000 Beschäftigten in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bremen bekommen von Oktober an 3,6 Prozent mehr Geld. Brüderle sagte: "Der Abschluss in der Stahlbranche hat gezeigt, dass ein fairer Ausgleich möglich ist, an dem sich vielleicht andere Branchen orientieren könnten."

Tarifautonomie funktioniert ohne Politik

Lohnerhöhungen machten die Gewerkschaften immer noch selber mit den Arbeitgebern aus, sagte DGB-Chef Sommer dem RBB. "Die Politik war immer gut beraten, dass sie sich da raus hält." Es sei jedoch in Ordnung, wenn die Liberalen merkten, dass es mit Maßhalten und Sparappellen nicht weitergehe, sondern auch eine Steigerung der Massenkaufkraft zur Ankurbelung der Wirtschaft notwendig sei.

Hundt hielt Brüderle entgegen: "Das Tarifergebnis für die Stahlindustrie kann auf keinen Fall Maßstab für andere Bereiche sein. Darin sind wir uns mit den Gewerkschaften einig." Derzeit erlebten die Unternehmen der meisten Branchen zwar einen erfreulichen Aufschwung, es seien aber noch lange nicht alle Folgen der Krise überwunden: "Die konjunkturelle Erholung ist nicht frei von Risiken." Wenn über neue Tarifverträge im nächsten oder übernächsten Jahr verhandelt werde, müsse man den dann aktuellen Rahmenbedingungen Rechnung tragen. Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (Köln) sprach von einem "schlechten Rat" von Brüderle. Der Tarifabschluss in der Stahlindustrie könne "kein Pilot-Abschluss für die Gesamtwirtschaft sein".

"Abstauberthema" entdeckt

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles warf Brüderle im Berliner "Tagesspiegel" vor, er habe "sein neues Abstauberthema entdeckt". Nötig seien flächendeckende Mindestlöhne. "Wir brauchen endlich eine Politik, die auch die Binnennachfrage ankurbelt." Ähnlich die Argumentation von Linken-Chef Klaus Ernst: Wenn der Wirtschaftsminister für höhere Löhne sei, dürfe er nicht nur mit dem Finger auf die Tarifparteien zeigen. Ernst forderte die Regierung auf, "endlich die Lohnbremsen aus dem deutschen Arbeitsrecht herausnehmen" und die Blockade gegen einen gesetzlichen Mindestlohn aufzugeben.

Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs warf Brüderle eine unzulässige Einmischung vor. "Es ist nicht die Aufgabe der Politiker, Tarifpolitik zu gestalten. Dazu gibt es Tarifpartner, die einen sehr viel besseren Überblick über die Lage in den verschiedenen Branchen habe", sagte Fuchs. Ähnlich äußerte sich der Chef des CDU-Wirtschaftsrates, Kurt Lauk: "So lange die Tarifautonomie funktioniert, sollten sich Politiker nicht in Tariffragen einmischen."

Vollbeschäftigung in Süddeutschland

Zur Zahl der registrierten Arbeitslosen sagte Brüderle, die Chancen stünden sehr gut, dass noch in diesem Jahr die Drei-Millionen-Grenze klar unterschritten werde. In Süddeutschland stehe bei der Arbeitslosenquote schon jetzt eine Vier vor dem Komma. Ökonomen sprächen bei solchen Werten von Vollbeschäftigung.

Wachstumsprognose soll verdoppelt werden

Brüderle deutete an, dass die Regierung ihre Wachstumsprognose annähernd verdoppeln werde. "Die wirtschaftliche Entwicklung ist erfreulicherweise viel kräftiger und viel nachhaltiger, als es im Frühjahr den Anschein hatte. Damals haben wir 1,4 Prozent Wachstum vorhergesagt", so Brüderle. "Eines kann ich bereits mit Sicherheit sagen: Es wird mindestens eine Zwei mit einer hohen Zahl nach dem Komma sein." Einen genauen Wert könne er noch nicht nennen, doch habe Deutschland beste Chancen, wirtschaftlich auch längerfristig einen guten Weg zu gehen, sagte Brüderle und wiederholte: "Wir sind die Konjunkturlokomotive für ganz Europa."

Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP

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