Weitere Konsequenzen in der Krim-Krise angedroht EU verhängt weiche Sanktionen gegen Russland
06.03.2014, 18:55 Uhr
Die deutsche Regierung unter Kanzlerin Merkel hofft noch auf den Verhandlungsweg.
(Foto: AP)
Während die USA mit Einreiseverboten und Kontosperrungen auf die Krim-Krise reagieren, schreckt die EU noch vor harten Maßnahmen zurück. Sie setzt jedoch Verhandlungen aus und droht wirtschaftliche Konsequenzen an, sollte Russland keine Zugeständnisse machen. Auf der Krim werden derweil Fakten geschaffen.

Polens Premier Donald Tusk, Frankreichs Präsident Francois Hollande, der britische Premier David Cameron, Kanzlerin Merkel und der italienische Regierungschef Matteo Renzi (v.l.) nahmen unter anderem am Gipfel in Brüssel teil.
(Foto: REUTERS)
Die Europäische Union hat im Zuge der Krim-Krise erste Strafmaßnahmen gegen Russland verhängt. Die Verhandlungen über Visa-Erleichterungen sowie über das neue Grundlagenabkommen werden ausgesetzt, teilte EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy nach dem EU-Gipfel in Brüssel mit. Zudem würden die Vorbereitungen für das G8-Treffen in Sotschi ausgesetzt. Weitere, härtere Sanktionen seien in dem Drei-Stufen-Schritt angedacht, sagte Van Rompuy.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte in Brüssel, wenn Russland weiter Destabilisierungsmaßnahmen wie militärische Aktionen auf der ukrainischen Halbinsel Krim unternehme, werde es zu einer weitreichenden Veränderung der Beziehung zu Russland kommen. Das könne wirtschaftliche Konsequenzen bedeuten. "Wir wünschen uns das nicht", betonte Merkel. Auf Nachfrage wollte sie die möglichen wirtschaftlichen Maßnahmen gegen Russland nicht konkretisieren.
"Große Bandbreite an Wirtschaftssanktionen"
Die nun beschlossenen Sanktionen gelten als weiche Konsequenzen. Die Verhandlungen über die beiden genannten Abkommen kommen seit Jahren ohnehin kaum voran. Die EU ist in der Frage gespalten. Die osteuropäischen Staaten, die sich von Russland bedroht fühlen, fordern härtere Maßnahmen gegen Moskau, während Deutsche, Niederländer und Österreicher noch zögern. Im Vorfeld des Gipfels hatte Außenminister Frank-Walter Steinmeier davor gewarnt, mit Sanktionen die Möglichkeit diplomatischer Lösungen zu verbauen.
Van Rompuy sagte allerdings, die EU erwäge Einreiseverbote und Kontensperrungen, falls Moskau sich weiterhin Gesprächen mit den ukrainischen Behörden verweigere. "Weitere Schritte zur Destabilisierung hätten enorme Konsequenzen, die auch eine große Bandbreite an Wirtschaftssanktionen umfassen könnten", ergänzte er. Zudem droht die EU damit, den nächsten geplanten Gipfel mit Russland abzusagen. Zur Unterstützung der Ukraine kündigte Van Rompuy an, den politischen Teil des geplanten Assoziierungsabkommen mit der Ukraine noch vor dem 25. Mai zu unterzeichnen.
Bei einem Außenminister-Treffen am Mittwochabend in Paris, an dem auch der russische Ressortchef Sergej Lawrow beteiligt war, hatte man sich nicht auf die Bildung einer Kontaktgruppe zur Beilegung der Krim-Krise einigen können. Auch ein erneutes Treffen Lawrows mit US-Außenminister John Kerry in Rom brachte keinen Durchbruch.
Russland zum Rückzug aufgefordert
Zudem hält die EU das vom Krim-Parlament angesetzte Referendum über einen Beitritt der Halbinsel zu Russland für "illegal", sagte Merkel. Die geplante Volksabstimmung sei "nicht mit der ukrainischen Verfassung vereinbar". Von der Regierung in Moskau verlangt die EU, umgehend die Truppen von der Krim abzuziehen und den Einsatz internationaler Beobachter zuzulassen. Nach dem Beschluss des Krim-Parlaments sollen sich die Bürger am 16. März zwischen einer verstärkten Autonomie und einer künftigen Zugehörigkeit zu Russland entscheiden.
