Politik

Parlamentarierin San Suu Kyi Erfüllt sie die Erwartungen?

Die Partei San Suu Kyis hat nur 37 von 440 Sitzen im Parlament.

Die Partei San Suu Kyis hat nur 37 von 440 Sitzen im Parlament.

(Foto: picture alliance / dpa)

Sie ist die Ikone des Widerstands gegen das Militärregime in Birma. Doch mit der Wahl ins Parlament steht San Suu Kyi vor einer veränderten Realität – sie muss sich konkreten Problemen im Land widmen. Zu viele Kompromisse könnten die riesigen Erwartungen ihrer Anhänger enttäuschen.

Als ewiger Stachel im Fleisch der birmanischen Militärjunta hat Birmas Freiheitsikone Aung San Suu Kyi die ganze Welt bewegt. Trotz der mehr als 20 Jahre Verfolgung mit 15 Jahren Hausarrest ist sie ihren Prinzipien stets treu geblieben: Unnachgiebig hat sie Freiheit für das ganze Volk gefordert.

"Suu Kyi steht mit Nelson Mandela, Martin Luther King Jr, Mahatma Gandhi und dem Dalai Lama in der Ruhmeshalle derjenigen, die ihr Leben der Freiheit verschrieben haben", schrieb Jesper Bengtsson kürzlich in einer Biografie. Jetzt sitzt sie im Parlament. Suu Kyi muss sich erstmals in den Niederungen der Politik beweisen.

Auf der zierlichen Politikerin liegen immense Erwartungen. Die Menschen haben Jahrzehnte politischer Drangsalierung, Bevormundung, und Misswirtschaft hinter sich. "Suu Kyi wird nicht nur unser Leben sondern das aller Menschen im Land verbessern", sagte ein Teehausbesitzer in ihrem Wahlkreis Kawhmu vor der Nachwahl.

Veränderte Realität: raue Realpolitik für Kyi

Wie die 66-jährige das mit ihrer Handvoll Mitstreitern - ihre "Nationalliga für Demokratie" (NLD) hat 37 von 440 Sitzen im Unterhaus - bewerkstelligen soll, ist unklar. "Suu Kyi wird nicht mehr die heilige Hüterin der Flamme demokratischer Sehsüchte sein, sondern eine Akteurin in der Welt rauer Realpolitik", schreibt Neil Lawrence im Exil-Magazin "Irrawaddy".

"Die NLD könnte den Wandel von einer Dissidenten- zu einer Parlamentspartei unbequem finden", schreibt Gastdozent Kyaw San Wai an der Singapurer Nanyang Technological-Universität. "Suu Kyi könnte einerseits ein Katalysator werden, der die Demokratisierung vorantreibt, oder sie könnte auch durch komplizierte Regularien und eine wenig kooperative Regierungspartei festgenagelt werden."

Sie hat viel versprochen

Suu Kyi hat im Wahlkampf hehre Ziele verkündet: Aussöhnung mit allen Minderheiten, starke Institutionen, Recht und Ordnung und eine Änderung der Verfassung, um die Militärmacht zurückzudrängen. Gerade in den letzten Punkten ist ihr der Widerstand im Parlament sicher. "Die NLD ist an einem Scheideweg", schreibt der birmanische Politologe Tin Maung Maung Than für das Institut East-West Center in Hawaii. Differenzen mit Präsident Thein Sein "kommen früher oder später, wenn die NLD ihre eigene politische Agenda verfolgt."

Thein Sein hat sich in den vergangenen Monaten zwar als Reformer einen Namen gemacht, aber er ist ein alter Mann des Militärs. Der Ex-General war Regierungschef unter der Junta. Das Militär bestimmt die Geschicke Birmas seit 1962. Die Junta, die mit den wenig fairen Wahlen 2010 eine vorsichtige Öffnung begann, sorgte dafür, dass das Militär und die von ihm als Massenorganisation gegründete Partei USDP mehr als 80 Prozent der Sitze halten. Unwahrscheinlich, dass diese Leute ihre eigene Dominanz beschneiden wollen. 75 Prozent der Stimmen sind für eine Verfassungsänderung nötig.

"Enttäuschung ist unvermeidbar"

"Seit dem Wahlergebnis vom 1. April können sich pensionierte und aktive Generäle ausrechnen, dass ein Beibehalten des demokratischen Reformkurses bei den nächsten Wahlen 2015 zu ihrem Machtverlust führen wird", schreibt die Naumann-Stiftung. "Im Lager der Hardliner dürfte die ziemlich sichere Aussicht auf Machtverlust Demokratie- Skepsis bzw. -Ablehnung verstärken. Möglicherweise sehen Hardliner jetzt Handlungsbedarf und streben ein wie auch immer geartetes Bremsen der Demokratisierung an, schlimmstenfalls einen coup d'état" (Staatsstreich).

Dem Volk brennen zudem viel mondänere Probleme unter den Nägeln: Bildung, Gesundheitsversorgung, Stromversorgung, chinesische Megabauprojekte, Landenteignungen. Suu Kyi hat im Wahlkampf wenig Konkretes zu diesen Themen gesagt. "Wird sie enttäuschen? Das ist praktisch unvermeidbar", schreibt Lawrence im Magazin "Irrawaddy". "Aber die meisten Birmanen wissen, dass die NLD ihre beste Hoffnung ist, um das Land voranzubringen."

Quelle: ntv.de, von Christiane Oelrich, dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen