Nur eine von sechs Bomben explodiert "Ernster Terrorakt" in Stockholm
12.12.2010, 21:28 Uhr
Eine Überwachungskamera filmte die Explosion des Autos.
(Foto: AP)
In Deutschland wird vor solch einem Szenario gewarnt, in Stockholm wird es blutige Realität: Mitten im weihnachtlichen Einkaufstrubel sprengt sich ein Selbstmordattentäter in die Luft, wobei nur eine von sechs Bomben zündet. Die Polizei spricht von einem "sehr ernsten Terrorakt". Weder in Schweden noch in Deutschland wird die Gefahrenstufe verändert.
Mitten in der Vorweihnachtszeit ist die schwedische Hauptstadt Stockholm nur knapp einem verheerenden Bombenanschlag entgangen. Der mutmaßliche Attentäter kam bei einer Explosion in der Innenstadt am Samstagnachmittag ums Leben, bei der aber offenbar nicht alle Bomben zündeten. Kurz zuvor war ein weiterer Sprengsatz in einem Auto detoniert. Die Behörden gehen von einem Terroranschlag aus. Mehrere Passanten wurden verletzt. Möglicherweise steht die Tat mit dem Einsatz schwedischer Truppen in Afghanistan und dem Abdruck von Mohammed-Karikaturen in Zusammenhang. Eine entsprechende Drohmail ging kurz vor der Tat bei der Nachrichtenagentur TT ein.
Der schwedische Außenminister Carl Bildt sprach von einem sehr besorgniserregenden Versuch eines Terroranschlags. "Das hätte wirklich katastrophal enden können." Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt rief die Schweden zur Ruhe auf. Werte wie Toleranz und Offenheit dürften nicht erschüttert werden. Kurz vor Reinfeldts Erklärung nahm die Polizei einen Mann fest, der in der Nähe seines Amtssitzes mit einer Axt hantierte.
Sechs Bomben sollten explodieren
Die Polizei bestätigte zunächst nicht, dass es sich bei dem am Samstag getöteten Mann um einen Selbstmordattentäter handelte. Auch die Motive und die Identität waren unklar. Nach einem Bericht des Fernsehsenders SVT könnte es sich um einen 29-jährigen Mann aus der südschwedischen Kleinstadt Tranas handeln. Der Zeitung "Aftonbladet" zufolge hatte der Mann sechs Rohrbomben bei sich, von denen aber nur eine explodierte. Sein Rucksack sei mit Nägeln und mutmaßlich explosivem Material gefüllt gewesen. Ein Rettungssanitäter sagte dem Blatt "Dagens Nyheter": "Es sieht so aus, als ob der Mann etwas getragen hat, das in seinem Bauch explodiert ist." Anliegende Geschäfte seien nicht beschädigt worden. Der Mann habe ein Palästinenser-Tuch im Gesicht getragen.
Der Einsatzleiter der Sicherheitspolizei Säpo, Anders Thornberg, erklärte, es gebe in dem Fall gute Hinweise. Derzeit sehe es so aus, als ob der Mann auf eigene Faust gehandelt habe. Es werde jedoch auch untersucht, ob es mehrere Täter gebe.
Keine Änderung der Gefahrenstufe
Weder in Schweden noch in Deutschland wurde die Gefahrenstufe verändert. Das Bundesinnenministerium teilte mit, der Anschlag habe keinen Bezug zu Deutschland. Das Bundeskriminalamt arbeite eng mit den schwedischen Ermittlungsbehörden zusammen. Außenminister Guido Westerwelle sprach in einer Mitteilung von einem Selbstmordattentat. "Angriffe wie dieser machen deutlich, dass wir nicht nachlassen dürfen in unserem Engagement gegen den Terrorismus."

Offiziell werden die Gefahrenstufen weder in Deutschland noch in Schweden erhöht.
(Foto: dpa)
In den vergangenen Monaten hatte es immer wieder Befürchtungen gegeben, dass Anschläge in Europa begangen werden könnten. Die US-Regierung warnte ihre Bürger vor Reisen. Zudem versuchte ein Al-Kaida-Ableger aus dem Jemen, Paketbomben per Luftfracht über Europa in die USA zu schicken. "In anderen europäischen Hauptstädten sollte man sich über die Tatsache Sorgen machen, dass dies kurz vor Weihnachten passiert", warnte Claude Moniquet, Chef des Europäischen Geheimdienst- und Sicherheitszentrums aus Brüssel. "Das könnte ein Signal an andere potenzielle Extremisten sein, zu dieser Zeit zuzuschlagen."
In Stockholm fing am Samstag gegen 16.00 Uhr zunächst ein Auto nahe einer belebten Einkaufsstraße an zu brennen. Wenig später kam es darin zu mehreren Explosionen, die der Polizei zufolge durch in Kanister abgefülltes Gas ausgelöst wurden. 10 bis 15 Minuten später und rund 300 Meter entfernt sprengte sich offenbar der mutmaßliche Selbstmordattentäter in die Luft. Auf Fernsehbildern waren Menschen zu sehen, die in Panik flüchteten. Die Polizei sperrte das Gelände weiträumig ab. Noch Stunden später lag die Leiche, verhüllt mit einem weißen Tuch, auf dem Pflaster. Im Rest der Hauptstadt blieb es ruhig. Am Samstagabend gingen viele Stockholmer wie gewohnt aus.
"Dem schwedischen Volk Angst machen"
Die Nachrichtenagentur TT erhielt einem eigenen Bericht zufolge etwa zehn Minuten vor den Explosionen eine E-Mail, in der das Land wegen seiner Unterstützung des Nato-Einsatzes in Afghanistan bedroht wurde. Die mit der Mail verschickte Ton-Aufnahme sei auch an die Sicherheitspolizei adressiert gewesen, meldete TT. Der Regierung in Stockholm wird darin ein Krieg gegen den Islam vorgeworfen. Zudem wird Schweden für Mohammed-Karikaturen des heimischen Zeichners Lars Vilks kritisiert. Wie der dänische Karikaturist Kurt Westergaard ist auch Vilks wiederholt wegen seiner Zeichnungen bedroht wurden. Vilks sagte vor Journalisten, er fühle sich sicher. Der Anschlag habe dem schwedischem Volk Angst machen sollen und nicht ihm.
Im Mai wurde ein Brandanschlag auf Vilks' Haus verübt, im März ein US-Bürger wegen der Planung eines Attentats auf ihn angeklagt. Vilks stellte den Propheten im Jahr 2007 mit dem Körper eines Hundes dar. Der Islam lehnt Bilder seines Religionsstifters ab.
Schweden hat etwa 500 Soldaten in Afghanistan im Einsatz, vor allem im Einsatzgebiet der Bundeswehr. Die Bundesregierung warnte Mitte November vor Anschlägen radikaler Muslime in Deutschland und hat die Sicherheitsvorkehrungen im ganzen Land verschärft.
Quelle: ntv.de, rts