Ausgangssperre in Rangun Lage spitzt sich deutlich zu
25.09.2007, 07:36 UhrNach tagelangen Protestdemonstrationen von Mönchen hat die Militärregierung in Birma ein Versammlungsverbot erlassen. Außerdem wurde in der Hafenmetropole Rangun und der zweitgrößten Stadt Mandalay eine Ausgangssperre von 21.00 Uhr bis 05.00 Uhr verhängt, wie Bewohner berichteten. Zunächst lagen keine Berichte vor, ob sich die Demonstranten an die Ausgangssperre hielten. Das Versammlungsverbot gilt den Angaben zufolge für Gruppen von mehr als fünf Personen. Die Maßnahmen sollen 60 Tage in Kraft bleiben.
Zuvor hatte sich die Lage in Rangun deutlich zugespitzt. Mindestens zwölf Busse mit Soldaten seien in die Innenstadt gefahren, berichteten am Abend Augenzeugen. Die Krankenhäuser der Hafenstadt seien in Bereitschaft versetzt worden. "Wir haben den Eindruck, dass die Sicherheitskräfte am Mittwoch vorrücken", hieß es in Oppositionskreisen.
Trotz Warnung der Regierung waren erneut zehntausende Mönche und Zivilisten auf die Straße gegangen und haben offener als je zuvor ihre Verachtung für das Militärregime gezeigt. Nach Angaben von Augenzeugen beteiligten sich allein in Rangun mehr als 50.000 Menschen an den Protesten gegen das Militär, das das Land seit 45 Jahren in eisernem Griff hat. Sie skandierten "Demokratie!" und "Der Wille des Volks muss erfüllt werden!". Einige entrollten Transparente mit dem Bild eines kämpfenden Pfaus, einem Symbol demonstrierender Studenten beim Aufstand 1988. Andere trugen Fotos von der unter Hausarrest stehenden Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi und ihrem Vater, einem Nationalhelden aus dem Unabhängigkeitskampfes gegen die Briten.
Truppen werden zusammengezogen
Die Demonstrationen waren aber kleiner als am Vortag, als 100.000 Menschen auf der Straße waren. Beobachter führten das auf die ersten Drohgebärden des Regimes seit Beginn der massiven Demonstrationen vergangene Woche zurück. Einige Medien meldeten, in Rangun sei inzwischen bewaffnete Bereitschaftspolizei aufgezogen. Südostasiatische Diplomaten berichteten, dass in den vergangenen Tagen immer mehr Soldaten zusammengezogen worden seien, zum Teil in voller Kampfmontur. Zwei Divisionen des Heeres befanden sich am Dienstag demnach bereits in Rangun oder waren auf dem Weg dorthin. Üblicherweise bestehen Divisionen aus 10.000 bis 20.000 Soldaten.
USA verhängen neue Sanktionen
Die Europäische Union forderte "alle Beteiligten, aber ganz besonders die Regierung, zu größtmöglicher Zurückhaltung" auf. "Wir hoffen auf einen politischen Dialog unter Einschluss aller Beteiligten und die Achtung der Menschenrechte", sagte ein Sprecher der Kommission. China rief das Militär zu einem "angemessenen" Umgang mit den Protesten auf. Eine Sprecherin des Außenamtes betonte aber, China mische sich nie in innere Angelegenheiten anderer Staaten ein.
US-Präsident George W. Bush kündigte in seiner Rede vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York neue Sanktionen der USA gegen Birma an. Die USA haben bereits ein Waffenembargo gegen das Land verhängt und beschränken Importe und Exporte sowie finanzielle Transaktionen.
Regime droht mit eigenen "Maßnahmen"
Die erste Drohgebärde des Regimes kam nach tagelangem Schweigen. Der Religionsminister zeigte sich in betont devoter Haltung mit mehreren greisen Mönchen im Fernsehen und diffamierte die demonstrierenden Glaubensbrüder. Sie würden von feindlichen Kräften gelenkt und bedrohten den Frieden im Land. Er forderte die Alten auf, den Protesten ein Ende zu setzen. Andernfalls werde das Regime seine eigenen "Maßnahmen" ergreifen. Einzelheiten nannte er nicht. Der staatlich gelenkte Religionsrat forderte Klostervorsteher auf, weitere Proteste zu unterbinden. Sie hatten sich im August an drastischen Preiserhöhungen entzündet. "Welches Recht hat das Militär, uns den Protest zu verbieten?" sagte ein Mönch. "Wir gehören zum Volk, wenn das Volk arm ist, sind wir es auch."
Gefängnisstrafen für Zuschauer
Am Morgen rollten Militärfahrzeuge mit Lautsprecheranlagen durch die Straßen. Die Menschen wurden davor gewarnt, sich an Protesten zu beteiligen. Schon das Zuschauen werde mit Gefängnis bestraft. Ein Einschreiten des Militärs sei nicht auszuschließen. Die Stimmung im Land war angespannt, berichteten Exil-Birmanen nach Gesprächen mit Verwandten. Viele Menschen fürchteten ein Blutbad wie 1988. Damals schlug das Militär eine Demokratiebewegung brutal nieder. Rund 3.000 Menschen kamen dabei ums Leben.
Dennoch sammelten sie nach Angaben von Augenzeugen tausende Mönche an der Shwedagon-Pagode, dem 100 Meter hohen vergoldeten Wahrzeichen der Stadt. Der Platz davor ist wegen früherer Demokratiekundgebungen besonders symbolträchtig. Von dort marschierten sie mit einer immer größeren Gefolgschaft von Zivilisten in die Innenstadt, ehe sie sich am Nachmittag wieder in ihre Klöster zurückzogen.
Quelle: ntv.de