"Dreiklang" der Kanzlerin Kirchhof mahnt Merkel
10.05.2009, 18:53 UhrDer Heidelberger Steuerrechtler Paul Kirchhof hat die Parteien aufgefordert, trotz des Wahlkampfes keine Steuersenkungen anzukündigen. "Tun sie dies, setzen sie ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel", sagte Kirchhof, der im Bundestagswahlkampf vor vier Jahren Mitglied des CDU-Wahlkampfteams war.
"Wer Steuersenkungen in Aussicht stellt, der muss auch offen sagen, wie er diese finanzieren wird", so Kirchhof zur Deutschen Presse-Agentur. Sonst sei er nicht ehrlich zu sich und zum Steuerzahler.
CSU will weiter Schulden machen
Vor allem CSU und FDP fordern Steuersenkungen nach der Wahl. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte der "Berliner Zeitung", seine Partei werde am Versprechen von Steuersenkungen auch dann festhalten, wenn die Steuerschätzung ergebe, dass die staatlichen Einnahmen wegbrechen. CSU-Chef Horst Seehofer sagte am Wochenende auf einem kleinen CSU-Parteitag in Deggendorf, die Schulden könnten in guten Zeiten abgebaut werden.
Mit der nächsten Steuerschätzung werden Einnahmeausfälle von bis zu 350 Milliarden Euro bis zum Jahr 2013 gegenüber früheren Plänen erwartet. Hinzu kommen Mehrbelastungen durch höhere Ausgaben für die Sozialkassen und Kosten für die Konjunkturpakete. Ländern und Bund drohen zudem Milliarden-Belastungen bei der Banken-Sanierung.
Merkel auf dem Mittelweg
Die CDU ist steuerpolitisch noch uneins. Bundeskanzlerin Angela Merkel setzt auf einen Mittelkurs zwischen Steuersenkungen und Haushaltssanierung. In der ARD wiederholte sie ihre Position, nach der sie einen "Dreiklang von Schuldentilgung, Investitionen in Innovation und steuerlicher Entlastung" plane. Innenminister Wolfgang Schäuble mahnte dagegen, die Union müsse den Bürgern "reinen Wein einschenken", der Spielraum für Steuersenkungen sei außergewöhnlich gering.
Der "Bild am Sonntag" sagte Schäuble, niemand könne derzeit sagen, ob und wann es Spielraum für Steuersenkungen geben werde. Auch Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) sagte der "Super Illu", kurzfristig seien Steuersenkungen nicht möglich. Die Union sei als Garant solider Staatsfinanzen in der Pflicht und müsse darauf achten, dass der Staat handlungsfähig bleibe.
"Wir werden einen Weg finden"
Merkel hielt dagegen, ihr Ziel sei es, dass Deutschland schnellstmöglich aus der Talsohle herauskomme: "Dazu müssen wir Wachstumskräfte mobilisieren." Die Staatsschulden müssten wieder sinken, es müsse in Bildung und Innovationen investiert und die Leistungsträger müssten entlastet werden. "Wir werden einen Weg finden, wie wir alle drei Ziele zusammenbringen", sagte die CDU-Chefin. Was in der nächsten Legislaturperiode machbar sei, könne man heute noch nicht sagen, "weil wir den Verlauf der Krise nicht kennen". Sie bekräftigte aber, die CDU werde Steuersenkungen ins Wahlprogramm aufnehmen.
CDU und CSU wollen ihr Wahlprogramm Ende Juni beschließen. Aus Sicht von der CSU ist Merkel bereits auf CSU-Kurs eingeschwenkt. Mit Blick auf den Widerstand von Unions-Ministerpräsidenten sagte CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer: "Die wird Angela Merkel noch einfangen". Die Kanzlerin habe sich "in rasantem Tempo der CSU-Steuerpolitik angenähert".
SPD-Chef Franz Müntefering forderte Merkel auf, "sich jetzt ehrlich zu machen". Steuersenkungen im Volumen von 25 bis 30 Milliarden Euro seien ein "völliges Hirngespinst". Das gehe nur, wenn Mittel für Bildung und Soziales gekürzt würden: "Das würde zulasten der Kleinen gehen." Die SPD strebt kleinere Steuersenkungen zugunsten unterer und mittlerer Einkommen an.
Steuerschätzung am Donnerstag
Welche Finanz-Spielräume der Staat tatsächlich hat, sollen die Steuerschätzer klären, die am Donnerstag in Bad Kreuznach ihre neue Prognose bis 2013 abgeben. Die Arbeitsgrundlage für die Experten von Finanzbehörden, Bundesbank und Instituten ist die Kalkulation des Bundesfinanzministeriums, aus der das "Handelsblatt" zitierte. Demnach erwartet Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) wegen der schweren Rezession für 2009 Steuerausfälle von 48 Milliarden Euro gegenüber der vorherigen Prognose vom November. 2010 beträgt das Minus demnach 73 Milliarden auf 522 Milliarden Euro, in den Folgejahren minus 80 Milliarden Euro.
Weil die Regierung die Rezession nicht durch ein Anziehen der Sparschraube verschärfen will, müssen zur Deckung der Lücke neue Schulden gemacht werden. Alleine der Bund wird sich 2009 mindestens 80 Milliarden Euro bei den Banken borgen. Das wäre doppelt so viel wie der bisherige Schuldenrekord von 1996.
Quelle: ntv.de, rts / dpa