7 Mrd, 9 Mrd, 10 Mrd – oder Unsinn? Da ist noch mehr Streit drin
25.06.2011, 21:22 Uhr
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Schwarz-Gelb will die Steuern senken und die Bürger auch bei den Sozialausgaben entlasten. Das macht dem Finanzminister Schäuble Bauchschmerzen, zumindest ist er vorerst "etwas unglücklich" über die Debatte. Das bringt die FDP in Rage - neuer Koalitions-Zoff scheint programmiert.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat den neuen schwarz-gelben Steuersenkungsplänen einen Dämpfer versetzt und damit den Koalitionspartner FDP erneut verärgert. Er sehe für die geplanten Entlastungen in Milliardenhöhe weder größere Spielräume noch eine zwingende Notwendigkeit, sagte Schäuble der "Bild am Sonntag". "Ich rate uns allen, keine Debatten zu führen, die große Erwartungen wecken und hinterher zu großen Enttäuschungen führen", so der Minister mit Blick auf ein ins Gespräch gebrachtes Steuersenkungsvolumen von bis zu 10 Milliarden Euro.

Über Steuern unterhalten sich Schäuble und Rösler in diesem Moment bestimmt nicht.
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FDP-Chef Philipp Rösler mahnte dagegen mit Verweis auf Wachstum und Steuereinnahmen im "Hamburger Abendblatt": "Wir dürfen den richtigen Zeitpunkt für Entlastungen nicht verpassen." FDP- Generalsekretär Christian Lindner deutete laut "Tagesspiegel" erstmals eine Größenordnung von etwa 9 Milliarden Euro an. Er schränkte später aber in einer Mitteilung ein: "Wir haben noch kein konkretes Volumen festgelegt."
Seibert: Es gibt keine Festlegungen
Laut "Spiegel" plant die Regierung eine Entlastung um maximal 7 Milliarden Euro. Diese Summe habe Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor etwa zwei Wochen zur Vorgabe gemacht, berichtete das Magazin. Bei ihren Plänen wolle sich die Bundesregierung an früheren Steuervorschlägen der CSU orientieren. Regierungssprecher Steffen Seibert widersprach dem Bericht umgehend: "Es gibt noch keine Festlegung auf Art oder Umfang der für diese Legislaturperiode ins Auge gefassten Steuererleichterung für kleine und mittlere Einkommen."
Die geplanten Veränderungen sollen den Angaben zufolge dazu führen, dass die 40 Millionen Steuerpflichtigen in Deutschland durchschnittlich um 175 Euro pro Jahr entlastet werden. In dem "Spiegel"-Bericht heißt es, dass der Eingangssteuersatz von 14 Prozent und der Spitzensteuersatz von 42 Prozent bestehen bleiben sollen. Allerdings solle der Höchstsatz nicht länger ab einem Jahreseinkommen von knapp 83.000 Euro für Alleinstehende einsetzen, sondern erst bei einem rund 1500 Euro höheren Betrag. Außerdem solle die sogenannte Knickstelle im Tarifverlauf, die derzeit bei einem Steuersatz von 24 Prozent liegt, gesenkt werden.
Bis zu dem Steuersatz an der Knickstelle steigt der Steuertarif steil an. Die geplanten Maßnahmen würden die Tarifkurve abflachen. Die Änderungen würden laut "Spiegel" bewirken, dass ein Verheirateter mit einem Jahreseinkommen von 27.500 Euro um rund 80 Euro jährlich entlastet wird. Wer als Verheirateter 65.000 Euro verdient, müsste fast 400 Euro weniger Steuern zahlen.
Schäuble sieht keine Spielräume
Schwarz-Gelb will die Steuerentlastung noch in dieser Wahlperiode durchziehen - gegen den Willen auch von CDU-Ministerpräsidenten. Eine Entlastung schon zum Januar 2012 soll es aber nicht geben. Schäuble sagte, er sei "etwas unglücklich" über die öffentliche Debatte, die den Eindruck erweckt habe, es gebe große Spielräume. "Die haben wir nicht, auch weil wir in der Koalition verabredet haben, dass die Haushaltskonsolidierung Vorrang hat."
FDP-Generalsekretär Lindner sagte, im Vergleich zum Vorjahr habe der Staat 18 Milliarden Euro mehr in der Kasse. Fast die Hälfte der Zusatzeinnahmen, also knapp 9 Milliarden Euro, gingen auf die "kalte Progression" zurück. Wenn die Koalition nun über Steuersenkungen spreche, dann gehe es "um eine Entlastung in etwa dieser Größenordnung". Bei der "kalten Progression" werden Lohnzuwächse durch höhere Einkommensteuersätze großteils aufgezehrt.
Lindner kritisierte indirekt Schäubles Äußerungen: "Die Partei- und Fraktionsführungen von FDP und CDU/CSU haben in den vergangenen Tagen klar gemacht, dass wir die Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen entlasten. Das ist jetzt ein eindeutiger Arbeitsauftrag an Herrn Schäuble." Die FDP will der Union in der Innen- und Rechtspolitik nicht entgegenkommen, um im Gegenzug eine Steuersenkung zu erreichen. Es werde "keine sachfremden Tauschgeschäfte geben".
Schäuble zeigte sich in punkto "kalte Progression" kompromissbereit. "Das ist eine zusätzliche Steuerbelastung, über deren Rechtfertigung man diskutieren kann", sagte er und kündigte an: "Wie wir diesen Mechanismus beseitigen, darüber können wir sicherlich reden." FDP-Chef Rösler sagte: "Die Koalition ist sich einig und arbeitet daran, dass die kalte Progression bei der Einkommensteuer noch in dieser Wahlperiode abgemildert wird. Wir können die Schuldenbremse einhalten und gleichzeitig die Bürger entlasten."
Mehr Netto vom Brutto versprochen
CSU-Chef Horst Seehofer versicherte im "Focus": "Es wird weitere Steuersenkungen noch in dieser Legislaturperiode geben, aber in Einklang mit der Wirtschaftslage und ohne die Haushaltskonsolidierung zu gefährden." Im "Spiegel" warnte er seine CDU-Länderkollegen davor, im Bundesrat eine maßvolle Entlastung zu blockieren. "Wir haben den Bürgern mehr Netto vom Brutto versprochen." Dieses Versprechen müsse in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden.
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sagte der "Welt am Sonntag", seine Partei werde entsprechende Steuersenkungspläne im Bundesrat blockieren. Er sieht einen Angriff auf die Schuldenbremse und "einen glatten Verfassungsbruch". Widerstand und Skepsis kam auch aus der Union. CDU-Haushaltsexperte Georg Schirmbeck sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Sollte die Regierung solche Steuerpläne in den Bundestag einbringen, wird sie keine Mehrheit für diesen Unsinn finden." Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sagte dem "Spiegel", Steuersenkungen müsse in erster Linie der Bund schultern.
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP