Griechenland stärkt die Konservativen Europa begrüßt Votum
18.06.2012, 05:18 Uhr
Der Chef der Konservativen, Samaras, wird zu seinem Wahlsieg beglückwünscht.
(Foto: REUTERS)
Aufatmen nach der zweiten Parlamentswahl in Griechenland binnen weniger Wochen: Die Parteien, die eine Fortsetzung des Spar- und Reformprogramms im Euro-Krisenland wollen, könnten diesmal eine Regierungsmehrheit bilden. Europa ist erleichtert. Auch die Finanzmärkte reagieren positiv.
Der Sieg der konservativen Neo Dimokratia (ND) bei den Parlamentswahlen in Griechenland ist im politischen Europa und an den Finanzmärkten mit Erleichterung aufgenommen worden. "Wir hoffen, dass die Wahlergebnisse rasch die Bildung einer Regierung erlauben", erklärten EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso.
Bundeskanzlerin Angela Merkel begrüßte das gute Abschneiden der CDU-Schwesterpartei, mahnte aber zugleich die Einhaltung der "europäischen Verpflichtungen" an. Die asiatische Leitbörse in Tokio verzeichnete in Reaktion auf das Wahlergebnis im Euro-Krisenland deutliche Gewinne.
Nach Auszählung fast aller Stimmen (99,83 Prozent) kommt die ND auf 29,7 Prozent, wie das Innenministerium in Athen mitteilte (Seite auf griechisch). Zusammen mit der sozialistischen Pasok-Partei, die demnach auf 12,3 Prozent kommt, würde sie über eine Mehrheit von 162 Mandaten im 300 Sitze zählenden Parlament verfügen. Beide Parteien hatten sich grundsätzlich für eine Fortsetzung des mit der EU und dem Internationalen Währungsfonds im Gegenzug für Milliarden-Hilfen verabredeten Sparkurses ausgesprochen. Dies ist eine Voraussetzung für den Verbleib des hoch verschuldeten Landes im Euro-Raum.
"Begrüßen Mut und Ausdauer der griechischen Bürger"
Das radikale Linksbündnis Syriza, das eine Aufkündigung des Sparprogramms angekündigt hatte, wurde mit 26,9 Prozent der Stimmen zweitstärkste Kraft. Die Wahlbeteiligung lag bei gut 62 Prozent.
In einem Telefongespräch gratulierte Merkel dem ND-Vorsitzenden Antonis Samaras zum "guten Wahlergebnis". Wie eine Regierungssprecherin in Berlin mitteilte, habe die Kanzlerin aber auch deutlich gemacht, dass sie davon ausgehe, dass Griechenland sich an seine europäischen Verpflichtungen halte. Bei der Europäischen Union zeigte man sich erleichtert über den Wahlausgang. "Wir begrüßen heute den Mut und die Ausdauer der griechischen Bürger", erklärten Van Rompuy und Barroso.
Auch China zeigte sich vom Wahlausgang erfreut. "Wir sind überzeugt davon, dass Griechenland in der Euro-Zone bleiben sollte, um deren Integrität und Stabilität zu wahren", sagte Vizefinanzminister Zhu Guangyao im mexikanischen Los Cabos am Vorabend des G20-Gipfels.
In letzter Konsequenz ging es bei der Wahl um die Frage, ob Athen in der Eurozone bleibt oder zur Drachme zurückkehrt. Die Nervosität an den Finanzmärkten ist nicht nur wegen Griechenland, sondern auch angesichts der Probleme in Spanien und Italien extrem hoch. Nach dem Wahlsieg der griechischen Konservativen legte der Nikkei-Index in Tokio jedoch gleich nach Handelsstart deutlich zu.
"Position in Europa wird nicht mehr gefährdet sein"
Samaras sagte in seiner Siegesrede, das Volk habe die Politiker gewählt, die für Wachstum und Verbleib im Euroland seien. "Griechenlands Position in Europa wird nicht mehr gefährdet sein." Der Chef der Neo Dimokratia lud alle politischen Kräfte ein, sich an einer Regierung der nationalen Rettung zu beteiligen. "Das Land hat keine Minute zu verlieren", sagte Samaras. Er versprach, sich an die internationalen Vereinbarungen zu halten, kündigte aber auch an, mit den europäischen Partnern über zusätzliche Maßnahmen zur Wachstumsförderung zu verhandeln.

