Politik

"Wir sind im Zentrum von Brega" Gaddafis Truppen weichen zurück

Zerstörte Fahrzeuge der Gaddafi-Truppen säumen die Straße zwischen  Adschdabija und Brega.

Zerstörte Fahrzeuge der Gaddafi-Truppen säumen die Straße zwischen Adschdabija und Brega.

(Foto: dpa)

Die libyschen Rebellen machen an Boden gut. Nach Adschdabija rücken sie auch in der Stadt Brega ein. Die Truppen von Machthaber Gaddafi ziehen sich weiter nach Westen zurück; die Rebellen bewegen sich ihren Angaben zufolge ebenfalls in diese Richtung. Die USA und ihre Verbündeten erwägen, die Rebellen mit Waffen zu unterstützen. Russland warnt derweil die NATO vor einem dritten Krieg nach Irak und Afghanistan.

Aufständische nahe Adschdabija auf dem Wrack eines libyschen Panzers.

Aufständische nahe Adschdabija auf dem Wrack eines libyschen Panzers.

(Foto: dpa)

Die gegen die Truppen von Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi kämpfenden Rebellen haben die Rückeroberung der Ölstadt Brega im Osten des Landes verkündet. "Wir sind im Zentrum von Brega", sagte der Rebellenkämpfer Abdelsalam el Maadani per Telefon der Nachrichtenagentur AFP. Brega liegt 80 Kilometer westlich der strategisch wichtigen Ölstadt Adschdabija, die ebenfalls am Samstag von den Rebellen zurückerobert wurde. "Gaddafis Truppen ziehen sich zurück und dürften nun in El Bischer (30 Kilometer) westlich von Brega sein", sagte el Maadani. "Die Rebellen bewegen sich ebenfalls in diese Richtung."

Ein Journalist, der die Rebellen begleitete, bestätigte die Rückeroberung Bregas. Er habe Rebellen-Kämpfer im Zentrum der Stadt gesehen, sagte er AFP. Die Regierungstruppen hätten sich vollständig zurückgezogen.

Die libyschen Rebellen hatten sich am 13. März nach schwerem Beschuss durch Gaddafis Truppen aus Brega zurückgezogen. Die Regierung verkündete am folgenden Tag die Vertreibung "bewaffneter Banden" aus Brega.

Auch Adschdabija zurückerobert

Jubel in Adschdabija.

Jubel in Adschdabija.

(Foto: REUTERS)

Zuvor hatten die Rebellen am Morgen Adschdabija zurückerobert. Es war für sie der erste entscheidende Sieg seit dem Beginn der internationalen Luftangriffe auf Libyen vor einer Woche. Unterstützt durch Luftangriffe der Alliierten zwangen sie die Soldaten Gaddafis zum Rückzug nach Westen.

Einem Reuters-Reporter in der Stadt zufolge waren die Luftangriffe der Alliierten am Freitagnachmittag kampfentscheidend. Am Samstag flogen sie auch in der von den Rebellen gehaltenen Stadt Misrata Einsätze gegen Gaddafi-Truppen, die die Stadt im Westen des Landes seit Wochen belagern. Der Beschuss durch Regierungstruppen ließ daraufhin nach, wie Aufständische aus Misrata berichteten.

Die alliierten Luftangriffe dürften maßgeblich zur Eroberung Adschdabijas beigetragen haben.

Die alliierten Luftangriffe dürften maßgeblich zur Eroberung Adschdabijas beigetragen haben.

(Foto: REUTERS)

"Ganz Adschdabija ist frei", jubelte der 20-jährige Informatikstudent Faradsch Dschoeli, der sich den Rebellenkämpfern angeschlossen hat. Nach ihrem Sieg tanzten die Aufständische auf Panzern, schwenkten ihre Fahnen vor den mit Einschusslöchern durchsiebten Gebäuden und schossen als Zeichen des Triumphs mit Gewehren in die Luft. Die Stadt war von heftigen Kämpfen gezeichnet: Mehr als ein Dutzend Leichen von Gaddafi-Soldaten lagen auf dem Boden, mehrere zerstörte Panzer waren zu sehen. Bei ihrer anscheinend panikartigen Flucht ließen die Regierungstruppen eine Lastwagenladung Munition zurück.

Adschdabija ist vom Westen Libyens aus das Tor zu der Rebellenhochburg Bengasi und der Ölstadt Tobruk. Nach einer Serie von Niederlagen in den vergangenen Wochen schöpfen die Aufständischen durch die Rückeroberung der strategisch wichtigen Stadt neue Hoffnung.

Beschuss von Misrata gestoppt

Offenbar haben Gaddafis Truppen inzwischen den Beschuss der Stadt Misrata eingestellt. "Der Beschuss wurde gestoppt und nun befinden sich Flugzeuge der Allierten in der Luft", sagte ein Rebellensprecher der Nachrichtenagentur Reuters. Zuvor sei die drittgrößte Stadt des Landes aus dem Westen wie auch aus dem Osten attackiert worden. Das 200 Kilometer östlich der Hauptstadt Tripolis gelegenen Misrata ist der einzige große Rebellenstützpunkt im Westen Libyens.

