Interview mit Peer Steinbrück "Gabriel deckt anderes Spektrum ab"
06.12.2011, 13:23 UhrAuf dem SPD-Parteitag in Berlin hat Ex-Finanzminister Peer Steinbrück nicht übermäßig viel Applaus für seine Rede bekommen. Bei den steuerpolitischen Beschlüssen orientierten die Delegierten sich an seinem Appell, die Starken nicht zu verprellen. Bei n-tv bekräftigt er, man dürfe nicht wie die jetzige Bundesregierung Steuersenkungen versprechen, "auf die man noch zusätzliche Zinsen zahlen muss".
n-tv: Ihre Rede ist bei den Delegierten gut angekommen. Werden Sie jetzt Kanzlerkandidat der Steuererhöhungspartei SPD?
Peer Steinbrück: Das ist mir ein bisschen zu platt. Wir sind hier nicht auf einer Sportveranstaltung und dieser Parteitag ist auch nicht alleine geprägt von der Steuerpolitik. Sie haben Herrn Schmidt gehört, Sie haben Herrn Steinmeier gehört, Sie haben insbesondere auch Herrn Gabriel gehört und Sie haben mich gehört. Da kann man schon den Kommentar geben, dass das ein ziemlich ernsthafter Parteitag gewesen ist, der sich mit vielfältigen Themen beschäftigt hat.
Die Erhöhung der Einkommenssteuer, so wie Sie sie wollen, träfe etwa 5 Prozent der Steuerzahler. Kommt da überhaupt genug Geld zusammen oder ist es am Ende doch nur Symbolpolitik?
Da kommt einiges zusammen, weil wir diesen erhöhten Einkommensteuersatz greifen lassen bei 100.000 Euro als Singles und 200.000 als Verheiratete. Das ist gegenüber der jetzigen Lösung mit 45 Prozent bei 250.000 oder 500.000 schon mehr. Aber man darf an dieser Schraube nicht unendlich drehen. Die SPD muss das Bündnis der Starken mit den Schwachen gewährleisten und man darf die Starken in ihrer Leistungswilligkeit nicht so provozieren und so verprellen, dass sie den Gesellschaftsvertrag und den Solidarvertrag aufkündigen.
Wie dick ist das sozialdemokratische Fell? In einem Wahlkampf mit dem Thema Steuererhöhung würden Sie wahrscheinlich ziemlich viel Prügel kriegen.
Ich bin schon wie der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude dafür, dass man auch selbstbewusst auftritt und sagt: Bei dieser Staatsverschuldung, bei diesem Defizit in der Bildungsfinanzierung - und Bildung ist der Schlüsselfaktor für vieles - darf man schon von den Leistungsstarken mehr verlangen als bisher. Man darf die Kapitaleinkünfte auch erhöhen, vor dem Hintergrund einer bemerkenswerten Absenkung, die mit der Abgeltungssteuer vollzogen worden ist. Das empfinde ich nicht als provozierend, sondern als angemessen. Man darf jedenfalls nicht Steuersenkungen versprechen oder in Gang setzen wie die jetzige Bundesregierung, auf die man noch zusätzliche Zinsen zahlen muss.
Sie gelten bei vielen als ein Mann, mit dem die SPD ein bisschen fremdelte und der vielleicht selbst mit der SPD ein bisschen fremdelt. Ist das jetzt anders nach diesem Parteitag?
Ich habe meiner eigenen Partei gesagt: Das Bekenntnis und der Rückzug allein auf das Parteiverträgliche und auf die Repräsentanten der SPD, die vielleicht die Wärmehalle der SPD ein bisschen mit bedienen - das mag einen notwendige Bedingung sein, um Wahlen zu gewinnen, eine hinreichende ist es nicht. Die hinreichende Bedingung ist, Wähler anzusprechen in den unterschiedlichsten sozialen und wirtschaftlichen Milieus, die dann erst Mehrheiten für die SPD hergeben. Und das kann die Partei durchaus in einer gewissen Arbeitsteilung. Sigmar Gabriel deckt ein anderes Spektrum ab als ich.
Mit Peer Steinbrück sprach Christoph Teuner
Quelle: ntv.de