"Ständiger Vertreter" des ganzen Volkes Gauck gibt seine Bewerbung ab
22.06.2010, 16:44 UhrPräsidentschaftsbewerber Gauck will im Fall seiner Wahl "ständiger Vertreter der gesamten deutschen Demokratie" sein. Der Bundespräsident könne zwar nicht die Grundlagen der Politik bestimmen, er könne aber vermitteln zwischen Regierten und Regierenden. Die Linke lässt sich davon nicht beeindrucken.
Der rot-grüne Präsidentschaftskandidat Joachim Gauck hat davor gewarnt, wegen der Finanzkrise das System der sozialen Marktwirtschaft infrage zu stellen. Überlegungen zur Abschaffung dieses Systems seien die "Flucht aus einer Verantwortung", die konkreten Probleme zu lösen, sagte er in Berlin. Die Linke bekräftigte, Gauck bei der Bundespräsidenten-Wahl Ende Juni auch im dritten Wahlgang nicht zu wählen.
Angesichts der aktuellen Probleme zweifelten viele Menschen an Demokratie und Marktwirtschaft, sagte Gauck in einer Grundsatzrede im Deutschen Theater. Aber es werde ja aber auch nicht der Fußballsport abgeschafft, nur weil immer wieder Spieler foulten. Vielmehr würden Regeln und Instanzen geschaffen, um Verstöße ahnden zu können. "Wer ausgerechnet der Wirtschaft die Freiheit nehmen will, wird immer sehr viel mehr verlieren als gewinnen", sagte der frühere Stasiakten-Beauftragte in seiner Rede. "Wir alle haben genug vom Treiben gewissenloser Finanzakrobaten oder maßloser Manager - aber wir wissen auch, dass nicht die gesamte Wirtschaft verantwortungslos ist."
Zudem hätten es bislang nur Gesellschaften mit einer funktionierenden Marktwirtschaft geschafft, die für ein menschenwürdiges Leben erforderlichen Sozialleistungen zu erwirtschaften. Gauck sprach sich zudem dagegen aus, Empfänger von Sozialleistungen zu "Mündeln" zu degradieren, statt an ihren Mut und ihre Zuversicht zu appellieren.
Militäreinsatz aus Solidarität
Gauck verteidigte zudem den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr. Solange deutsche Soldaten aus Solidarität eingesetzt würden, könne er einen solchen derartigen Einsatz nicht verurteilen. Die ums Leben gekommenen Soldaten seien aus Verantwortung nach Afghanistan geschickt worden und seien aus Verantwortungsbereitschaft dorthin gegangen.
Der frühere DDR-Bürgerrechtler Gauck tritt am 30. Juni als Gegenkandidat zu dem Bewerber von Union und FDP, Christian Wulff, bei der Wahl des neuen Bundespräsidenten an. Er genießt auch bei Union und FDP Ansehen.
Gauck und Wulff für Linke nicht wählbar
Linken-Vize Sahra Wagenknecht sagte bei n-tv.de, weder Wulff noch Gauck seien aufgrund ihrer inhaltlichen Positionen für die Linken wählbar. Zu diesem Ergebnis seien Bundestagsfraktion und Vertreter der Landesverbände nach ausführlicher Diskussion gekommen. Beide Kandidaten stünden für eine Politik sozialer Ungerechtigkeit und unterstützten den Krieg in Afghanistan. Dies würde sich zwischen dem ersten und dem dritten Wahlgang wohl kaum ändern. Die Linke hat ihre Abgeordnete Luc Jochimsen als Präsidentschaftskandidatin aufgestellt.
Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) wandte sich gegen den Vorschlag ihres Parteikollegen Kurt Biedenkopf, bei der Bundespräsidentenwahl am 30. Juni den Wahlleuten die Entscheidung frei zu überlassen. "Wir haben Christian Wulff nominiert", sagte sie dem Deutschlandradio Kultur. Und dieser könne nun auch erwarten, "dass wir zu dieser Nominierung stehen". Es gehe darum, Geschlossenheit zu zeigen, sagte die stellvertretende CDU-Chefin.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP