Radikalisiert durch TerrorvideosEinzeltäter immer gefährlicher

Auch wenn das Terrornetzwerk Al-Kaida geschwächt ist, gibt es keinen Grund zum Aufatmen. Nach Ansicht eines Terrorexperten wächst die Bedrohung durch islamistische Einzeltäter. Diese würden durch Propaganda-Videos und regelrechte dschihadistische "Gassenhauer" radikalisiert.
Bei der Radikalisierung
islamistischer Einzeltäter spielen und Musik nach Einschätzung
eines Terrorexperten eine enorm wichtige Rolle. "Ihre Bedeutung ist kaum überzubetonen",
sagte Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Dies zeige etwa der islamistisch angestachelte
Attentäter vom Frankfurter Flughafen, der an diesem Donnerstag wegen
zweifachen Mordes und dreifachen Mordversuchs verurteilt werden soll. Nach der Schwächung
des Terrornetzwerks Al-Kaida wachse die Bedrohung durch solche "führerlosen
Aktionen".
"Für die Dschihadisten
ist der Einzeltäter besonders interessant, weil er so erfolgreich war und sie nichts
investieren müssen: kein Geld, keine Reise, kein Training", sagte Steinberg.
"Ein großer Sprengstoffanschlag erfordert in der Regel eine professionelle
Ausbildung. Das kann man nicht übers Internet lernen."
Arid Uka hörte dschihadistische Gesänge
hatte am 2. März
2011 zwei US-Soldaten erschossen und zwei andere lebensgefährlich verletzt, weil
sie auf dem Weg nach Afghanistan waren. Als er auf einen fünften Amerikaner zielte,
versagte seine Pistole. "Auslöser dieses ersten vollendeten islamistischen
Anschlags auf deutschem Boden war ein solches Propaganda-Video aus dem Internet",
betonte Steinberg. Und auf dem Weg zum Tatort hörte der 21-Jährige dschihadistische
Gesänge. "Da sind richtige Gassenhauer darunter, die sich ins Gedächtnis einbrennen,
wenn man dafür empfänglich ist."
In dem die Tat auslösenden
Video geht es um die Vergewaltigung einer Muslimin durch US-Soldaten. Die Szene
stammt zwar aus dem preisgekrönten amerikanischen Spielfilm "Redacted"
(2007) von Brian De Palma. Sie sei aber in einen Propagandafilm der Islamischen
Bewegung Usbekistans eingebettet gewesen, sagte Steinberg. Uka hielt die Vergewaltigung
für eine Dokumentation, reagierte geschockt, konnte sich nicht mehr beruhigen und
fuhr am nächsten Morgen - bewaffnet - und mit dem Gefühl, "ich muss etwas tun",
zum Flughafen.
"Solche Radikalisierungsprozesse
sind bei Einzeltätern kaum zu kontrollieren", sagte Steinberg. "Bei solchen
Einzeltätern ist es für die deutschen Behörden sehr, sehr schwer, rechtzeitig zu
intervenieren."