Es reicht: Konservative und Sozialisten erreichen im neuen Parlament eine eigene Mehrheit.
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Sozialisten-Chef Evangelos Venizelos schlug die Bildung einer möglichst breiten Regierung aus Konservativen, Sozialisten, radikalen sowie gemäßigten Linken vor. Anos Skourletis, Sprecher der Radikallinken, bezeichnete jedoch alle Diskussionen über ein Bündnis mit Konservativen und Sozialisten als lächerlich. Parteichef Alexis Tsipras sagte, seine Partei wolle stärkste Oppositionskraft bleiben. Das Volk habe innerhalb von sechs Wochen zum zweiten Mal das Sparpaket verurteilt.
Die Euro-Finanzminister erwarten von einer neuen Regierung in Griechenland eine Fortführung des vereinbarten Spar- und Reformprogramms. Sparkurs und Strukturreformen seien "Griechenlands bester Weg, die gegenwärtigen wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen zu überwinden", teilte Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker in einer Erklärung mit. Außenminister Guido Westerwelle bot dem hoch verschuldeten Euroland Aufschub bei der Umsetzung des Sparprogramms an. "Ich kann mir gut vorstellen, über Zeitachsen noch einmal zu reden", sagte Westerwelle der ARD.
"Die Hängepartie geht weiter"
Die Troika aus EU, EZB und IWF steht derweil laut einem Zeitungsbericht bereit, nach Athen zu reisen, sobald dort eine Regierung gebildet ist. Es sei aber schon jetzt absehbar, dass Griechenland "einen erheblichen Rückstand" bei den zugesagten Reform- und Sparanstrengungen habe, berichtet die "Bild"-Zeitung unter Berufung auf diplomatische Kreise in Brüssel. Das Haushaltsdefizit sei größer als geplant und bei den Privatisierungen und Verbesserung der Steuereinnahmen sei in den vergangenen Wochen "so gut wie nichts geschehen".
Volkswirte rechnen allerdings auch für den Fall einer erfolgreichen Regierungsbildung in Athen mit wochenlangen Verhandlungen mit der internationalen Staatengemeinschaft über Kompromisse bei den Sparprogrammen. "Die Hängepartie geht weiter", sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise sieht "harte Wochen mit Unsicherheiten" auf Bürger und Finanzmärkte zukommen. Alle Seiten hätten rund vier Wochen Zeit, bis die nächsten größeren Zahlungen für Griechenland aus den Hilfspaketen freigegeben oder eben gestoppt würden.
Rechtsextreme schneiden erneut gut ab
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler sagte, es sei "ein guter Tag für Griechenland, guter Tag für die Eurozone, guter Tag für unsere gemeinsame Währung, guter Tag für Europa insgesamt". Nun müsse sich Athen klar zu dem Anpassungsprogramm bekennen. "Aus meiner Sicht kann es keine Rabatte auf Reformen geben", sagte der FDP-Chef und Vizekanzler.
Für Finanzminister Wolfgang Schäuble hat das mit Griechenland gemeinsam erarbeitete und vereinbarte Reformprogramm nur einen Zweck: Griechenland zurück auf den Weg wirtschaftlicher Prosperität und Stabilität zu führen. "Der Weg dorthin ist weder kurz noch leicht, aber er ist unvermeidlich. Und er eröffnet dem griechischen Volk die Perspektive auf eine bessere Zukunft", ließ Schäuble in Berlin mitteilen.
Bei der Parlamentswahl schnitt auch die faschistische Partei Goldene Morgenröte wieder gut ab. Sie erreichte 6,9 Prozent. Die rechtskonservativen Unabhängigen Griechen erhielten 7,5 und die gemäßigte demokratische Linke 6,2 Prozent der Stimmen. Die Kommunisten kommen demnach auf 4,5 Prozent. Die zweite Wahl binnen sechs Wochen war notwendig geworden, weil Gegner und Befürworter des Spar- und Reformprogramms nach der Parlamentswahl vom 6. Mai keine Mehrheit für eine Regierungsbildung finden konnten.
Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP/rts