Flugverkehr zeitweise lahmgelegt Dänemark spricht nach Drohnensichtung von "Anschlag auf Infrastruktur"
23.09.2025, 10:04 Uhr Artikel anhören
Zehntausende Passagiere waren betroffen.
(Foto: picture alliance/dpa)
Am Flughafen Kopenhagen werden mehrere Drohnen gesichtet. Der Flugverkehr kommt zum Erliegen. Stunden später spricht die dänische Ministerpräsidentin Frederiksen vom "bislang schwersten Anschlag auf dänische kritische Infrastruktur".
Nach der Drohnensichtung am Flughafen Kopenhagen sprechen die dänische Regierung und Behörden von einem Angriff. Es handle sich um den "bislang schwersten Anschlag auf dänische kritische Infrastruktur", erklärte Ministerpräsidentin Mette Frederiksen. Einen konkreten Verdacht, wer dafür verantwortlich sein könnte, äußerte sie nicht. Die EU erklärte, es könne sich um eine weitere Störaktion Russlands handeln. Der Kreml bestritt, hinter dem Vorfall zu stecken.
"Das sagt etwas darüber aus, in was für einer Zeit wir leben und worauf wir als Gesellschaft vorbereitet sein müssen", hieß es von Dänemarks Regierungschefin. "Wir schließen natürlich keine Option aus, wer dahintersteckt", schränkte sie ein. Es sei aber klar, dass dies mit den Entwicklungen übereinstimme, die man in jüngster Zeit bei anderen Drohnenangriffen, Luftraumverletzungen und Hackerangriffen auf europäische Flughäfen habe beobachten können.
Mitte September waren Drohnen im polnischen Flugraum aufgetaucht, wenige Tage später drangen Kampfflugzeuge in den estnischen Luftraum ein. Die Nato macht für die Luftraumverletzungen Russland verantwortlich.
EU: Aktionen deuten auf Russland hin
Zuletzt hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mit Blick auf die Drohnensichtungen einen Zusammenhang mit Russland angedeutet. Auf X schrieb er: "Wir haben den Verletzungen des Luftraums von Nato-Mitgliedstaaten durch Russland besondere Aufmerksamkeit gewidmet, darunter auch dem Vorfall vom 22. September in Kopenhagen." Gebe es keine resolute Antwort, werde Russland weiter provozieren. Konkrete Hinweise für seine Andeutung lieferte er aber nicht.
Die EU reagierte zurückhaltender. "Wir müssen noch auf das endgültige Ergebnis der Untersuchung warten", sagte eine Sprecherin der EU-Kommission in Brüssel. "Aber was wir in den letzten Wochen gesehen haben, deutet in Hinblick auf seine rücksichtslosen Aktionen in mindestens drei Mitgliedstaaten auf Russland hin." Moskau wies jegliche Verantwortung für den Vorfall in Kopenhagen zurück. "Jedes Mal hören wir unbegründete Anschuldigungen", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.
Der dänische Geheimdienst erklärte, das Land sei mit einer großen Sabotagegefahr konfrontiert. "Jemand will uns vielleicht nicht unbedingt angreifen, sondern uns unter Druck setzen und sehen, wie wir reagieren", sagte der Einsatzleiter des dänischen Geheimdienstes, Flemming Drejer.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius von der SPD mahnte im Gespräch mit dem "Handelsblatt" an, besonnen auf die jüngsten Luftraumverletzungen in der EU zu reagieren. Die Strategie des russischen Präsidenten Wladimir Putin sei leicht zu durchschauen. Dessen Kalkül laute: "Erst die Nato provozieren und sich - im Falle einer Eskalation - völlig überrascht zeigen und die Nato diskreditieren", sagte der Minister. Der Kreml habe aber unterschätzt, wie "abgestimmt, besonnen und entschlossen" die Nato vorgehe.
Mit Blick auf Anzahl und Größe der Drohnen sowie Zeitpunkt des Vorfalls geht die Polizei davon aus, dass ein "fähiger Akteur" hinter dem Vorfall stecke. Das sagte der leitende Ermittler. Das bedeute, dass es sich um einen Akteur handeln müsse, der die Fähigkeiten, den Willen und die Werkzeuge dazu habe, so etwas zu bewerkstelligen. Wenn auch nur zu Übungszwecken.
Die Kopenhagener Polizeidirektorin Anne Tonnes sprach am Vormittag von einem "Drohnenangriff" und wie Frederiksen von einem "Anschlag". "Das ist unsere kritische Infrastruktur, und deshalb nenne ich es so", sagte Tonnes vor Reportern: "Ich halte das für eine sehr ernste Situation."
Europäischer Luftverkehr erlebt Turbulenzen
Wegen der Sichtung von zwei bis drei größeren Drohnen war der Airport der dänischen Hauptstadt vom späten Montagabend bis in die Nacht hinein für Starts und Landungen für rund vier Stunden gesperrt worden. Einen ähnlichen Vorfall mit ähnlich langen Folgen für den Luftverkehr gab es auch am Flughafen in Oslo. Die norwegischen Ermittler prüfen, inwieweit es einen Bezug zu den Drohnen in Kopenhagen gibt.
In Kopenhagen mussten rund 100 Flüge nach Flughafenangaben in Verbindung mit der Drohnensichtung gestrichen werden, darunter auch mehrere aus und nach Deutschland. Rund 20.000 Passagiere waren insgesamt betroffen, wie Vertreter des Flughafens und der dänischen Flugsicherheit auf der Pressekonferenz sagten. Am (heutigen) Dienstag wird demnach mit weiteren Verspätungen bei Abflügen und Landungen gerechnet.
Damit kommt der europäische Flugverkehr weiter nicht zur Ruhe: Erst am Wochenende hatte ein Cyberangriff auf einen IT-Dienstleister zu Beeinträchtigungen an mehreren Flughäfen geführt. Darunter waren die Flughäfen Berlin, Brüssel, London Heathrow und Dublin. Die Probleme hielten am Montag teilweise noch an.
Die Flughäfen Kopenhagen-Kastrup und Oslo-Gardermoen zählen neben Stockholm-Arlanda zu den größten Airports Skandinaviens. Aus der bei Touristen überaus beliebten dänischen Hauptstadt fliegen täglich auch zahlreiche Passagiermaschinen in deutsche Städte.
Quelle: ntv.de, lwe/AFP/dpa