Streit um Überhangmandate CDU gegen Wahlrechtsänderung
29.06.2009, 06:44 UhrDie CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnt eine Änderung des Wahlrechts noch vor der Bundestagswahl entschieden ab. Das geht aus einem Brief Merkels an SPD-Chef Franz Müntefering hervor. Die SPD will indes nicht den Koalitionsvertrag aufs Spiel setzten und kündigte an "vertragstreu" zu sein.

Merkel macht klar: Einer Wahlrechtsänderung wird sie vor der Wahl nicht zustimmen.
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Merkel verweist darauf, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom Juli vergangenen Jahres die jetzige Bundestagswahl auf der bestehenden Rechtsgrundlage ausdrücklich zugelassen habe. Daher hätten sich auch die Fraktionen von Union und SPD schon geeinigt, die vom Gericht eingeräumte Frist bis 2011 zu nutzen und die Anpassung in der nächsten Legislaturperiode vorzunehmen. "Auch die Aufstellung der Kandidaten in unseren Parteien ist im Geiste dieses Einvernehmens zwischen Union und SPD erfolgt", heißt es in dem Schreiben, das vom 25. Juni datiert ist.
Dem Gesetzentwurf der Grünen für eine Neuordnung erteilt Merkel auch inhaltlich eine Absage. IMerkel schreibt dazu, dass der Entwurf nicht den Anforderungen des Gerichts genüge, "das komplizierte Regelungsgeflecht im Wahlrecht auf eine neue, normenklare und verständliche Grundlage zu stellen".
Auch Fraktionschef Volker Kauder (CDU) verwies darauf, dass das Bundesverfassungsgericht wegen der komplizierten Materie dem Gesetzgeber bis zum Jahr 2011 Zeit gegeben habe. "Es gibt das ungeschriebene Gesetz, wonach ab dem Zeitpunkt, wo die Kandidaten aufgestellt worden sind, am Wahlrecht nichts mehr geändert wird", sagte Kauder.
SPD bleibt koalitionstreu
Die SPD erklärte indes, sie strebe keinen Bruch des Koalitionsvertrags mit der Union an. Die Sozialdemokraten seien "selbstverständlich vertrags- und koalitionstreu", verlautete aus der SPD-Spitze. Allerdings müsse die Union erklären, warum sie das Risiko eingehen wolle, ein vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuftes Wahlrecht für die nächste Bundestagswahl anzuwenden. Dies könne zur Belastung für die Demokratie werden.
In der SPD hatte es zuvor Überlegungen gegeben, sich im Bundestag dem Entwurf der Opposition für eine Neuordnung des Wahlrechts anzuschließen. Die Grünen wollen am Freitag einen Gesetzesantrag im Bundestag zur Abstimmung stellen, der die Überhangmandate abschafft. Im Koalitionsvertrag ist allerdings ein gemeinsames Abstimmungsverhalten von Union und SPD festgelegt.
Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, schloss nicht aus, dass seine Fraktion für den Gesetzesantrag der Grünen stimmen könne. Er hege "große Sympathien" für das Vorhaben, sagte Oppermann der "Frankfurter Rundschau". SPD-Chef Müntefering mahnte in einem Brief an Merkel eine Änderung des Wahlrechts noch vor der Bundestagswahl an. Es sei "unerträglich" und für die Demokratie "schädlich", wenn das nächste Parlament auf der Basis von Regelungen zusammengesetzt werde, die das Bundesverfassungsgericht im Juli 2008 als grundgesetzwidrig bezeichnet habe.
Bis zu 20 Überhangmandate

In manchen Fälle wird der Wählerwille ins Gegenteil verkehrt.
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Nach dem derzeitigen Stand der Meinungsumfragen könnte bei der Wahl am 27. September vor allem die CDU massiv von Überhangmandaten profitieren. Experten gehen von rund 20 zusätzlichen Mandaten für die CDU/CSU aus. Bei der Bundestagswahl 2005 hatte die SPD neun und die Union sechs Überhangmandate.
Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate erzielt, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zufallen würden. In bestimmten Konstellationen können Überhangmandate dazu führen, dass der Wählerwille ins Gegenteil verkehrt wird.
Quelle: ntv.de, ghö/dpa