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Krisengebiet LibanonDeutsche evakuiert

20.07.2006, 11:30 Uhr

Die Evakuierung von Ausländern aus dem Libanon läuft auf Hochtouren. Viele Deutsche haben das Land inzwischen verlassen. Zum ersten Mal seit 20 Jahren sind wieder US-Soldaten im Libanon im Einsatz.

Die andauernden blutigen Auseinandersetzungen im Libanon haben mittlerweile auch mehrere Tausend Deutsche in die Flucht getrieben. Die Bundesregierung charterte Flugzeuge und schickte Bundeswehrmaschinen ins benachbarte Syrien sowie in die Türkei, um Flüchtlinge von Damaskus nach Deutschland zu holen. Viele sollten am Donnerstag zudem an Bord einer britischen Fähre von Beirut nach Zypern gebracht werden.

Mit drei Flugzeugen der deutschen Luftwaffe kamen am Donnerstag knapp 500 Libanon-Flüchtlinge aus der Krisenregion nach Köln. Die erste der zwei Maschinen aus Damaskus (Syrien) landete mit mehr als einer Stunde Verspätung und gut 200 Menschen an Bord auf dem Flughafen Köln-Wahn; ein drittes Flugzeug hatte Flüchtlinge aus dem türkischen Adana abgeholt. Die Bundeswehr-Maschinen sollten noch am Donnerstag wieder starten, um weitere Flüchtlinge aus der syrischen Hauptstadt Damaskus abzuholen.

Unglaubliche Erleichterung

Verwandte, Nachbarn und Freunde empfingen in Köln die sichtlich von den Strapazen im Kriegsgebiet gezeichneten Flüchtlinge. Viele weinten, einige schwenkten Fähnchen. "Jetzt seid ihr endlich da. Gott sei Dank" hatte eine Angehörige auf ein Plakat geschrieben. Unter den Passagieren waren auch zahlreiche Kinder. Die Stadt Köln hat eine Wohnanlage eingerichtet, damit auch Flüchtlinge ohne Familie in Deutschland ein Quartier finden.

Mit rund zweistündiger Verspätung war zuvor bereits ein LTU-Airbus mit 361 deutschen Libanon-Flüchtlingen, darunter 171 Kinder, in Düsseldorf gelandet. Die Maschine hatte die Menschen aus Damaskus abgeholt, weil der Flughafen in Beirut nach Bombardements nicht mehr benutzbar ist. LTU will am Freitag im Auftrag des Auswärtigen Amtes erneut deutsche Flüchtlinge nach Düsseldorf fliegen. Für Freitag ist auch ein Lufthansa-Sonderflug nach Amman in Jordanien geplant. Zudem wird eine Sondermaschine der Hapagfly aus der Krisenregion kommend in Frankfurt erwartet. Wenn nötig, würden am Wochenende weitere Flüge organisiert, hieß es im AA.

Allein am Donnerstag wurden 2.500 deutsche Flüchtlinge in einem Buskonvoi nach Syrien gebracht. 200 weitere fuhren in Bussen nach Adana und etwa 100 flohen mit dem Schiff nach Zypern. Als schwierig gestaltet sich die Ausreise der Deutschen, die sich im besonders umkämpften Süden des Landes aufhalten. "Die Bundesregierung tut unter den sehr schwierigen Bedingungen alles in ihrer Macht stehende, um ihnen Transportmöglichkeiten nach Beirut zu eröffnen und von dort eine Ausreise aus dem Libanon zu ermöglichen", erklärte das Auswärtige Amt. Das Ministerium steht im Kontakt mit Israel, um die Reiserouten gegen den Beschuss durch das israelische Militär zu schützen. Die genaue Zahl der deutschen Staatsangehörigen im Libanon bleibt unklar, weil bei der Botschaft keine Meldepflicht besteht. Offiziell waren dort nur etwa 1100 deutsche Staatsangehörige registriert.

Botschaft in Beirut informiert laufend

Die deutschen Flüchtlinge werden von Ärzten und psychologisch geschultem Personal betreut, die Botschaften stellen Unterkünfte zur Verfügung. Die Bundesregierung bewilligte für die Not leidende Zivilbevölkerung im Libanon eine Million Euro Soforthilfe. Die Hälfte davon werde dem Roten Kreuz zur Verfügung gestellt. Seit Beginn der Angriffe Israels, das damit auf die Tötung und Entführung von Soldaten an der Grenze und Raketenbeschuss durch die radikale Schiitenmiliz Hisbollah reagiert, sind im Libanon hunderttausende Menschen auf der Flucht.

Das Auswärtige Amt wies erneut auf seine aktualisierte Reisewarnung für den Libanon hin. Ausreisemöglichkeiten würden laufend auf der Homepage der Beiruter Botschaft (www.beirut.diplo.de) bekannt gegeben. Deutschen Staatsangehörigen im Libanon wird dort empfohlen, "engen Kontakt zur deutschen Botschaft zu halten und gegebenenfalls kurzfristig abreisebereit zu sein".

Evakuierung auf Hochtouren

Insgesamt läuft die Evakuierung von Ausländern aus dem Libanon mehr als eine Woche nach Beginn der israelischen Luftangriffe auf Hochtouren. Allein am Donnerstag wurden rund 1.200 US-Amerikaner per Schiff nach Zypern außer Landes gebracht. Auch Schweden brachte erneut mehrere hundert Staatsbürger aus dem Libanon mit einer Fähre nach Zypern. Damit gehe die Evakuierungsaktion langsam zu Ende, sagte ein Sprecher des Außenministeriums. Auf Zypern, der zentralen Anlaufstation, werden jedoch weiter Tausende ausländische Flüchtlinge erwartet.

Zur Unterstützung bei der Evakuierung landeten am Donnerstag erstmals seit über 20 Jahren wieder US-Marineinfanteristen in Beirut. In ersten Fernsehbildern war zu sehen wie mehrere Dutzend Marineinfanteristen von Booten aus an Land gingen. Sie sollen bei der Evakuierung von bis zu 7.000 amerikanischen Staatsbürgern bis Freitag helfen, berichtete der Nachrichtensender CNN.

Die USA hatten sich nach einem blutigen Anschlag mit über 240 Toten auf das Hauptquartier der US-Marines am Beiruter Flughafen 1984 aus dem Libanon zurückgezogen. Den Anschlag hatte damals nach US-Erkenntnissen die radikal-islamische Hisbollah verübt.