Politik

Justizministerin fordert MAD-Auflösung De Maizière wusste von der Akte

De Maizière wusste von der Akte - dass die Info nicht weitergegeben wurde, nennt er "unsensibel".

De Maizière wusste von der Akte - dass die Info nicht weitergegeben wurde, nennt er "unsensibel".

(Foto: dpa)

Die Panne um die bislang unbekannte MAD-Akte des Neonazis Mundlos zieht weitere Kreise. Verteidigungsminister de Maizière wusste bereits vor Monaten von ihrer Existenz. Nur gab er diese Information nicht an den Untersuchungsausschuss weiter. Die Bundesjustizministerin fordert nun die Auflösung des militärischen Geheimdienstes.

Leutheusser-Schnarrenberger fordert eine grundlegend neue Sicherheitsarchitektur.

Leutheusser-Schnarrenberger fordert eine grundlegend neue Sicherheitsarchitektur.

(Foto: dapd)

Verteidigungsminister Thomas de Maizière hat schon vor Monaten von der bislang unbekannten MAD-Akte über den Neonazi Uwe Mundlos erfahren. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) hatte das Ministerium Mitte März über die Unterlagen unterrichtet - auch die Leitung des Hauses, wie das Ressort nun mitteilte. Ein Sprecher des Ministeriums sagte in Berlin, "zeitnah" sei die Information auch an de Maizière gegangen. Es sei aber nicht Aufgabe des Ministers gewesen, den NSU-Untersuchungsausschuss auf die Unterlagen hinzuweisen.

De Maizière hatte es zuvor als unsensibel bezeichnet, dass sein Haus den Ausschuss nicht gezielt auf das Papier aufmerksam gemacht hatte. Gleichzeitig sagte er aber, aus heutiger Sicht sei das damalige Verhalten des MAD korrekt gewesen. Erst am Dienstag war öffentlich bekannt geworden, dass der MAD schon in den 90er Jahren eine Akte zu dem späteren NSU-Terroristen Mundlos angelegt hatte.

Unklar, wann Akte gelöscht wurde

Laut Gesetz befasse sich der Dienst nur mit aktiven Angehörigen der Bundeswehr, hatte de Maizière weiter gesagt. Mundlos habe im März 1995 seinen Grundwehrdienst beendet. Wann die Löschung der Akten erfolgt sei, lasse sich heute nicht mehr rekonstruieren. Es sei aber weit vor dem Aufdecken der NSU-Verbrechen gewesen, hieß es aus dem Verteidigungsministerium.

Die Zentrale des MAD ist in der Konrad-Adenauer-Kaserne in Köln untergebracht.

Die Zentrale des MAD ist in der Konrad-Adenauer-Kaserne in Köln untergebracht.

(Foto: picture alliance / dpa)

Bundeskanzlerin Angela Merkel sicherte derweil eine umfassende Aufklärung der Vorgänge um die Neonazi-Mordserie zu. Mit Blick auf den MAD sagte sie in der Generaldebatte des Bundestages, die Regierung werde alles tun, "um die Dinge aufzuklären". Zudem werde Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich von der CSU die Sicherheitsstrukturen so verändern, dass solche Vorgänge nicht mehr möglich seien. Regierungssprecher Steffen Seibert wehrte sich gleichzeitig gegen den Vorwurf, die Regierung habe die Existenz eines militärischen Geheimdienstpapiers bewusst verschwiegen. Davon könne keine Rede sein.

Der sächsische Verfassungsschutz teilte derweil mit, er habe eine Akte des MAD zum Fall Mundlos bereits vor Wochen an die Untersuchungsausschüsse von Bundestag und Landtag gesandt. Dabei handele es sich um ein dreiseitiges Schreiben vom 27. Juni 1995, wie ein Sprecher des Landesamtes sagte. In dem Papier sei eine Liste mit sechs Namen aufgeführt gewesen - einer davon war der des späteren Rechtsterroristen Mundlos. "Die auf dem Schreiben vermerkten sechs Anlagen liegen hier nicht vor", erklärte der Sprecher. Nach Freigabe durch den MAD wurde das Schreiben den Angaben zufolge vom Landesamt am 13. April an den Ausschuss im Bundestag und am 1. Juni an den U-Ausschuss im Landtag übermittelt.

