50.000 Soldaten einsatzbereit Irakische Armee bereitet Großangriff vor
20.06.2014, 15:59 Uhr
Ein auf einen Pickup montierter Mehrfach-Raketenwerfer im Gefecht mit Isis-Truppen.
(Foto: REUTERS)
Nach den blitzkriegartigen Geländegewinnen der sunnitischen Isis-Rebellen holt die irakische Armee zum Gegenschlag aus. Tausende Schiiten melden sich freiwillig - die Kämpfe nehmen langsam Züge eines Glaubenskrieges an.
Nach großen Gebietsverlusten und der Desertion Tausender Soldaten will die irakische Regierung den Vormarsch der radikalislamischen Isis rund hundert Kilometer vor Bagdad stoppen. In dem Gebiet zog das Militär nach Angaben von Regierungsmitarbeitern frische Truppen zusammen, die zum Gegenschlag gegen die Kämpfer der Gruppe Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien (Isis) ausholen sollen. Trotz massiver Kritik an Ministerpräsident Nuri al-Maliki wollen die USA die irakischen Truppen mit bis zu 300 Ausbildern unterstützen.
In den vergangenen Wochen hat die aus Syrien kommende Isis in einem Blitzfeldzug die sunnitischen Gebiete im Irak besetzt. Irakische Soldaten desertierten massenweise. De facto ist der Irak in drei Teile zerfallen. Neben den Siedlungsgebieten der Schiiten sind dies die von Sunniten bewohnten Regionen entlang des Tigris-Tals sowie die Kurden-Gebiete im Nordosten des Landes. Im schiitischen Süden des Landes haben sich mittlerweile viele Freiwillige zu den Waffen gemeldet, um die sunnitischen Isis-Kämpfer zu stoppen.
Momentan verläuft die Front in der Region um die Stadt Samarra, einem der bedeutendsten Pilgerorte der Schiiten. "Unsere Strategie der letzten Tage war es, eine neue Verteidigungslinie aufzubauen, um den Vorstoß der Isis zu stoppen", sagte ein enger Mitarbeiter al-Malikis der Nachrichtenagentur Reuters. Dies sei gelungen und nun werde versucht, die "unnötigerweise" verlorenen Gebiete zurück zu erobern.
Der Provinz-Gouverneur Abdulla al-Dschiburi forderte in einer vom irakischen Fernsehen übertragenen Ansprache an die Soldaten im Ort Ischaki unweit von Samarra, die Provinzhauptstadt Tikrit zurückzuerobern. Nach seinen Worten sind im Raum Samarra rund 50.000 Soldaten zusammengezogen worden, bislang kam es allerdings nur zu kleineren Gefechten. Unklar blieb die Lage in der Raffinerie Baidschi. Offenbar konnten sich Teile der Regierungstruppen in der ausgedehnten Anlage halten, die seit Tagen von Isis-Kämpfern angegriffen wird. In Duluija zwischen Samarra und Bagdad nahm ein Armee-Hubschrauber einige Häuser unter Beschuss. Nach Anwohner-Angaben starb eine Frau. Die Polizei erklärte, der Pilot habe falsche Angriffskoordinaten erhalten.
Mord und Totschlag zwischen den Glaubensgruppen
Die Kämpfe, die zunehmend Züge eines Glaubenskrieges tragen, werden mit großer Brutalität geführt. Nach im Internet kursierenden Videos haben Isis-Milizionäre gefangene Soldaten reihenweise exekutiert. Im Gegenzug werfen auch Sunniten schiitischen Kämpfern Folter und Mord vor. In der Provinzhauptstadt Baquba sollen demnach schiitische Wärter alle sunnitischen Häftlinge erschossen haben. Viele der Männer sind nach Angaben sunnitischer Beamter gefoltert worden. Einer Leiche fehlten demnach alle Fingernägel.
Der Westen wirft al-Maliki vor, die Spannungen zwischen den Glaubensgemeinschaften durch die Marginalisierung der Sunniten geschürt zu haben. Nur deswegen sei Isis der rasche Vorstoß in sunnitische Gebiete gelungen. Nach den USA bekräftigte auch Frankreich, das Land brauche eine Regierung der nationalen Einheit. Dabei spiele keine Rolle, ob dies mit oder ohne al-Maliki geschehe, sagte Frankreichs Außenminister Laurent Fabius. In Berlin erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert: "Was wir ganz klar sehen, ist die Notwendigkeit für eine Politik, die alle Bevölkerungsgruppen dort umfasst."
US-Präsident Barack Obama hatte zuvor erklärt, er behalte sich zwar Luftschläge gegen Isis offen, die USA wollten aber auf keinen Fall eine bestimmte Bevölkerungsgruppe unterstützen. Wer den Irak regiere, müsse das Volk entscheiden, sagte er auf eine Frage nach al-Maliki. Die USA haben einen Flugzeugträger, Lenkwaffenzerstörer und Truppentransporter in den Persischen Golf verlegt. Zweieinhalb Jahre nachdem sich das US-Militär aus dem Irak zurückgezogen hat, will Obama jedoch keine Bodentruppen in dem Land einsetzen.
Quelle: ntv.de, jve/rts