Politik

Schicksalswahlen und Konsequenzen Druck auf Westerwelle wächst

Nach dem Debakel bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz beginnt in der FDP eine Personaldebatte. Vorstandsmitglied Chatzimarkakis fordert den Rücktritt von Parteichef Westerwelle und bringt Generalsekretär Lindner als Nachfolger ins Spiel. Auch die Jungliberalen kritisieren Westerwelle scharf.

Westerwelle ist seit zehn Jahren Vorsitzender der FDP.

Westerwelle ist seit zehn Jahren Vorsitzender der FDP.

(Foto: REUTERS)

Die Debatte in der FDP über die künftige Rolle von Parteichef Guido Westerwelle wird heftiger. Der linksliberale Flügel der Partei würde gerne Generalsekretär Christian Lindner anstelle Westerwelles an der Spitze der Partei sehen. Der 32-jährige Parteimanager steht für einen solchen Wechsel aber derzeit nicht zur Verfügung, berichteten führende FDP-Vertreter in Berlin. Lindner hatte am Dienstag die Debatte über einen raschen Atomausstieg angestoßen, der in der FDP immer mehr Anhänger findet.

Auch Gesundheitsminister Philipp Rösler, der oft als Westerwelle-Nachfolger im FDP-Vorsitz gehandelt wird, will bislang nicht Parteichef werden. Er habe sich dagegen schon beim Wechsel von der Landespolitik in Niedersachsen in das politisch als Schleudersitz geltende Amt des Bundesgesundheitsministers heftig gewehrt.

FDP-Vorstandsmitglied Jorgo Chatzimarkakis forderte FDP-Chef Guido Westerwelle auf, bereits vor dem offiziellen Parteitag im Mai seinen Rückzug von der Parteiführung anzukündigen. "Wer als Parteivorsitzender Schicksalswahlen verliert, muss als Parteivorsitzender die Konsequenzen ziehen", sagte Chatzimarkakis dem "Stern". Westerwelle habe die Doppelbelastung als Außenminister und Parteivorsitzender nicht überzeugend bewältigt.

Brüderle und Homburger halten an Ämtern fest

Die FDP-Führung gibt sich wegen der Debatte über Westerwelle nicht alarmiert: Das sei Teil der gewünschten Diskussion über die politische und personelle Erneuerung der Partei nach den verheerenden Wahlniederlagen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Am 11. April wollen Parteiführung und Landesvorsitzende konkrete Vorschläge machen. Sie sollen aber die Entscheidungen des Wahlparteitags der FDP Mitte Mai nicht zu sehr einschränken, heißt es. Mit Kampfabstimmungen sei zu rechnen.

Lindner steht nicht für den Parteivorsitz bereit, heißt es in Berlin.

Lindner steht nicht für den Parteivorsitz bereit, heißt es in Berlin.

(Foto: dapd)

Wirtschaftsminister Rainer Brüderle aus Rheinland-Pfalz und die Bundestags-Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger haben bereits bekräftigt, dass sie ihre Spitzenämter in Berlin behalten wollen. Brüderle ist auch Partei-Vize, Homburger gewähltes Präsidiumsmitglied. Frei werden im FDP-Präsidium das Schatzmeister-Amt, weil Hermann Otto Solms nicht mehr antritt, und der Vize-Parteivorsitz von Andreas Pinkwart. Der frühere NRW-Landeschef strebt eine Hochschulkarriere an.

Nach den bisherigen Plänen soll Rösler stellvertretender Parteichef werden, während der neue NRW-Landeschef Daniel Bahr für ein Amt im Präsidium kandidieren wird. Als Schatzmeister ist Patrick Döring aus Hannover im Gespräch. Er zählt ebenfalls zu den Erneuerern in der Partei.

Auch der hessische Landesvorsitzende Jörg-Uwe Hahn strebt in das Führungsgremium. Er zählt zu den scharfen Westerwelle-Kritikern. Partei-Vize Cornelia Pieper will nur dann auf eine Wiederwahl verzichten, wenn ein Vertreter der Ost-FDP einen sicheren Platz an der FDP-Spitze bekommt.

"Lindner hat eine breite Mehrheit in der Partei"

Vorstandsmitglied Jorgo Chatzimarkakis, einer der Wortführer der Linksliberalen in der Partei, warb in verschiedenen Medien für Lindner als Nachfolger Westerwelles. "Lindner hat eine breite Mehrheit in der Partei", sagte Chatzimarkakis dem "Berliner Kurier". Im Magazin "Stern" sagte er über Lindner: "Er kettet sich nicht sklavisch an die Union, wie es Westerwelle getan hat."

Der Bundestagsabgeordnete Lars Friedrich Lindemann sagte: "Die Führungsfrage stellt sich ganz klar an der Spitze der Partei. Guido Westerwelle muss sich seiner Verantwortung jetzt stellen." Den Rückzug Westerwelles vom Parteivorsitz fordern zudem Landesverbände der Jungliberalen. Auch Brüderle und Pieper seien nicht mehr tragbar. Der Chef der Saar-FDP-Landtagsfraktion, Christian Schmitt, forderte Westerwelle auf, sein Außenminister-Amt abzugeben und als Parteichef auch den Fraktionsvorsitz zu übernehmen.

"Keine ausdrücklichen Festlegungen in den Gremien"

Auch Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger schloss einen Rückzug Westerwelles vom Amt des FDP-Bundesvorsitzenden nicht aus. Die Frage, ob er nach den Wahlniederlagen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz als Parteichef weitermachen könne, gehöre "in den Kreis unserer Gesamtüberlegungen für ein Personaltableau", sagte sie der "Passauer Neuen Presse". Es habe aber bisher keine ausdrücklichen Festlegungen in den Gremien gegeben.

Der frühere FDP-Bundesinnenminister Gerhart Baum sieht seine Partei in einer "Existenzkrise". "Es droht eine Veränderung des deutschen Parteiensystems. Die FDP droht an den Rand geschoben zu werden", sagte er der ARD. Die Grünen "verdrängen die FDP als traditionell liberale Partei, ohne so konsequent liberal zu sein", sagte Baum.

Im wöchentlichen Wahltrend von "Stern" und RTL, der noch vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz erhoben wurde, verbesserten sich die Grünen um einen Punkt auf 21 Prozent. Die FDP klebt wie seit Monaten an der 5-Prozent-Grenze.

Quelle: ntv.de, mli/dpa/rts

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