Politik

Neuer Anlauf für NPD-Verbot "Hohes Risiko zu scheitern"

Jerzy Montag ist gegen einen voreiligen Anlauf für ein neues NPD-Verbotsverfahren.

Jerzy Montag ist gegen einen voreiligen Anlauf für ein neues NPD-Verbotsverfahren.

(Foto: picture alliance / dpa)

Nach der Mordserie des Zwickauer Neonazi-Trios diskutieren Politiker und Juristen über ein neues NPD-Verbotsverfahren. Jerzy Montag ist rechtspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen. n-tv.de sprach mit ihm über die Aussichten eines solchen Verfahrens und was besser gemacht werden muss als 2003. Damals scheiterte bereits ein Versuch vor dem Bundesverfassungsgericht.

n-tv.de: Herr Montag, dieser Tage will die Innenminister-Konferenz über ein neues Verbotsverfahren für die rechtsextreme NPD entscheiden. Wie beurteilen Sie einen neuen Anlauf?

Jerzy Montag: Über die Frage, dass die NPD als eine verfassungsfeindliche und rechtsradikale Organisation verboten werden sollte, gibt es keinen Streit. Das Problem ist, dass das Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht lange dauern wird und die rechtlichen Hürden extrem hoch gestellt sind. Die Gefahr besteht, dass das Verbotsverfahren mit einer Abweisung des Antrages enden könnte. Das wäre für die Demokratie eine schwere Niederlage und für die NPD ein riesiger Erfolg, und das gönne ich denen nicht.

Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichtes Hans-Jürgen Papier hat sich dieser Tage ebenfalls kritisch geäußert.

Der Mann hat völlig recht. Viele Beiträge, die in dieser Debatte geleistet werden, haben einen populistischen Touch. Das lenkt von den Aufgaben ab, die auf der Tagesordnung stehen: nämlich rückstandslose Aufklärung der ungeheuerlichen Ermittlungspanne im Fall der Neonazizelle aus Zwickau.

Was meinen Sie konkret mit populistischen Beiträgen?

Es gibt Stimmen, die sofort nach der Aufdeckung der NSU-Terrorzelle gesagt haben: Jetzt ist die Zeit gekommen, ein NPD-Verbotsverfahren in Gang zu setzen. Dabei hat es zu diesem Zeitpunkt noch gar keine ausreichenden Erkenntnisse über Querverbindungen der NPD zu dieser Terror-Zelle gegeben. Herr Papier sagt zu Recht, dass nicht nur die Nähe eines Funktionärs, sondern die Nähe der Gesamtorganisation zu den Terroristen die Voraussetzung für ein erfolgreiches Verfahren ist.

Die Zwickauer Terror-Zelle: Uwe Böhnhardt (l-r), Uwe Mundlos und Beate Zschäpe.

Die Zwickauer Terror-Zelle: Uwe Böhnhardt (l-r), Uwe Mundlos und Beate Zschäpe.

(Foto: dpa)

Wie sehen die von Ihnen angesprochenen verfassungsrechtlichen Hürden aus?

Es gibt ein Verfahrensproblem. Blicken wir zurück: Wie ist denn das Verbotsverfahren 2003 gelaufen? Die Antragssteller - das waren der Bundestag, der Bundesrat und die Bundesregierung - haben den Beweis für die Verfassungswidrigkeit der NPD mit Dokumenten führen wollen, die sie teils offiziell, teils über V-Leute aus der Organisation der NPD heraus erhalten haben. Das Bundesverfassungsgericht hat damals eine schlichte Frage gestellt: Wer hat diese Papiere geschrieben? Auf der Ebene, auf der diese Dokumente entstanden sind, hatte der Staat V-Leute. Das Bundesverfassungsgericht wollte wissen, ob diese V-Leute die Dokumente geschrieben haben. Doch das Bundesinnenministerium wollte das nicht aufdecken. Die NPD würde bei einem erneuten Versuch vor dem Bundesverfassungsgericht mit den Mitteln des Rechtsstaates für ihre Position kämpfen. Deswegen müssen die Beweise der Verfassungsfeindlichkeit ohne jeglichen Flecken sein. Das war 2003 leider nicht gegeben.

Welche Voraussetzungen müssen für ein erfolgversprechendes Verbotsverfahren geschaffen werden?

Zuerst müssten wir die V-Leute in den obersten Etagen der NPD abschalten. Das sagt indes immer noch nichts darüber, wer die verfassungswidrigen Inhalte der NPD mit produziert hat. Das muss aufgeklärt werden, ansonsten müssten wir jahrelang warten, bis es neue Unterlagen gäbe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes und jetzt auch nach der des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte kann eine Partei in einer Demokratie nur verboten werden, wenn sie tatsächlich die Fähigkeiten dazu hat, den Rechtsstaat und die Demokratie in den Grundfesten zu zerstören. Das ist die rechtliche Hürde.

Besitzt die NPD diese Kraft?

Diese Antwort fällt nicht leicht, selbst wenn man wie ich die NPD vom Verstand und vom ganzen Herzen ablehnt. Die NPD ist zerstritten, sie ist finanziell ausgepowert, sie ist in weitesten Teilen Deutschlands ohne Bedeutung. Selbst in den Länderparlamenten, in denen sie sitzt, ist sie völlig isoliert. Wir gehen ein hohes Risiko ein, vor dem Bundesverfassungsgericht zu scheitern. Mir ist es lieber, die Bundes- und Landeskriminalämter, die Geheimdienste und Verfassungsschutz-Organisationen würden ihre Kräfte sammeln, um diese ungeheuerlichen Straftaten der Terrorzelle aufzudecken.

Die verfassungsrechtlichen Hürden für ein Verbotsverfahren gegen die NPD sind hoch.

Die verfassungsrechtlichen Hürden für ein Verbotsverfahren gegen die NPD sind hoch.

(Foto: dpa)

Sie würden also davon abraten, ein neues Verbotsverfahren anzustrengen?

Wir Grünen haben beschlossen, dass wir die Exekutivorgane, also die Bundes- und Landesinnenministerien, auffordern, das Material über die heutige NPD zu sammeln, zu sichten und zu bewerten. Danach werden wir entscheiden, ob wir die Aussichten auf ein Verbot positiv oder negativ einschätzen. Wir sind nicht grundsätzlich gegen das Verfahren - ganz im Gegenteil. Wir wären froh, die NPD wäre verboten. Doch wir wollen keinen zweiten leichtfertigen Antrag beim Bundesverfassungsgericht stellen. Wir wollen ihn erst dann stellen, wenn wir wirklich von der Durchschlagskraft der Argumente überzeugt sind. Der Bundestag als Antragsteller hat keine Möglichkeiten, Beweise zu sammeln. Das kann nur die Exekutive. Die Innenministerien sind deshalb jetzt in der Pflicht.

Wie können die Innenministerien und der Verfassungsschutz an verfassungsfeindliche Informationen der NPD gelangen, wenn die V-Leute ausgeschaltet werden?

Das ist ein echtes Problem. Doch die V-Leute in den Führungsebenen der NPD sind nicht das einzige Mittel, um Beweise gegen diese Partei zu sammeln. Es gibt etwa Zeugenaussagen von Aussteigern oder eine Sammlung öffentlich zugänglichen Materials. Allerdings waren im ersten Verfahren von 2003 die Informationen der V-Leute offensichtlich ein wichtiges Element. Sonst hätte das Bundesverfassungsgericht nicht so vehement darauf beharrt, zu klären, woher denn diese Beweise kommen.

Mit Jerzy Montag sprach Matthias Bossaller

Quelle: ntv.de

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