Missverständnis zwingt FDP Debatte auf Erst Sexismus, dann Rassismus?
07.02.2013, 16:58 Uhr
Jörg-Uwe Hahn (l.) und Philipp Rösler (r.).
(Foto: picture alliance / dpa)
Ist die deutsche Gesellschaft wirklich bereit für einen Vizekanzler, der asiatisch aussieht? Diese Frage wirft der FDP-Politiker Jörg-Uwe Hahn auf. SPD und Linke sind empört, werfen dem Präsidiumsmitglied "Rassismus in Reinkultur" vor. Den Liberalen droht nun schon wieder eine für sie unbequeme Debatte.
Die Vorwürfe gegen den FDP-Politiker Jörg-Uwe Hahn sind massiv: Die SPD spricht von einer "stillosen Entgleisung", die Linke von einem Griff "in die allerunterste Schublade des politischen Machtkampfes". Der Vorsitzende Bernd Riexinger gar von "Rassismus in Reinkultur". Bei den Liberalen kehrt auch nach den erbitterten Führungskämpfen und den peinlichen Sexismus-Vorwürfen keine Ruhe ein.
Was ist geschehen? Das FDP-Präsidiumsmitglied Hahn sagte in einem Interview mit der "Frankfurter Neuen Presse": "Bei Philipp Rösler würde ich allerdings gerne wissen, ob unsere Gesellschaft schon so weit ist, einen asiatisch aussehenden Vizekanzler auch noch länger zu akzeptieren." Muss sich die gebeutelte Partei jetzt auch noch einer Rassismusdebatte stellen?
Kurz nachdem das Interview erschienen war, verbreitete sich das Zitat Hahns in ganz Deutschland. Und nicht nur die Opposition empört sich nun über den scheinbar kruden Angriff des 56-Jährigen auf seinen Parteivorsitzenden. Erschwerend für Hahn kommt hinzu, dass er ausgerechnet Integrationsminister in Hessen ist. Ein Skandal?
Zitat aus Zusammenhang gerissen
Keineswegs. Das Zitat wird aus dem Zusammenhang gerissen. Sollte sich daraus wieder eine unangenehme Debatte für die Liberalen entspinnen, was angesichts der prekären Lage der Partei und der großen Schar der Kritiker wahrscheinlich erscheint, die Debatte wäre Unrecht. Zumindest, wenn die FDP dabei wieder einstecken müsste.

Hahn bezweifelt, dass Entwicklungsminister Niebel nach dem Sonderparteitag der Liberalen im März noch eine Rolle im Präsidium spielen wird.
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Der wirklich beachtenswerte Satz in jenem Interview steht vor der vermeintlich rassistischen Attacke auf den Parteivorsitzenden und Vizekanzler. Auf die Frage "Ist die Debatte um Rösler beendet?" antwortet Hahn: "Ja. Wir werden sicherlich noch eine kleine Personaldebatte bekommen über die Frage der Besetzung des FDP-Präsidiums auf Bundesebene auf dem Sonderparteitag Anfang März. Also, ob Herr Niebel und Herr Kubicki nochmal eine Rolle spielen." Hahn greift hier deutlich die größten Kritiker Röslers an, den Entwicklungsminister der FDP und den liberalen Landeschef in Schleswig-Holstein. Beide stellten Rösler vor der Niedersachsenwahl in Frage. Hahn droht gar mit einer Abrechnung mit den beiden. Das ist brisant.
Hahn will Niebel und Kubicki absägen
Erst dann folgt sein umstrittener Satz über Rösler. Und der klingt vor diesem Hintergrund ziemlich harmlos. Nach der Niebel-Kubicki-Schelte ist klar, dass Hahn hinter Rösler steht. Er hat kein Problem damit, dass der deutsche Vizekanzler asiatisch aussieht. Ihn treibt nur das für einen Integrationsminister vollkommen gerechtfertigte Interesse um, ob es auch die Mehrheit der Gesellschaft so sieht. Ganz so, wie sich ganz Deutschland 2008 fragte, ob die Vereinigten Staaten bereit sind für einen schwarzen Präsidenten.
Rassismus könnte man Hahn nur in einem Punkt vorwerfen: Röslers Aussehen ist in seiner Wahrnehmung offenbar eine Kategorie, die sich mit seinen politischen Erfolgsaussichten in Verbindung bringen lässt. Nur kann man das Hahn kaum ankreiden. Schließlich lebt er in einer Gesellschaft, in der der allergrößte Teil der Menschen die Welt noch so wahrnimmt. Leider.
Debatte trotzdem bitter nötig
Um die Rassismus-Debatte kommen die Liberalen wohl trotzdem nicht herum. Denn durch Hahns unglücklichen Satz dringt vermutlich ein Thema an die Öffentlichkeit, das es, besonders in Bezug auf Philipp Rösler, tatsächlich Wert ist, in eine Debatte einzugehen.
Hahn hin und her – Rösler ist wiederholt Opfer rassistischer Attacken geworden. So sagte der FDP-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl und einst ärgster Rivale Röslers, Rainer Brüderle, einmal: "Glaubwürdigkeit gewinnt man, indem man nicht wie Bambusrohre hin- und herschwingt, sondern steht wie eine Eiche." Er fügte hinzu: "Deswegen ist die Eiche hier heimisch und nicht das Bambusrohr." Allen war klar, wen er damit meinte. Doch die Angriffe beschränken sich hier bei Witem nicht auf Parteikollegen.
Das jüngste Beispiel: Auf dem Dreikönigstreffen im Januar sprang ein Mitglied der SPD-Jugendorganisation Jusos vor die Bühne, als der FDP-Chef seine Rede hielt. Er rief: "Rösler, du bist ein Arschloch." Und er beschimpfte ihn als "Volksverräter". Wenig später veröffentliche der 19-Jährige eine Fotomontage auf seiner Facebook-Seite. Zu sehen war das ikonische Bild des südvietnamesischen Polizeichefs Nguyen Ngoc Loan, der 1968 einen Vietcong mit einem Kopfschuss tötete. Den Schützen versah der Juso mit Röslers Kopf.
Quelle: ntv.de