Politik

Schulden, Sparpaket und "Verräter" Es wird eng für Berlusconi

Zwei Abgeordnete verlassen die Partei des italienischen Regierungschefs Berlusconi. Damit scheint auch seine Amtszeit am Ende. Der Cavaliere jedoch verbreitet beim G20-Gipfel in Cannes Optimismus - und beschimpft die Überläufer. Italiens Präsident Napolitano fordert das Land zum Schulterschluss auf.

Die Tage Silvio Berlusconis als italienischer Ministerpräsident scheinen gezählt. Nach dem Austritt zweier Abgeordneter aus seiner Partei der Freiheit (PDL) hängt das politische Schicksal des 75-Jährigen am seidenen Faden. Berlusconi zeigte sich vom Zerrinnen seiner Parlamentsmehrheit unbeeindruckt und verkündete nach dem G20-Gipfel in Cannes, er wolle im Amt bleiben. Bei den Gesprächen am Rande des Gipfels der führenden Industrie- und Schwellenländern stimmte er in einem beispiellosen Schritt zu, die Reformbemühungen zum Abbau der immensen Schuldenlast zusätzlich zur EU auch vom Internationalen Währungsfonds (IWF) kontrollieren zu lassen.

Berlusconi wird wohl wieder eine Vertrauensabstimmung abhalten müssen.

Berlusconi wird wohl wieder eine Vertrauensabstimmung abhalten müssen.

(Foto: REUTERS)

In einem dramatischen Appell rief Präsident Giorgio Napolitano die Parteien zum Schulterschluss auf. Das Land durchlebe eine schwere Vertrauenskrise. Die notwendigen schmerzlichen Reformen bedürften einer breiten Zustimmung im Parlament. Die Regierung müsse die Reformen schnell umsetzen, die sie ihren europäischen Partnern zugesagt habe.

Die Zusagen Berlusconis werden angesichts der zunehmenden Revolte im eigenen Lager für sein politisches Überleben womöglich irrelevant werden. Die Risikoaufschläge für zehnjährige italienische Staatsanleihen stiegen am Nachmittag auf ein Rekordhoch von 463 Basispunkten, was den Druck auf die Regierung weiter erhöhte.

Berlusconi beschimpft Überläufer

Durch den Wechsel zweier PDL-Abgeordneter zur oppositionellen Zentrumspartei UDC verlor der in zahlreiche Sex- und Korruptionsaffären verstrickte konservative Regierungschef seine ohnehin knappe Mehrheit im Parlament. Er kann sich nur noch auf 314 von 630 Stimmen stützen. Zudem gibt es im Lager der Mitte-Rechts-Koalition mindestens sieben Abgeordnete, die eine neue Regierung fordern und sich bei der nächsten Abstimmung gegen den Medienmilliardär stellen könnten. "Die Mehrheit scheint wie ein Schneemann im Frühling zu schmelzen", kommentierte die Wirtschaftszeitung "Il Sole 24 Ore" die Entwicklung.

Selbst enge Gefolgsleute des Regierungschefs bezweifeln, dass sich der Cavaliere noch lange an der Macht halten kann. "Ich weiß nicht, wie viele Tage oder Wochen der Regierung noch bleiben", sagte Verteidigungs-Staatsekretär Guido Crosetto. Eine Regierung, die sich nur auf wenige Stimmen stützen könne, habe keine große Zukunft.

Berlusconi zeigte sich in Cannes zuversichtlich, seine Mehrheit und damit das Amt behalten zu können. Auch eine ins Gespräch gebrachte Regierung von Experten sei nicht notwendig. "Ich glaube, dass es dafür keine Notwendigkeit gibt, weil die Regierung über eine solide Mehrheit im Parlament verfügt", sagte der Ministerpräsident. Zudem könne niemand Italien so überzeugend im Ausland vertreten wie er. Die Überläufer bezeichnete Berlusconi als Verräter. Sie würden aber ins Lager der Koalition zurückkehren, sobald er mit ihnen gesprochen habe, sagte der Regierungschef.

IWF schaut jetzt genau hin

Berlusconi, der unverändert einer der einflussreichsten Männer Italiens ist, dürfte am Wochenende versuchen, sich eine neue Mehrheit im Parlament zu sichern. Er kündigte in Cannes an, die Abstimmung über ein Haushaltsgesetz mit der Vertrauensfrage zu verknüpfen. Dies soll innerhalb von 15 Tagen geschehen. Zuletzt warb er Mitte Oktober um das Vertrauen der Abgeordneten und erreichte bei der Abstimmung mit 316 gegen 301 Stimmen die absolute Mehrheit knapp.

Italien ist mit seinem Schuldenstand von 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nach Griechenland die nächste Schwachstelle in der Eurozone. Die drittgrößte Volkswirtschaft in der Gemeinschaftswährung ist indes zu groß für die bislang vereinbarten Rettungsmaßnahmen.

Um das Vertrauen der Finanzmärkte wiederzugewinnen, stimmte Berlusconi in Cannes zu, die Reformanstrengungen alle drei Monate auch vom IWF kontrollieren zu lassen. "Ich sehe das als Beweis dafür, wie wichtig Italiens Reformprozess für das Land und die gesamte Eurozone ist", sagte EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy sagte, Berlusconi wisse, dass die Märkte an der Umsetzung der Sparmaßnahmen zweifelten.

Lagarde: Italien hat kein Vertrauen

Das Reformprogramm sieht unter anderem eine Erhöhung des Rentenalters, Lockerungen am Arbeitsmarkt und Privatisierungen vor. Damit soll die seit Jahren anhaltende Wachstumsschwäche überwunden werden. Italien kämpft um das Vertrauen der Finanzmärkte. Zuletzt verlangten Anleger für Staatsanleihen mehr als sechs Prozent Zinsen. Will sich die Bundesrepublik Geld leihen, werden zurzeit weniger als zwei Prozent Zinsen fällig.

Die Probleme Italiens sind nach Ansicht des IWF durch einen Mangel an Glaubwürdigkeit zu erklären. IWF-Chefin Christine Lagarde sagte in Cannes, dies werde sowohl von der italienischen Regierung als auch ihren Partnern so gesehen. Den angekündigten italienischen Maßnahmen gegen die Krise fehle es an Glaubwürdigkeit, fügte sie hinzu.

Quelle: ntv.de, rts/dpa

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