Politik

Spannungen vor Afghanistan-Konferenz Karsai malt düsteres Bild

Hamid Karsai fühlt sich nicht wohl bei dem Gedanken, dass die Rebellenanführer aus dem pakistanischen Versteck nach Afghanistan zurückkehren könnten.

Hamid Karsai fühlt sich nicht wohl bei dem Gedanken, dass die Rebellenanführer aus dem pakistanischen Versteck nach Afghanistan zurückkehren könnten.

(Foto: dpa)

Präsident Karsai sieht die Bonner Afghanistan-Konferenz offenbar nicht als Chance, sondern als Bedrohung für sein Land. Bundeswehr und US-Militär beurteilen die Lage nach ihrem Abzug 2014 als negativ. Es könnte sogar einen neuen Bürgerkrieg geben. Derweil rechnet die pakistanische Regierung mit einer Invasion der US-Truppen.

Die am kommenden Montag in Bonn beginnende Afghanistan-Konferenz wird angeblich von massiven Spannungen und düsteren Prognosen überschattet. Das geht nach Berichten der "Bild"-Zeitung aus zahlreichen Militär- und Geheimdienstdokumenten hervor. So sehe Präsident Hamid Karsai die Konferenz nicht als Chance, sondern als Bedrohung. Bei der Bundeswehr und dem US-Militär werde die weitere Entwicklung in Afghanistan nach dem Truppenabzug negativ beurteilt, heißt es.

An einer Schule in der Altstadt von Kabul.

An einer Schule in der Altstadt von Kabul.

(Foto: dapd)

"In seinen besonders misstrauischen Momenten glaubt Karsai, man wolle ihn in Bonn isolieren und von der Macht beseitigen", zitiert "Bild" aus einem US-Dokument des "Combined Joint Intelligence Operations Center Afghanistan", einer Art Militärgeheimdienst.

Weitere Dokumente würden belegen, wie pessimistisch die Bundeswehr die Zukunft Afghanistans nach dem Abzug der westlichen Kampftruppen sehe. "Nach dem Ende der Besatzung durch ISAF 2014, werden die Führer der Aufständischen", die sich nach Pakistan geflüchtet haben, "nach Afghanistan zurückkehren", wird aus in einem als "geheim" eingestuftem Bundeswehr-Dokument berichtet. "Wenn die ISAF-Truppen das Land verlassen, wird es Bürgerkrieg geben", zitiert "Bild" aus einem Bericht des US-Militärs über den Norden Afghanistans.

Drogendealer als Partner der Bundeswehr

Dokumente des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) würden außerdem belegen, dass die Bundeswehr offenbar auch Kriminelle als Verbündete in Nordafghanistan akzeptierte, berichtet "Bild". So sei bekannt gewesen, dass der nordafghanische Polizeichef Daud Daud, bis zu seiner Ermordung im Mai ein enger Partner der Bundeswehr, in den Drogenhandel verwickelt gewesen sei. Daud, so der BND, solle "seit einigen Jahren regelmäßig Drogengeschäfte getätigt haben."

Deutsche Soldaten in Masar-i-Sharif.

Deutsche Soldaten in Masar-i-Sharif.

(Foto: Reuters)

Unterdessen zündete ein Selbstmordattentäter der Taliban vor einem US-Militärstützpunkt in der ostafghanischen Provinz Logar eine Autobombe und tötete mindestens einen Zivilisten. Etwa 60 weitere Menschen, die meisten davon ebenfalls Zivilisten, seien durch die Wucht der Explosion verletzt worden, teilte ein Sprecher der Provinzregierung mit. Mehrere Gebäude in unmittelbarer Nähe des Anschlagsortes seien zerstört oder erheblich beschädigt worden. Ein Taliban-Sprecher übernahm im Namen der radikal-islamischen Aufständischen die Verantwortung für die Tat.

Islamabad rechnet mit Angriff

Aus einem "streng geheimen Papier" des US-Militärs in Afghanistan geht derweil hervor, dass die pakistanische Regierung in Islamabad mit einer Invasion der US-Truppen rechnet. Das pakistanische Militär, so die Analysten des "Combined Joint Intelligence Operations Center", habe "Defensivstellungen" in der Grenzregion zwischen Afghanistan und Pakistan errichtet. "Dies ist eine Reaktion auf erwartete Angriffe von US- oder Koalitionstruppen", heißt es in dem geheimen Dokument. Das pakistanische Militär bereite sich auf einen "nach ihrem Eindruck unmittelbar bevorstehenden Einfall amerikanischer Truppen" vor.

Zwischen US-amerikanischen und pakistanischen Truppen war es am vergangenen Samstag zu einem schweren Zwischenfall im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet gekommen. Dabei beschossen amerikanische Kampfhubschrauber einen Grenzposten des pakistanischen Militärs und töteten 24 Soldaten. Die Regierung in Islamabad hatte daraufhin ihre Teilnahme an der Bonner Afghanistan-Konferenz abgesagt.

Pakistan gab grünes Licht für Einsatz

Die pakistanische Armeeführung drohte den internationalen Truppen im Falle eines erneuten Raketen-Beschusses mit Vergeltungsmaßnahmen. Armeechef Ashfaq Parvez Kayani habe den Kommandeuren im Grenzgebiet zu Afghanistan die Erlaubnis erteilt, im Fall eines erneuten NATO-Angriffs das Feuer zu erwidern, berichtete die Zeitung "Express Tribune" unter Berufung auf ranghohe Militärkreise.

Die Direktive des pakistanischen Armeechefs bedeutet nach Ansicht eines von der "Express Tribune" zitierten Militärexperten einen Eingriff in die bislang gültigen Befehlsstrukturen der Streitkräfte. Von nun an könnten örtliche Kommandeure selbstständig auf "feindliche Bewegungen" auf pakistanischem Staatsgebiet reagieren, ohne vorher eine höhere Dienststelle konsultieren zu müssen.

Das "Wall Street Journal" berichtet derweil unter Berufung auf US-Regierungskreise, dass das pakistanische Militär vor dem NATO-Luftangriff über die Lage informiert war. Demnach sollen pakistanische Vertreter in einer gemeinsam mit dem afghanischen und dem US-Militär gebildeten Grenzkoordinationsstelle sogar grünes Licht für den Angriff der US-Kampfflugzeuge gegeben haben. Allerdings hätten sie selbst nicht gewusst, dass sich in dem betreffenden Gebiet pakistanische Soldaten aufhielten.

US-Vertreter räumten jedoch Fehler auf allen Seiten ein. "Es wurden viele Fehler gemacht", sagte eine von ihnen der Zeitung. Den Beteiligten sei nicht wirklich bewusst gewesen, "wer wo war und wer was getan hat". Die US-Regierung sprach Pakistan zwar ihr "tiefes Beileid" aus, lehnte aber ein explizites Schuldeingeständnis ab.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP

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