Politik

155-Millimeter-Geschoss möglichBundeswehr denkt an Haubitzen

08.04.2010, 11:28 Uhr

Der Tod von deutschen Soldaten in Afghanistan löst eine Debatte über die Ausrüstung der Bundeswehr in dem Land aus. Offenbar wird in der Truppe jetzt über den Einsatz schwerer Geschütze nachgedacht.

Bundeswehr-Generalinspekteur Volker Wieker hat dem Einsatz von schweren "Leopard"-Panzern in Afghanistan eine klare Absage erteilt. Die Aufrüstung der Bundeswehrtruppe am Hindukusch mit zusätzlicher Artillerie schließt er dagegen nicht aus. Wenn die Kommandeure vor Ort zu der Einschätzung kämen, dass der Einsatz der Panzerhaubitze 2000 notwendig und hilfreich sei, "werden wir uns dem nicht verwehren", sagte Wieker der "Bild"-Zeitung.

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Der Marder soll vor allem seine Insassen schützen. Seine Bewaffnung gilt eher als mager. (Foto: picture-alliance/ dpa)

Das blutige Gefecht von Kundus am Karfreitag hatte eine breite Debatte über die Ausstattung der Bundeswehr im Einsatz ausgelöst. Der designierte Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus sprach sich für den Einsatz des "Leopard 2"-Panzers aus, der fast doppelt so schwer ist wie der zur Zeit in Afghanistan verwendete Schützenpanzer "Marder". Außerdem ist der "Leopard" mit einem deutlich schwereren Geschütz ausgestattet.

In der Truppe wird der Einsatz der Panzerhaubitze 2000 am gefährlichsten Bundeswehr-Standort in Kundus schon länger gefordert. Das Geschütz verschießt 155-Millimeter-Munition über eine Reichweite von 30 Kilometern. Schon vom Feldlager aus könnte die Panzerhaubitze damit viele Hochburgen und Rückzugsgebiete der Taliban in der Umgebung treffen. Die niederländischen Streitkräfte setzen das Geschütz im Süden Afghanistans ein.

Taliban "bestimmen Ort und Zeit"

Wieker meinte, dass ein solch großer Panzer keine abschreckende Wirkung auf die Taliban habe. "Die Taliban tauchen weg vor Übermacht und bestimmen Ort und Zeit, um zu kämpfen", sagte er. "Außerdem müssen wir uns fragen, wie wir auf die Bevölkerung wirken, wenn wir mit Panzern anrücken. Wir wollen die Menschen beschützen und nicht verschrecken."

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Die Panzerhaubitze 2000 der Bundeswehr gilt das modernste rollende Panzergeschütz seiner Art. (Foto: picture alliance / dpa)

Auch der Einsatz der Panzerhaubitze 2000 könnte nach Einschätzung Wiekers in Afghanistan schwierig werden. "Oft ist es (...) kaum möglich, schwere Waffen einzusetzen, wenn sich die Taliban - wie am Freitag - hinter Kindern verstecken", sagte er.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Christian Schmidt (CSU), sagte während einer Afghanistan-Reise, der Einsatz schwerer Panzer werde von den Soldaten gar nicht verlangt. "Ich habe keinen gefunden, der einen Panzer 'Leopard 2' hätte haben wollen."

Herrmann für mehr Polizisten

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann brachte eine weitere Aufstockung der deutschen Polizeiausbilder in Afghanistan ins Gespräch. Er stellte sich bei einem Besuch im nordafghanischen Masar-i-Sharif hinter die Ankündigung von Bundesinnenminister Thomas de Maizière, die Zahl der Polizeiausbilder zunächst von 160 auf 200 zu erhöhen. "Wir werden aber darüber reden müssen, ob wir im nächsten Jahr nicht noch mehr brauchen", sagte der CSU-Politiker Herrmann. Er werde das Thema bei der nächsten Innenministerkonferenz Ende Mai ansprechen.

Bundesanwaltschaft ermittelt

Unterdessen prüft die Bundesanwaltschaft sowohl den Angriff der radikalislamischen Taliban auf die Bundeswehr an Karlfreitag mit drei toten und acht verletzten Soldaten als auch die Tötung afghanischer Verbündeter durch deutsche Soldaten. Die Bundeswehr gedenkt der toten Fallschirmjäger im Alter zwischen 25 und 35 Jahren am Freitag. In Afghanistan sind seit 2002 39 deutsche Soldaten umgekommen.

Wie ein Sprecher auf Anfrage mitteilte, wurde ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt eingeleitet. Es geht um den Verdacht der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland, um Mord, versuchten Mord und gefährliche Körperverletzung. Beim Tod der afghanischen Soldaten werde geprüft, ob es einen Anfangsverdacht für eine Straftat gebe.

Oberst Klein bereits vernommen

Der Afghanistan-Einsatz ist schon seit mehreren Monaten Gegenstand Karlsruher Ermittlungen. Die Bundesanwälte befassen sich bereits mit dem Luftangriff in Kundus am 4. September 2009, bei dem bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt wurden, darunter auch Zivilisten. Erstmals ermittelt die Behörde dabei gegen Bundeswehr-Soldaten wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Völkerstrafgesetzbuch. Der für den Angriff verantwortliche Oberst Georg Klein und sein Flugleitoffizier wurden inzwischen als Beschuldigte vernommen.

Am Karfreitag war ein Bundeswehrtrupp in einem Hinterhalt überfallen worden. Drei Fallschirmjäger starben im Kugelhagel der Angreifer, acht wurden verletzt. Im Verlauf der Kämpfe ereignete sich ein tragischer Zwischenfall: Sechs afghanische Soldaten wurden irrtümlich von der Bundeswehr erschossen. Sie waren mit ihren Fahrzeugen auf eine Bundeswehreinheit zugefahren und hatten nach deutschen Angaben mehrere Warnsignale missachtet.

Quelle: dpa/AFP