Applaus für Kohl CDU will "Maß & Mitte" geben
17.06.2002, 06:01 UhrAm ersten Tag des CDU-Wahlparteitags in Frankfurt am Main hat CDU-Chefin Angela Merkel ihre Partei auf einen Machtwechsel am 22. September eingeschworen, zugleich jedoch vor allzu großer Siegeszuversicht gewarnt.
Im Verhältnis der Christdemokraten zu ihrem einstigen Ehrenvorsitzenden Helmut Kohl markierte der Parteitag eine Wende: Erstmals seit Bekanntwerden der Spendenaffäre sprach der Ex-Kanzler auf einem CDU-Parteitag. Kohl wurde von den rund 1.000 Delegierten mit herzlichem Beifall empfangen.
Am Abend traf Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) auf dem Parteitag ein. Er wurde mit großem Jubel von den Delegierten begrüßt. (n-tv.de überträgt den Parteitag auch am Dienstag ab 9.00 Uhr live.)
Zuwanderung wird Wahlkampfthema
"Wir treten bei der Bundestagswahl an, um Politik in Deutschland wieder Maß und Mitte, Kompetenz und Orientierung zu geben", sagte Merkel in ihrer gut einstündigen Rede. Mit Blick auf die guten Umfragewerte für die Union warnte sie vor Übermut: "Der Wahlsieg ist noch nicht in Sack und Tüten."
Merkel kündigte an, die Union wolle die Zuwanderungsfrage auch zum Thema im Wahlkampf machen. "Wir werden verhindern, dass Menschen populistischen Rattenfängern hinterherlaufen, weil wir die Probleme nicht ansprechen", sagte sie.
Mehrfach griff Merkel Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) scharf an. Die SPD sei unter seiner Führung in einem "kläglichen Zustand". Schröder könne nur Kanzler bleiben, wenn die PDS ihm dazu verhelfe.
"Kein Raum für platten Populismus"
Merkel hob besonders die Geschlossenheit von CDU und CSU hervor: "So viel Union wie heute gab es noch nie." Einer großen Koalition mit der SPD erteilte sie eine deutliche Absage: "Wir sind nicht der Rettungsanker zur Verlängerung von SPD-Karrieren." Die FDP nannte sie in ihrer Rede nicht, betonte aber ausdrücklich, in der Union gebe es "keinen Raum für platten Populismus".
In einem Grußwort an die Delegierten sagte der Präsident des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, sachliche Kritik an der israelischen Regierung sei "kein Sakrileg und bestimmt kein Antisemitismus". Wer aber im Wahljahr jahrhundertealte Klischees aufgreife, müsse sich auf Widerspruch der Juden einstellen, sagte Spiegel. Auch er nannte den Namen des FDP-Vizechefs Jürgen Möllemann nicht.
Abschiedsrede des Abgeordneten Kohl
Kohl rief die Union in seiner Rede zu Geschlossenheit und Kampfbereitschaft auf. Zusammen mit dem luxemburgischen Premierminister Jean-Claude Juncker hob er die Leistungen der Menschen nach der Deutschen Einheit hervor und forderte dazu auf, das vereinte Europa auch als Zukunft Deutschlands zu sehen. Auch er übte scharfe Kritik an Schröder: Dieser knüpfe die Erweiterung der EU vor allem auf dem Agrarsektor an Bedingungen, so Kohl.
Sichtlich gerührt verabschiedete Kohl sich von den Delegierten. Nach der Bundestagswahl wird Kohl nicht erneut ins Parlament einziehen.
Debatte um Ehrenvorsitz
Im Anschluss an Kohls Auftritt wurden auf dem Parteitag erste Forderungen laut, dem Altkanzler erneut den Ehrenvorsitz anzutragen. "Helmut Kohl verdient den Ehrenvorsitz ", sagte der frühere Verteidigungsminister Rupert Scholz. Der hessische Innenminister Volker Bouffier sagte, er habe keine Einwände gegen einen CDU-Ehrenvorsitzenden Kohl.
Kohl hatte den Ehrenvorsitz wegen der Parteispendenaffäre im Januar 2000 niedergelegt.
Quelle: ntv.de