Politik

Kein Betreuungsgeld für Arbeitslose Die Tricks der Konservativen

Wahlkampf in NRW: In Düsseldorf werden Grüne mit Seehofer- und Merkel-Masken Geld aus dem Fenster.

Wahlkampf in NRW: In Düsseldorf werden Grüne mit Seehofer- und Merkel-Masken Geld aus dem Fenster.

(Foto: dpa)

Die Union will Hartz-IV-Bezieher vom Betreuungsgeld ausschließen. Das ist nicht ohne Brisanz, denn dann dürfte der Gesetzgeber die geplante Regelung auf keinen Fall damit begründen, dass mit der Leistung die Betreuung von Kindern zuhause honoriert werden soll. Doch genau darum geht es.

Berichten zufolge will die Koalition Hartz-IV-Beziehern das von ihr geplante Betreuungsgeld vorenthalten. Dazu soll die umstrittene Prämie den Empfängern von Arbeitslosengeld II zwar ausgezahlt, zugleich jedoch von ihren anderen Bezügen abgezogen werden.

Vor allem auf Druck der CSU hatte die schwarz-gelbe Koalition beschlossen, dass Eltern, die ihre Kinder selbst betreuen, ab 2013 zunächst 100 und später 150 Euro im Monat bekommen. In der CDU ist das Vorhaben umstritten, die FDP lehnt das Betreuungsgeld ab, hat allerdings bei einem Koalitionsgipfel dennoch zugestimmt.

Zum Leben oder "zweckbestimmt"?

Grundsätzlich gilt, dass bei der Gewährung sozialer Leistungen wie Arbeitslosengeld oder Hartz IV das "Einkommen" der Antragsteller über die Höhe der Leistungen entscheidet. Welches Einkommen dabei berücksichtigt wird und welches nicht, regelt das Sozialgesetzbuch. Entscheidend dabei ist, ob die Einkünfte zur Sicherung des Lebensunterhalts dienen oder "zweckbestimmt" sind.

So gelten etwa Einkommen für den "erzieherischen Einsatz" von mehr als drei Pflegekindern als zweckbestimmt und sind damit nicht anrechenbar auf Hartz IV. Dies galt auch für die inzwischen ausgelaufene Eigenheimzulage, da sie dem Erhalt einer Immobilie diente. Der Zuschuss für Existenzgründungen darf dagegen teilweise angerechnet werden, da er auch "zur Sicherstellung des Lebensunterhalts" dient.

Das Elterngeld, mit dem zu Hause bleibende Elternteile maximal 14 Monate nach der Geburt eines Kindes für ihre Betreuungsleistung honoriert werden, gilt seit Anfang 2011 nicht mehr als zweckbestimmte, sondern als dem Lebensunterhalt dienende Leistung. Für Hartz-IV-Empfänger wird seit der Reform selbst der zuvor freie Sockelbetrag von 300 Euro voll auf die Sozialleistung angerechnet. Dies führt in der Praxis dazu, dass Hartz-IV-Empfänger leer ausgehen, weil der Betrag an anderer Stelle weggekürzt wird.

Offen ist, ob es überhaupt möglich ist, Hartz-IV-Empfängern das Betreuungsgeld wieder abzuknöpfen. Zwar verweisen CSU-Politiker wie Stefan Müller, Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU im Bundestag, darauf, dass auch das Kindergeld voll auf Hartz IV angerechnet wird. Dennoch ist die Position so eindeutig nicht: FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagte, es gebe sowohl für die Anrechnung wie auch die Nicht-Anrechnung Argumente.

Trickreiche Argumentation

Um Hartz-IV-Empfängern auch das Betreuungsgeld als Leistung für den Lebensunterhalt verwehren zu können, dürfte der Gesetzgeber die Regelung auf keinen Fall damit begründen, dass mit der Leistung die Betreuung von Kindern zuhause gefördert und honoriert werden soll. Das genau ist allerdings das erklärte Motiv der Konservativen in der Union. Doch dann wären die Leistungen zweckbestimmt und müssten auch an Hartz-IV-Berechtigte ausgezahlt werden.