Zuvor hatten bereits die USA erste Sanktionen gegen Russen und Ukrainer beschlossen. US-Präsident Barack Obama habe Strafmaßnahmen gegen Personen und Einrichtungen angeordnet, die die USA für ein Untergraben der demokratischen Institutionen in der Ukraine für verantwortlich halten, teilte das US-Präsidialamt mit. Konkret ging es um Einreiseverbote und Kontosperrungen. Namen wurden jedoch nicht genannt.
Obama rief Russland dazu auf, die Gelegenheit zu nutzen und die Krise durch "direkten und unmittelbaren Dialog" mit der Regierung in Kiew beizulegen und russische Truppen zurück auf ihre Stützpunkte zu beordern.
Ein "flexibles Instrument"

Auf der derzeit stattfindenden Tourismusbörse in Berlin wirbt ein ukrainischer Stand mit dem Reiseziel Krim.
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Die Sanktionen betreffen jedoch nicht Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Das sagte ein hochrangiger US-Regierungsvertreter. Es sei ein "seltener und außergewöhnlicher Fall", direkte Sanktionen gegen einen Staatschef zu verhängen. Die USA würden ihre Strafmaßnahmen nicht mit solch einem Schritt beginnen.
Die USA behielten sich je nach Entwicklung der Lage auf der ukrainischen Halbinsel Krim weitere Schritte vor. Die Anordnung sei ein "flexibles Instrument", um diejenigen zu sanktionieren, die direkt an der Militärintervention auf der ukrainischen Halbinsel Krim beteiligt seien, führte das Weiße Haus aus.
Zuvor hatte Washington bereits Handelsgespräche mit Moskau und die Vorbereitungen des G8-Gipfels in Sotschi abgebrochen sowie das gemeinsame militärische Engagement ausgesetzt. Zudem beorderte die US-Kriegsmarine ihren Zerstörer "USS Truxtun" auf den Weg ins Schwarze Meer. Die Verlegung des Schiffes für ein Manöver mit der rumänischen und bulgarischen Marine sei schon vor Beginn der Krim-Krise beschlossen worden, hieß es.
Verstoß gegen das Völkerrecht
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel sprach unterdessen in Moskau eine Stunde lang mit Putin über die aktuelle Lage. Der Vizekanzler warnte vor einer Eskalation und mahnte eine Verhandlungslösung an. Auch Spitzenvertreter der deutschen Wirtschaft wandten sich gegen Sanktionen gegen Russland. Der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, Eckard Cordes, warnte in der "Bild"-Zeitung vor Einbußen bei Geschäften mit Russland sowie vor Gefahren für Arbeitsplätze in Deutschland. Auch könne bei einer weiteren Eskalation eine Beschlagnahme ausländischen Vermögens in Russland drohen, sagte Cordes.
In den vergangenen Tagen hatten prorussische Kräfte auf der Halbinsel die Macht übernommen. Die prowestliche Führung in Kiew und die USA werfen Moskau vor, russische Soldaten hätten die Krim unter ihre Kontrolle gebracht. Russland weist den Vorwurf zurück und spricht von lokalen "Selbstverteidigungskräften". Kanzlerin Merkel warf Putin einen Verstoß gegen das Völkerrecht vor.
Das Krim-Parlament erklärte am Donnerstag den Austritt der Region aus der Ukraine und den Beitritt zu Russland. Über den Schritt sollen die Bewohner der Halbinsel am 16. März abstimmen, er trat nach Ansicht der Regionalregierung jedoch bereits in Kraft. In Russland wird an einer schnellen Aufnahme der Autonomen Republik gearbeitet. Die Interimsregierung in Kiew wies den Beschluss des Parlaments scharf zurück.
Quelle: ntv.de, mli/dpa/rts