"Jede Legitimationsgrundlage entzogen"

Umstrittener Geheimdienst

Der Militärische Abschirmdienst ist der Inlandsgeheimdienstder Bundeswehr und neben Verfassungsschutz und BND der dritte deutscheNachrichtendienst auf Bundesebene. Mit seinen gut 1200 Mitarbeitern - zweiDrittel davon sind Soldaten - sammelt der MAD Informationen über extremistischeund sicherheitsgefährdende Bestrebungen innerhalb der Bundeswehr. Die Existenzdes MAD wurde jüngst wegen "Doppelstrukturen" mit den Geheimdienstendes Bundes und seiner Rolle bei der versuchten Anwerbung von V-Leuten in der ThüringerNeonazi-Szene in Frage gestellt.

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger forderte als Konsequenz die Abschaffung des MAD. "Das gehört jetzt ganz oben auf die politische Agenda", sagte die stellvertretende FDP-Vorsitzende. Sie sagte weiter, ihre Partei trete schon seit langem für eine MAD-Auflösung ein. "Nach einer bislang unvorstellbaren Pannenserie der Dienste ist eine grundlegende Reform der deutschen Sicherheitsarchitektur dringender denn je." Doppelarbeiten, Reibungsverluste und Informationspannen könnten nur durch energisches Anpacken abgestellt werden, so die Ministerin.

Auch Grüne und Linke plädierten für eine Auflösung der bisherigen Geheimdienste. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin forderte im Deutschlandfunk einen radikalen Neuanfang bei Verfassungsschutz und MAD. Der Bundesgeschäftsführer der Linken, Matthias Höhn, sagte: "Die deutschen Inlandsgeheimdienste haben sich selbst jede Legitimationsgrundlage entzogen."

Nach einer turbulenten Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses am Dienstag im Bundestag hatten Obleute aller Fraktionen dem MAD vorgeworfen, eine Akte über ein Gespräch mit Mundlos aus den 90er Jahren ein halbes Jahr lang verschwiegen zu haben.

"Kompletten personellen Neuanfang starten"

Trittin sagte im Deutschlandfunk: "Nach meiner Auffassung kann es hier nur einen Weg geben, nämlich die Behörden aufzulösen und einen kompletten personellen Neuanfang zu starten." Das bisherige Vorgehen der Dienste belege, dass diese "in dieser Form nicht zu reformieren sind". Es sei nicht der erste Fall, dass Inlandsgeheimdienste in dem Verfahren versuchten, Informationen gegenüber dem Untersuchungsausschuss zu verschweigen. "Mit diesen Institutionen und diesem Personal, was notorisch daran geht, das eigene Handeln gegenüber den Kontrollinstanzen zu vertuschen, ist ein demokratisch gesteuerter Inlandsgeheimdienst, den wir brauchen, nicht möglich."

Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses im Bundestag, Sebastian Edathy von der SPD, kündigte im RBB-Inforadio an, den MAD-Präsidenten Ulrich Birkenheier bei der nächsten Ausschusssitzung erneut zu laden. "Ich halte es für unglaublich, für unsensibel, wenn nicht bösartig, dass uns über ein halbes Jahr lang verschwiegen worden ist, dass es einen Kontakt zwischen einem Terrorverdächtigen und dem MAD gab. Das halte ich für einen ziemlichen Skandal."

Zudem äußerte Edathy Zweifel an den Aussagen Birkenheiers. "Ich wundere mich, dass er so gut informiert sein will über die damalige Befragung von Herrn Mundlos. Dass er ausschließen kann, dass eine Anwerbung geplant gewesen ist", sagte er. Birkenheier sei schließlich erst seit Juli diesen Jahres im Amt.

Nach Ansicht der Linken haben die deutschen Geheimdienste durch die Pannen bei der Aufklärung der Neonazi-Mordserie ihre Legitimation verloren. "Inlandsgeheimdienste sind unkontrollierbare Fremdkörper in einer lebendigen Demokratie", sagte die Linke-Politikerin Petra Pau. Linken-Bundesgeschäftsführer Höhn sagte, die jüngsten Vorgänge hätten gezeigt, "dass die Schlapphüte unverbesserlich nach dem Prinzip Spitzeln, Lügen, Vertuschen verfahren". Auch blockierten V-Leute des Verfassungsschutzes seit Jahren ein Verbotsverfahren gegen die NPD. "Das Maß ist voll", so Höhn.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP

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