"Politischer Exorzismus" Entscheidung zu Clement
23.11.2008, 12:30 UhrVor der möglicherweise entscheidenden Sitzung der SPD-Bundesschiedskommission wächst die Rückendeckung für den vom Parteiausschluss bedrohten Ex-Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement. Nach Parteichef Franz Müntefering sprachen sich auch andere Sozialdemokraten für den ehemaligen stellvertretenden SPD-Bundesvorsitzenden Clement aus. Erwartet wird, dass die dreiköpfige Bundesschiedskommission am Montag in Berlin keinen SPD-Ausschluss gegen den 68-Jährigen beschließt.
Clement wird parteischädigendes Verhalten vorgeworfen, weil er eine Woche vor der hessischen Landtagswahl im Januar indirekt vor einer Stimmabgabe für SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti gewarnt und die energiepolitischen Pläne der Hessen-SPD scharf kritisiert. Der ehemalige Wirtschaftsminister gehört mehreren Aufsichtsräten an, unter anderem dem der RWE-Kraftwerkstochter RWE Power AG. Er ist außerdem Chef des "Adecco Institute", das der gleichnamigen Zeitarbeitsfirma gehört und Diskussionen "über das große Thema Arbeit" wissenschaftlich begleiten soll. Clement ist weiterhin Mitglied des Konvents für Deutschland, einer Initiative, die "Vorschläge zur Verbesserung der Reformfähigkeit in unserem Lande" unterbreiten will.
Ortvereine pochen auf Ausschluss
Nach der Wahl in Hessen hatte der SPD-Ortsverein Bochum-Hamme, wo Clement Mitglied ist, das Ausschlussverfahren ins Rollen gebracht. Der Vorsitzende des Ortsvereins, Rudolf Malzahn, forderte Clement erneut auf, seinen "Aufruf zur Nichtwahl der SPD" vor der hessischen Landtagswahl zurückzunehmen. "Da bleiben wir standhaft", sagte Malzahn der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung". Clement ist seit 1970 SPD-Mitglied. Insgesamt sieben SPD-Untergliederungen hatten verlangt, den ehemaligen nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten wegen "parteischädigenden Verhaltens" aus der Partei auszuschließen. In einer Erklärung am 7. August hatte Clement lediglich Bedauern über die Auswirkungen seines Zeitungskommentars vor der Hessen-Wahl ausgedrückt, von seiner Ablehnung des Atomausstiegs war er aber nicht abgerückt.
Müntefering will Ausschluss verhindern
Müntefering will nach Informationen des Magazins "Focus" am Montag an der Sitzung teilnehmen, um den Ausschluss Clements zu verhindern. Er hatte sich bereits Ende Juli für einen Verbleib Clements in der Partei ausgesprochen. Der Ex-Bundeswirtschaftsminister selbst werde zur Sitzung nicht kommen. Clements Rechtsbeistand, der Ex-Innenminister Otto Schily (SPD), werde vor dem Gremium eine Erklärung abgeben, die inhaltlich mit Clements Aussage vom August übereinstimme, schreibt das Magazin.
Unterstützung für Clement kam auch vom wirtschaftspolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Wend: "Wolfgang Clement ist ein überzeugter Sozialdemokrat. Wir brauchen ihn dringend in unseren Reihen", sagte Wend der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung".
"Politischer Exorzismus"
Der ehemalige SPD-Vorsitzende Rudolf Scharping warnte eindringlich vor einem Ausschluss Clements, aber auch der vier hessischen SPD-Abweichler, die die Wahl Ypsilantis zur Ministerpräsidentin einer rot-grünen Minderheitsregierung mit Tolerierung der Linken verhindert hatten. Wenn "rausgeworfen werden soll, wer seine Meinung äußert oder eine Gewissensentscheidung trifft", sei das "politischer Exorzismus", der die Volkspartei SPD gefährde, sagte Scharping der "Bild am Sonntag".
Quelle: ntv.de