Zerstörter Panzer aus der Luft, aufgenommen von einem britischen Kampfflugzeug aus.

Zerstörter Panzer aus der Luft, aufgenommen von einem britischen Kampfflugzeug aus.

(Foto: Reuters)

Gaddafi konzentriere sich nach dem Verlust der strategisch wichtigen Stadt Adschdabija wohl auf die Hafenstadt Misrata, sagte der Rebell. Dort nehmen unterdessen die Probleme für die Bevölkerung zu. Einwohner berichteten von schwindenden Lebensmitteln. Zudem sei die Strom- und Wasserversorgung unterbrochen.

Am Samstag waren auch in der Hauptstadt Tripolis Explosionen zu hören, die auf neue Lufteinsätze hindeuten könnten. Seit Mittwoch sind weder Gaddafi noch seine Söhne im Staatsfernsehen zu sehen gewesen.

Russland warnt vor Drei-Fronten-Krieg

Der russische NATO-Botschafter Dmitri Rogosin hat die Allianz vor einem groß angelegten Krieg in Libyen gewarnt. "Genau wie wir es vorausgesagt haben, wird die Nato tiefer und tiefer in einen Krieg in Nordafrika gezogen", sagte Rogosin der Nachrichtenagentur Interfax. Die USA und ihre engsten Verbündeten könnten neben dem Irak und Afghanistan in einen dritten Krieg geraten.

Russland hatte sich in der vergangenen Woche wie Deutschland bei der Abstimmung über die Libyen-Resolution im UN-Sicherheitsrat enthalten. Es hätte den Beschluss auch mit seinem Veto blockieren können. Sanktionen gegen Libyen unterstützt die Regierung in Moskau. Russlands Präsident Dmitri Medwedew hatte zuletzt Sorgen um tote Zivilisten geäußert und US-Präsident Barack Obama in einem Telefongespräch dazu aufgefordert, dies zu verhindern.

USA erwägen Waffenlieferungen

(Foto: stepmap)

Die USA und ihre Verbündeten erwägen einem Zeitungsbericht zufolge, die libyschen Aufständischen mit Waffen zu versorgen. US-Präsident Barack Obama sei der Ansicht, dass die UN-Resolution zur militärischen Durchsetzung der Flugverbotszone in Libyen eine solche Unterstützung der libyschen Opposition ermögliche, berichtete die "Washington Post" unter Berufung auf Regierungsvertreter aus den USA und Europa. Frankreich unterstütze überdies Überlegungen, die Aufständischen militärisch auszubilden und auszurüsten.

Der aus Tripolis abgezogene US-Botschafter für Libyen, Gene Cretz, sagte dem Bericht zufolge, die Regierung erörtere "die volle Bandbreite" möglicher Hilfsangebote an die libysche Opposition. Eine Entscheidung sei jedoch noch nicht gefallen, schrieb die "Washington Post".

Obama will Anfang kommender Woche in einer Rede an die Nation seine Libyen-Strategie darlegen, wie das Weiße Haus in Washington mitteilte. Am Freitag hatte Obama bereits führende Mitglieder des US-Kongresses unterrichtet. Zuvor war kritisiert worden, dass der US-Präsident die Strategie und die Ziele des Militäreinsatzes nicht deutlich erläutert habe. Umstritten ist zudem die Finanzierung.

Libyen: Mindestens 114 Tote

Bei den Luftangriffen der internationalen Militärallianz sind nach Angaben des libyschen Gesundheitsministeriums mindestens 114 Menschen getötet worden. Allein zwischen Sonntag und Mittwoch seien 114 Menschen getötet und 445 weitere verletzt worden, sagte ein Ministeriumsverantwortlicher am Freitagabend in Tripolis. Bei wie vielen der Opfer es sich um Zivilisten handele, sagte der Verantwortliche nicht: Es sei nicht die Aufgabe seines Ministeriums, zwischen Soldaten und Zivilisten zu unterscheiden.

NATO muss noch Details klären

Obwohl die NATO in Kürze die Leitung aller internationalen Militäraktionen in Libyen übernehmen soll, sind Einzelheiten noch immer unklar. Man habe sich auch über das Kommando zum Schutz der Zivilbevölkerung geeinigt, sagte US-Regierungssprecher Jay Carney. Allerdings müssten noch militärische Details geklärt werden. Man erwarte, dass die Angelegenheit "in den nächsten paar Tagen unter Dach und Fach sein wird," meinte Carney vor Journalisten im Weißen Haus. "Es gibt eine Einigung."

Zunächst hatte die "Koalition der Willigen" am späten Donnerstagabend lediglich beschlossen, das Kommando zur Überwachung der Flugverbotszone von den USA an die NATO zu übergeben. Über das Kommando zum Schutz der Zivilbevölkerung gab es dagegen zunächst keine Einigung.

In den ersten Tagen war ein Großteil der Einsätze zur Durchsetzung der Flugverbotszone von US-Piloten geflogen worden. Die USA übergäben das Kommando derzeit schrittweise an die NATO, teilte US-Vizeadmiral William Gortney mit. Die Umsetzung des Waffenembargos zur See habe das Bündnis schon vor Tagen komplett übernommen.

Quelle: ntv.de, hdr/hvo/dpa/rts/AFP

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