Politik

Tag X - Castor nixDer Widerstand im Wendland gegen die Castor-Transporte

22.03.2001, 11:18 Uhr

Der Schein trügt: denn hinter der Fassade der verträumten Landschaft an der Elbe brodelt es. Man sieht es wieder - das Symbol des Widerstandes: ein leuchtend gelbes "X" im Wald oder an einer Hauswand, aufgesprüht oder aus Brettern gezimmert.

Vorbereitung auf den "Tag X"

Angespannt wartet die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg auf den 27. März, den Tag X. Der steht in der Sprache der Atomgegner für den Tag, an dem der Atommülltransport kommt. Wolfgang Ehmke, Sprecher der Bürgerinitiative, geht davon aus, dass die umstrittenen Behälter etwa um Mitternacht die deutsch-französiche Grenze passieren. Tags zuvor verlassen aller Voraussicht nach die sechs Castoren die französische Wiederaufbereitungsanlage La Hague in Richtung Gorleben im Wendland.

Widerstand hat Tradition in der Region

Die Wendländer sind ein "aufmüpfiges Völkchen" - das haben die Politiker in der Vergangenheit immer wieder zu spüren bekommen.

Insgesamt drei Mal brachten Castor-Transporte hochradioaktiven Müll nach Gorleben: 1995 und 1996 war es je ein, 1997 waren es sechs Castoren, die in die Betonhalle im Gatower Forst gebracht wurden. Jedes Mal waren es mehr Demonstranten, die sich "quer stellten ". Auch sonst eher unpolitische Bürger oder konservative Wähler beteiligten sich an den Protesten, die die größten in der Geschichte der Bundesrepublik waren. Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg ist sich sicher: "Gegen diesen Castor-Transport werden mindestens so viele Menschen wie beim letzten Mal im März 1997 protestieren ". Und da waren es immerhin 10.000 Menschen, die entlang der Bahnstrecke ihrem Unmut durch Sitzblockaden Luft machten.

Anlaufschwierigkeiten beim Protest

Der Widerstand der Bürgerinitiative für den diesjährigen Transport kam zunächst nur schwer in die Gänge - der Protest war seit März 1997 etwas eingerostet. Der Grund: im Wendland war es ruhiger geworden, nachdem im Mai 1998 die damalige Bundesumweltministerin Angela Merkel einen sofortigen Transportstopp verfügt hatte. Widerständler hatten technische Mängel und Außenkontaminationen an den Behältern nachgewiesen. Seither ist kein Castortransport nach Gorleben gerollt.

Dabei hätte der Widerstand immer noch allen Grund, auf die Straße zu gehen, so die Grünen-Vorsitzende in Niedersachsen, Rebecca Harms. Sie kommt aus dem Wendland. Sie war als Kind bereits an den Treckerfahrten in die Hauptstadt beteiligt, als selbst die Wendland-Bauern plötzlich gegen den Castor demonstrierten. Sie weiß, dass die meisten Widerständler den Atomkonsens als faulen Kompromiss empfinden: Die Laufzeiten sind zu lang, die Endlagerfrage ist ungeklärt - und die nächste Regierung kann das Werk wieder kippen.

Selbst auf den alten Mitstreiter, Jürgen Trittin, ist kein Verlass. Er handelte nicht nur den - für die Widerständler ungenügenden - Konsens aus, sondern pfeift auch noch die niedersächsischen Grünen zurück: Keine Demos zum nächsten Castortransport.

Umfangreiche Aktionen rund um den Castortransport

Anders als in der Vergangenheit wollen die Atomgegner ihr Aktionsfeld diesmal ausweiten. Beschränkten sich die Proteste damals noch auf die letzten 20 Kilometer der Strecke zum Zwischenlager Gorleben, so konzentrieren sie sich dieses Mal auf die Gleisstrecke zwischen Lüneburg und Dannenberg. An der 56 Kilometer langen Bahnlinie sollen fünf Camps für insgesamt 7.000 Atomgegner entstehen. Die Auftaktdemonstrationen fanden am 24. März statt. Am 25. März griffen dann die Bauern in den Protest ein: Bei der traditionellen Stunkparade fuhren mehr als 500 Landwirte mit ihren Treckergespannen vorfahren. Am Dienstagabend, wenn die Castoren aller Voraussicht nach in Dannenberg eintreffen, plant die BI eine Demo, für die Aktivisten 17.000 Sandsäcke füllen wollen. Damit, so Wolfgang Ehmke von der BI, will man "einen symbolischen Strahlenschutzwall gegen die Atommüllfuhre errichten".

Für die Wendländer steht fest, dass durch die Castor-Transporte - so unerlässlich sie im Moment sein mögen - die Endlagerfrage ungelöst bleibt. Nicht nur das. Sie befürchten, wenn erstmal die Glaskokillen in der Pilotkonditionierungsanlage in Gorleben lagern, es nicht mehr schwer ist, sie in das dann doch offiziellen Endlager auf der anderen Straßenseite zu bringen.