Es gibt auch CSU-Politiker, die das so sehen. Die Chefin der CSU-Frauenunion, Angelika Niebler, sagte der "Welt", jeder, der die Kinderbetreuung privat organisiere, "verdient die staatliche Unterstützung". Auch die Präsidentin des bayerischen Landtags, Barbara Stamm (CSU), argumentierte, Wahlfreiheit müsse auch für Hartz-IV-Empfänger gelten. "Auch diese Familien können sich entscheiden zwischen Krippe oder Barleistung", sagte Stamm der "Welt".

Dagegen sagte die CSU-Familienpolitikerin Dorothee Bär der "taz", das Betreuungsgeld könne nicht zusätzlich zu Hartz IV ausbezahlt werden, da dies eine "systemwidrige  Addition von staatlichen Leistungen" wäre. Dies scheint die offizielle Position der CSU zu sein: CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sagte der "Süddeutschen Zeitung", das Betreuungsgeld "muss angerechnet werden".

Gabriel: Wahlen sind Volksabstimmung über Betreuungsgeld

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel kritisierte die Koalitionspläne zum Betreuungsgeld als eine "von A bis Z völlig absurde und verkorkste Angelegenheit". Mit dem Betreuungsgeld solle "partout ein veraltetes Familienbild der CSU durchgesetzt werden". Gabriel sagte, er glaube, dass bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen am 6. und 13. Mai jeweils eine Art kleine Volksabstimmung darüber stattfinden werde. "Denn nirgendwo ist derzeit der Unterschied zwischen CDU/CSU und FDP auf der einen Seite und der SPD auf der anderen so groß, wie bei dieser Frage", betonte Gabriel.

"Es wäre dringend zu wünschen, die Debatte einzustellen und das Geld den Kommunen zugutekommen zu lassen, damit sie ihre Kindertagesstätten ausbauen können", sagte Gabriel. Der wichtigste Bedarf sei dort, wo Kindertagesstätten-Plätze fehlen. "Wir reden in Deutschland über Fachkräftemangel und schicken hunderttausende gut ausgebildete Frauen in die Arbeitslosigkeit, weil sie keine Betreuungsplätze für die Kinder finden und zu Hause bleiben müssen."

Trittin: Keine Koalition mit dieser Union

Scharfe Kritik kam auch von den Grünen. Die "Herdprämie" sei für Frauen wie die stellvertretende CSU-Generalsekretärin Dorothee Bär "ein schönes Taschengeld", erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck. "Die alleinerziehende Mutter mit Hartz IV, für die es nicht genug Kita-Plätze gibt, geht aber leer aus. Der Adjektiv-Rattenschwanz des Betreuungsgeldes mit familienpolitisch falsch, verfassungsrechtlich bedenklich, haushaltspolitisch unklar erweitert sich nun um unsozial."

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin schloss wegen der auch Herdprämie genannten Leistung eine Koalition mit der Union aus. Das Machtwort von Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Durchsetzung des Betreuungsgeldes sei "kein Koalitionsangebot, das ist eine Kampfansage", sagte er dem "Hamburger Abendblatt.

Die stellvertretende Linken-Vorsitzende Katja Kipping, kritisierte, Union und FDP könnten sich wohl nur auf Kosten der Ärmsten einigen: "Eine Kita-Fernhalte-Prämie für Gutverdienende ist das Letzte, was dieses Land braucht."

Mehrheit der Wähler lehnt Betreuungsgeld ab

Auch aus der Union kommt weiter Kritik am Betreuungsgeld. Der Chef der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann, bezeichnete das Betreuungsgeld in der "Bild"-Zeitung als "völlig falschen Ansatz".

Nach einer Umfrage für das Magazin "Stern" und den Fernsehsender RTL lehnen 60 Prozent der Bürger das Betreuungsgeld ab. Nur 36 Prozent der Deutschen sind dafür. Auch eine Mehrheit der Unionsanhänger ist gegen das Betreuungsgeld.

Quelle: ntv.de, hvo/AFP/dpa/rts

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