Politik

Chaos-Tage in Cottbus und Dortmund "Eintrittskarten werden nicht verkauft"

Karl Nagel ist für die Internetseite "www.chaos-tage.de" verantwortlich. Der 40-Jährige war Mitglied in der Punkszene in den 80er Jahren und ist nach eigenem Bekunden inzwischen kein Punk mehr. n-tv.de hat ihn zu den angekündigten Chaos-Tagen in Dortmund und Cottbus befragt:

n-tv.de: Worin haben die Chaos-Tage ihren Ursprung?

Nagel: Die Chaos-Tage entstanden 1982 als Reaktion auf eine von der Polizei in Hannover geführte "Punker-Kartei". Damals trafen sich auch Leute, die sich nur als Punker verkleidet haben, um die bestehende Kartei mit Daten aufzufüllen. Ziel war es, die Kartei somit möglichst unbrauchbar zu machen. Im Laufe der Zeit hat sich das zu einem großen Treffen entwickelt.

n-tv.de: 1996 gab es Chaos-Tage mit bis zu 3.000 Teilnehmern. Können Sie einschätzen, wieviele in diesem Jahr zu erwarten sind?

Nagel: Das kann nun wirklich niemand sagen. Das ist eben der Kern der Chaos-Tage: Weder die Polizei, noch die Medien und nicht einmal die Punks selber wissen wieviele sich tatsächlich auf den Weg machen. Schließlich werden ja keine Eintrittskarten verkauft.

n-tv.de: Es gibt also kein "Organisationskomitee Chaos-Tage". Wer ruft sie denn aus, oder sagt man besser lädt dazu ein ?

Nagel: Auch hier gilt das Chaos-Prinzip. Wer Lust hat, setzt einen Aufruf ins Internet oder bastelt herkömmlich einen Flyer auf Papier und verteilt ihn. Das ist auch ein Grund, warum es in diesem Jahr zwei Aufrufe für unterschiedliche Städte gibt. Die übrigens ganz unterschiedlich auf die Ankündigungen reagieren. Während die Stadt Dortmund versucht das mögliche Ereignis zu verschweigen, hat Cottbus stark aufgerüstet und die Stadt zu einer Festung gemacht.

n-tv.de: Was halten Sie von der Strategie der Abriegelung?

Nagel: Naja, wenn da 2.000 Polizisten im Einsatz sind und viele Verweise ausgesprochen werden, kann man hinterher vielleicht sagen "Wir haben die Chaos-Tage verhindert ". Aber 2.000 Polizisten in der Stadt, ein regelrechter Ausnahmezustand und die BILD-Zeitung, die vom "schlimmsten Wochenende seit dem Krieg" schreibt, das ist doch auch schon Chaos, oder? Und da können sich nicht nur die Punks bestens drüber amüsieren...

n-tv.de: Wie sind die Chaos-Tage im vergangenen Jahr in Hannover verhindert worden?

Nagel: Die Behörden haben einfach behauptet, die Chaos-Tage fallen aus. Die Polizei hat das über die Medien geschickt lanciert. Die Punks saßen zu Hause vor dem Fernseher und haben gesehen: "Aha die Chaos-Tage fallen aus, dann fahren wir da nicht hin." Als dann doch 800 da waren und das über die Medien gemeldet wurde war es schon Sonntagabend und für die meisten zu spät.

n-tv.de: Kommen zu den Chaos-Tagen nur Punks?

Nagel: Das ist ein Anziehungspunkt für viele verschiedene Gruppen mit ganz unterschiedlichen Motiven. Von friedlichen Feiernden bis zu gewaltbereiten Hooligans ist so ziemlich alles vertreten.

n-tv.de: Herr Nagel, wir danken für das Gespräch.

Quelle: ntv.de

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