Politik

Zwischen 1987 und 1999Explosionen in AKW

23.07.2007, 19:31 Uhr

In den Atomkraftwerken Brunsbüttel und Krümmel soll es in der Vergangenheit eine Reihe von Wasserstoffexplosionen gegeben haben. Das abgeschaltete Atomkraftwerk Brunsbüttel könnte unterdessen bald wieder Strom liefern. Und angesichts der hohen Strompreise erstaunlich: Obwohl sechs der 17 deutsche Meiler still stehen, gibt es keinen Versorgungsengpass.

In den Atomkraftwerken Brunsbüttel und Krümmel soll es nach Angaben der atomkritischen Ärzte-Organisation IPPNW in der Vergangenheit eine Reihe von Wasserstoffexplosionen gegeben haben. Nach der ersten im Mai 1987 im Kernkraftwerk Gundremmingen sei öffentlich vor solchen Störfällen gewarnt worden. Diese Warnung sei jedoch nicht hinreichend ernst genommen worden, erklärte IPPNW-Atomexperte Henrik Paulitz.

Laut IPPNW kam es im Mai 1987 in Gundremmingen zur Freisetzung radioaktiver Edelgase, weil ein Sicherheits- und Entlastungsventil des Siedewasserreaktors nicht habe geschlossen werden können. Später sei festgestellt worden, dass es auf Grund einer Wasserstoffexplosion zu Verformungen des Ventils gekommen sei. Am 30. Juli 1987 seien bundesweit alle Atomkraftwerksbetreiber, Gutachter und Atomaufsichtsbehörden förmlich vor derartigen Ereignissen gewarnt worden.

Dennoch ist es nach Angaben der Ärzte-Organisation im November 1987 in Krümmel und im September 1999 in Brunsbüttel zu ähnlichen Störfällen gekommen. Eine weitere Wasserstoffexplosion habe es im Dezember 2001 ebenfalls in Brunsbüttel gegeben.

Ein Sprecher des für die Atomaufsicht zuständigen schleswig-holsteinischen Sozialministeriums sagte, er könne sich nicht vorstellen, dass diese Vorfälle verschwiegen worden seien, zumal so genannte Weiterleitungsmeldungen des Bundesamtes für den Strahlenschutz der Öffentlichkeit zugänglich seien. Er bestritt zugleich den Vorwurf, dass aus dem Wasserstoff-Problem in Gundremmingen keine Konsequenzen gezogen worden seien: "Bei jeder Meldung wird geprüft, ob das auch woanders passieren kann", sagte der Sprecher. Daraus hätten sich technische Änderungen ergeben, die auch umgesetzt worden seien.

Keine Engpässe

Die Stromversorgung in Deutschland ist trotz des aktuellen Ausfalls von sechs der 17 Atommeiler nach Angaben der Branche gesichert. Es gebe keine Versorgungsengpässe, sagte ein Sprecher des Verbands der Elektrizitätswirtschaft (VDEW). Zugleich hielt die politische Debatte um die Zukunft der älteren Meiler an. In Niedersachsen führte die am Sonntag bekannt gewordene Störung im Kraftwerk Unterweser - dort war das Notkühlsystem falsch eingestellt - zu Streit über die Sicherheit.

In Brunsbüttel begannen Experten damit, im Sicherheitsbehälter die Befestigung der Wasser- und Dampfleitungen zu kontrollieren. Dafür sind laut Betreiber Vattenfall etwa drei Tage eingeplant. Hintergrund sind Mängel, die in der Verankerung von Rohrleitungen des Not- und Nachkühlsystems gefunden wurden. Bohrlöcher in mehreren Halterungsplatten waren zu groß. Für die Kontrollen im Sicherheitsbehälter musste das Kraftwerk komplett abgeschaltet werden. Bauexperten entdeckten am Montag nach Angaben des zuständigen Kieler Sozialministeriums nichts Gravierendes. "Eine abschließende Bewertung ist nicht vor Mittwochmittag möglich", sagte Ministeriumssprecher Oliver Breuer.

Auch der Reaktor in Krümmel liefert mindestens bis Ende August - dann ist der Abschluss der Revision vorgesehen - keinen Strom. In einem Gebäude mit zwei Notstrom-Dieselgeneratoren waren mehrere falsche Dübel gefunden worden. Die Reaktoren in Krümmel und Brunsbüttel waren nach Pannen am 28. Juni per Schnellabschaltung vom Netz gegangen. Dabei offenbarten sich nach und nach weitere Probleme, Vattenfall trennte sich von Spitzenmanagern in Deutschland.

SPD hinter Gabriel

Neben Krümmel und Brunsbüttel stehen bereits seit Monaten wegen Umbauarbeiten die hessischen Meiler Biblis A und B still. Zur jährlichen Revision wurden die Blöcke Unterweser und Isar 2 abgeschaltet. Die Meiler kommen nach Angaben des VDEW zusammen auf eine Netto-Leistung von 7269 Megawatt und decken damit über ein Drittel der gesamten Atomleistung (20.430 Megawatt) ab. Nach den Angaben werden durch europaweite Vereinbarungen Leistungsausfälle ausgeglichen. Außerdem greifen die Betreiber auf Reserven zurück oder kaufen Strom zu, um ihre Verpflichtungen zu erfüllen.

Die SPD-Spitze stellte sich in der Diskussion um eine vorgezogene Abschaltung älterer Atomkraftwerke hinter Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD). In der Telefonkonferenz des Parteipräsidiums habe es für Gabriels Kurs "einstimmige Rückendeckung" gegeben, sagte Generalsekretär Hubertus Heil in Berlin. Gleichzeitig sei man empört über das Verhalten der Energieversorger. Die Sicherheit müsse Vorrang haben vor kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Überlegungen.

"Zu keiner Zeit Gefährdung"

Im Atommeiler Unterweser bei Esenshamm war bei der jährlichen Überprüfung bemerkt worden, dass das Notkühlsystem falsch eingestellt war. Im Notfall hätte laut Umweltministerium einer der vier Stränge des Systems nicht die geforderte Kühlleistung erbracht. "Der Schaden ist behoben", sagte die Sprecherin des Umweltministeriums, Jutta Kremer-Heye "Zu keinem Zeitpunkt gab es eine Gefährdung der Bevölkerung und der Umwelt."

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) forderte einen schnelleren Ausstieg aus der Kernkraft als vorgesehen. "Mindestens die Pannenreaktoren Brunsbüttel, Krümmel sowie Biblis A und B können ohne Probleme abgeschaltet bleiben", sagte BUND- Atomexpertin Renate Backhaus.